Der Fleischer hat seine Schuldigkeit getan, der Zerleger muss jetzt gehen? Oder: Warum das Arbeitsgericht Osnabrück die Kündigungen von Mitarbeitern der Firma Gausepohl für rechtens hält?




Es war eine der vielen, aber in diesem Fall sinnvollen, TV - Wiederholungen eines Berichts des Norddeutschen Rundfunks über die realen Zustände aus den Bereichen der niedersächsischen Fleisch - und Geflügelindustrie. Dieses Mal waren nicht die " Hühner - KZs ", die Geflügelmastbetriebe oder stinkendes Ekelfleisch das Thema, nein, es ging um Menschen. Genauer gesagt, um die, die in dem auch hier bestehenden Kreislauf von Umsatz, Marktanteil und Profit, eine eher untergeordnete Rolle spielen: das so genannte Human Kapital, die Mitarbeiter, die Malocher.
Dissen ist ein Nest und liegt im Südwesten von Niedersachsen. Genauer gesagt im Landkreis Osnabrück und am Südhang des Teuteburger Walds; nur wenige Kilometer von der nordrhein - westfälischen Landesgrenze entfernt. Den Ort kann der Autofahrer über die A33, Abfahrten 13 und 14 erreichen. Diese Autobahnanbindung ist auch verkehrstechnisch sinnvoll, denn sie wird von ungezählten LKW genutzt, die einige, dort ansässige Betriebe der Nahrungsmittelindustrie anfahren

http://de.wikipedia.org/wiki/Dissen_am_Teutoburger_Wald

In Dissen wählt frau/man vorwiegend schwarz, manchmal SPD. Aktuell stellen die Sozialdemokraten den dortigen Bürgermeister. Von den knapp 9.400 Einwohnern ist eine nicht nicht unerhebliche Zahl der Arbeitsfähigen in den oben genannten Betrieben tätig. Man ist deutsch, spricht deutsch und wohnt deutsch. Mann und Frau führen auch deutsche Vornamen. So heißen sie:  Ingrid, Monika oder Marion, Heinz, Holger oder Helmut.

Und um einen Mann, der den letzt genannten Vornamen trägt, handelt der NDR - Bericht. Helmut ist nämlich einer der 12 betroffenen, vormals fest angestellten Schlachter der Firma Gausepohl in Dissen, der zum 31.03.2014 seine Kündigung erhielt. Und zwar deshalb, weil er einen vorgelegten Arbeitsvertrag für den noch bestehenden Arbeitsvertrag, mit dem er auf die Hälfte seines Lohns verzichten sollte - wie die übrigen 11 Kollegen auch - nicht unterschrieb.

Die Betriebe der Gausepohl - Gruppe erwirtschafte im Jahr 2010 einen Bruttoumsatz von ca. 500 Millionen Euro. Insgesamt waren dort 836 Beschäftigte tätig. Zu der Gausepohl - Gruppe zählten:

Der Stammsitz des Unternehmens in Dissen in Niedersachsen. Weitere Produktionsstätten befinden sich im unweit davon gelegenen Harsewinkel, in Heiligenstadt in Thüringen, im niedersächsischen Bakum und in Chemnitz. Die Tiere können dort nach der Schlachtung grob oder fein zerlegt und entsprechend abgepackt werden.

Inzwischen, nämlich am 31. August 2011, ist die Betriebsstätte in Chemnitz geschlossen worden:

" ... Gausepohl hatte den von 1994 bis 1996 neu errichteten Schlacht- und Zerlegebetrieb im Jahr 1998 aus dem Eigentum der Stadt Chemnitz gekauft. In die Schlagzeilen geraten war Gausepohl Chemnitz im Jahr 2005, als das Unternehmen einer deutschen Zerlegefirma kündigte und 60 Chemnitzer Schlachter entließ. Dafür wurden slowakische Billiglöhner des Subunternehmens Eurokart engagiert...."





In Bakum gab es bereits 2001 wegen unsauberer Schlachtung von Rindern und damit verbundener  Hygienemängel Probleme:

http://www.noz.de/archiv/vermischtes/artikel/392127/bartels-sauer-auf-gausepohl

Damit konnte auch der Stammsitz in Dissen dienen, dem 2011 die Betriebserlaubnis entzogen werden sollte:

http://www.christian-meyer-gruene.de/fileadmin/docs/christian_meyer/kleine_anfrage_mit_antwort_wird_der_subv.pdf

Gausepohl selbst gibt sich auf der Internetpräsenz international und lässt, natürlich in englischer Sprache abgefasst, die angeblichen Qualitätsvorzüge gerne heraus streichen:

http://www.gausepohl.de/

Hiermit sind allerdings die einstigen Beschäftigten nicht einverstanden, deren vernichtende Urteile nachgelesen werden können:

http://www.kununu.com/de/ni/dissen/nm/gausepohl-fleisch/a/SkFpVVlz

Zwischenzeitlich ab März 2013 meldete die neue Geschäftsführerin Yvonne Gausepohl für den Dissener Stammsitz Kurzarbeit an. Diese sollte nun ab Ende September 2013 beendet werden. Gleichzeitig erfolgte eine " Freisetzung " der 12 Schlachter, von denen einige Betroffene beinahe 3 Dekaden in dem Betrieb tätig waren.

