Im Frühtau zur Wiese
Die erste Nacht der mehrwöchigen Hundebetreuung ist vorüber. Auch wenn das eigene, das gewohnte Bett, niemals ersetzt werden kann, verlief diese relativ ruhig und entspannt. Okay, an das Hintergrundbrummen der 30 Kilowatt Solar - Speicheranlage habe ich mich immer noch nicht so richtig gewöhnt; auch das typische Geräusch der Abwasserpumpenstation ist gewöhnungsbedürftig und die regelmäßig durchrauschenden S - Bahnen sowie Personen - oder Güterzüge, der zirka 500 Meter entfernt verlaufenden Schienenstrecke von München nach Freising, zum Flughafen und weiter, sind bereits in das tägliche Geräuschkataster aufgenommen worden. Diese Immissionen wirken längst nicht mehr störend.
So wachte ich denn gegen 6.00Uhr in dem leicht zu warmen Kellerraum, in dem das Gästebett steht, auf und präparierte mich für den ersten morgendlichen Gang mit den beiden Vierbeinern. Auch der ist längst zur Routine geworden.
Aufgeregt sprangen die beiden Hunde um mich herum und warteten darauf, dass ich ihnen die Leine an das Halsband anlege. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, zogen sie los. Nö, Leinenläufigkeit sieht anders aus. Aber auch daran gewöhnt sich ein älterer Herr sehr schnell. Schließlich war ich über Jahre selbst mehrfacher Hundehalter und habe darin längst Erfahrungen sammeln können.
Es hatte über Nacht mal wieder geregnet. Die Wiese auf dem alten Flugplatz war noch nass. n den Blättern der Büsche und Bäume hingen noch eine Vielzahl Regentropfen, die aber bald verdunsten würden, denn an der Ostseite des Areal zeigte sich die Mutter allen Lebens, die Sonne, als gelblicher Ball in einem feuerroten Gewand aus Wolken und Dunst.
Der Tag begann freundlich. Auch den Hunden gefiel das Umfeld. Sie tobten irgendwo auf den Grünflächen herum. Bei knapp 16 ° C fotografierte ich dabei erneut einige Blumen und Gräser und Büsche. So, wie ich das Fotografieren seit sehr vielen Jahren zu einem meiner Hobbys auserwählt hatte.
Damals war es eine " Pentax " - Spiegelreflexkamera; heute ist es ein um ein Vielfaches leichteres Smartphone, dass beinahe die gleichen Bilder herstellt. Was ich früher - nicht selten etwas umständlich - mittel Fototasche mit schleppte, passt heutzutage in die linke oder rechte Gesäßtasche. Die Zeiten ändern sich halt. Manchmal sinniere ich darüber, ob ich all diese Veränderungen und den damit verbunden Druck, immer up to date sein zu müssen, eigentlich noch mitmachen möchte.
Weil die Hunde nach knapp einer halben Stunde langsam genug vom Herumtoben hatten, leinte ich sie wieder an. Die Sonne stieg immer noch in den Morgenhimmel auf. Der Dunst über dem Flugplatzgelände hatte sich aufgelöst. Auf dem Rückweg zum Bungalow der jetzt in den USA Verweilenden, kamen mir Erinnerungen an ein Lied, dass sich in der " Mundorgel ", dem Gesangsbüchlein, der Lieder - Fibel aus CVJM - Zeiten, das ebenfalls nur Westentaschenformat hat, wieder findet:
" Im Frühtau zu Berge ".
Das im Westen, in der BRD, zu meiner Schülerzeit, bei den einige Jahre lang zelebrierten montäglichen Morgenfeiern zu Motivationszwecken von dafür bestimmten Klassen zum Besten gegeben werden musste, fiel mir mehr als 6 Dekaden später wieder ein. Allerdings könnte ich es nicht mehr mit voller Inbrunst schmettern. Der Text ist längst vergessen:
1. Im Frühtau zu Berge wir gehn, vallera, es grünen die Wälder, die Höhn, vallera. Wir wandern ohne Sorgen und singen in den Morgen noch ehe im Tale die Hähne krähn.
2. Ihr alten und hochweisen Leut, vallera, ihr denkt wohl, wir sind nicht gescheit, vallera! Wer sollte aber singen, wenn wir schon Grillen fingen in dieser herrlichen Frühlingszeit!
3. Werft ab alle Sorgen und Qual, vallera, und wandert mit uns aus dem Tal, vallera! Wir sind hinausgegangen, den Sonnenschein zu fangen: Kommt mit und versucht es doch selbst einmal!
Das all wissende Internet konnte auch hier weiter helfen. Dass es sich bei dem als " Heimat - und Wanderlied " beschriebene Sangesstück um ein aus Schweden stammendes, von Olof Thumann komponiertes Werk handelt, war mir bislang genauso unbekannt, wie dessen weitere Geschichte:
https://www.deutschland-lese.de/streifzuege/lieder/heimat-wanderlieder/im-fruehtau-zu-berge/
Nun, gut, auch ein älterer Mann lernt nie aus.
Allerdings kann ich mich noch sehr genau an die Verhohnepipelung des Liedes durch den ostfriesischen " Blödel - Barden " Otto Waalkes erinnern:
Das ist zwar nicht so lange her, wie meine erste Begegnung mit dem Stück aus der " Mundorgel ", aber, immerhin, es ging schon damals ohne die schwülstigen Phrasen von " Heimat " oder " Gemeinschaft ".
Nach weiteren 10 Minuten schloss ich die Haustür zu meinem Gast - Domizil wieder auf. Puh, es wird warm. Die Luft stand wieder im Flachdachbau. Ich öffnete die Oberlichter, versorgte anschließend die beiden sichtlich erschöpften Hunde, duschte und fuhr zurück ins traute Heim.
SONUS UMBRA - Invisible World - Spiritual Vertigo - 2003:
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