" Nach gescheiterten Gesprächen zwischen Firmenspitze und den zwölf Schlachtern folgte tags drauf die schriftliche Kündigung. Wie unsere Zeitung erfuhr, will die Geschäftsführung in der Dissener Schlachtung 500000 Euro im Jahr einsparen.... "
" Zu den Vorgängen in Dissen erklärte Geschäftsführerin Yvonne Gausepohl, die die Firmenleitung Anfang des Jahres von ihrem Vater übernommen hatte, mit: „Bedauerlicherweise ist unter den gegebenen Marktbedingungen eine Fortsetzung der bisherigen Beschäftigung nur mit einem geänderten Lohnmodell möglich.“ Dies sehe einen Sockellohn von 8,50 Euro bei einer 33-Stunden-Woche vor. Hinzu kämen Prämien, wenn eine gewisse Anzahl von geschlachteten Tieren pro Woche überschritten werde. "

Davon kann man/frau eben nicht leben; zumal sich einige der entlassenen Mitarbeiter im Verlaufe der Jahre durch Kreditaufnahmen verschuldet haben. Der Dissener - Firmenleitung ficht dieses indes nicht an. Sie blieb unnachgiebig. Die neo-liberale Politik der Schwarz-Gelben und die entsprechende Ausbildung der "neuen" Chefin, der blonden Landschönheit Yvonne Gausepohl, tat dazu ihr übriges. So zogen die 12 Verschworenen denn vor das Arbeitsgericht in Osnabrück. Sie erhoben jeweils Kündigungsschutzklage mit dem Begehren auf Wiedereinstellung und vielleicht ( damit auch die Gebühren des Herrn Kollegen in Gestalt ihres Rechtsanwalts stimmen ) der Feststellung, dass die ergangene ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags zum 31.03.2014 unwirksam sei.

Es liegt in der Systematik des Arbeitsrechts, dass jenes Ansinnen nicht oder nur sehr schwer durchzusetzen ist. Eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung ist grundsätzlich möglich. Sie ist auch wirksam, wenn zuvor der Betriebsrat zu der Personalmaßnahme ordnungsgemäß angehört worden ist. Ein, diesen Schritt verhinderndes Vetorecht hat die Arbeitnehmervertretung indes genau so wenig, wie sie auf sonstige betriebliche Entscheidungen auf diesem Feld, keinerlei Mitspracherecht eingeräumt bekommen hat. Sollten das Dutzend Mitarbeiter jeweils eine form - und fristgerecht ausgesprochene Kündigung erhalten haben, bestand nur noch die Möglichkeit, eine Abfindung heraus zu kitzeln. Ein Tropfen auf den heißen Stein also, denn der Arbeitsplatz ist auf Ewigkeit futsch. Dann droht der Gang zur Arbeitsagentur und die Beantragung von Arbeitslosengeld. Dessen Bezugsdauer vom Alter abhängig ist. Nach Ablauf der Bezugszeit droht ALG II ( HARTZ IV ) und damit der finanzielle Kollaps.

Schöne Aussichten also, für einen Mitarbeiter, der mehr als 30 Jahre für den Familienbetrieb Gausepohl den Buckel krumm gemacht hat!

Zugegebenermaßen: Seit der Firmengründung 1966 hat sich die Welt radikal verändert. Die Märkte damit auch. Der Malocher ist nicht mehr der, wie ihn zuvor Karl Marx beschrieben hat. Er ist nur noch disponibles Humankapital mit eingebautem Verfalldatum, so wie das " Billig " - Fleisch was über Gausepohl und anderen Industrieschlachtereien in den Supermärkten zu Dumpingpreisen angeboten wird. Der Michel, der gerne Fleisch konsumiert, möchte dieses möglichst billig kaufen können. Da liegt die eigentliche Krux in der Verantwortlichkeit für die realen Gegebenheiten in diesem Wirtschaftszweig.
Mag sein, dass der Familienbetrieb in niedersächsischen Dissen einst zu den 500 reichen Deutschen zählte. Es mag auch sein, dass die " arrogante " Yvonne Gausepohl keine soziale Kompetenz besitzt. Zutreffend dürfte auch ferner sein, dass die jetzt gezahlten Stundenlöhne an rumänische Werkvertragsarbeiter jene " Ausbeutung " bedeuten, die Karl Marx in seinen Werken anprangert. Nur: Der Kunde fördert diese Entwicklung durch sein Konsumverhalten ( " Geiz ist geil " ), die neo-liberale Politik der Schwarzen und Gelben unterstützt jene Auswüchse durch Duldung und schwammige Gesetzgebung und der Betroffene heißt dieses auch noch gut, indem er jene Bagage wieder wählt.

Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ ", stellte Karl Marx einst fest. Er hat Recht behalten. Noch nie war seine Theorie vom dialektischen Materialismus so aktuell wie heute. Denn: Der Fleischer und Zerleger hat seine Schuldigkeit getan, er darf nun gehen.

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