Zwischen Kopftuch, Kreuz und Kaugummi: Darf eine Rechtsanwältin im Gerichtssaal eine Kopfbedeckung tragen?


Als der " Alte Fritz " am 22. Juni des Jahres 1740 den Ausspruch " Jeder soll nach seiner Facon selig werden " tat, wollte er damit nur noch die bereits gängige Praxis gegenüber den Einwanderern und religiösen Minderheiten wie Katholiken, Hugenotten oder Juden auf Toleranz zu setzen, unterstreichen.

Seitdem sind viele Jahre, Jahrzehnte, sogar mehr als 2 1/2 Jahrhunderte vergangen. Die Welt, Europa und Deutschland haben sich radikal verändert. Den preußischen Staat gibt es längst nicht mehr, jedoch dessen Geist, der möglicher Weise noch zu oft in den Hirnen so manches Bundesbürger herum vagabundiert. Den Preußen war ja nicht nur Friedrich II., sondern stand zuvorderst für den Wilhelminischen Obrigkeitsstaat, der auf Militanz, Drill und Gehorsam aufbaute und den Menschen zunächst nach seiner Profession, seiner Herkunft und seinem Vermögen einordnete.

Als am 1. August 1959 die Bundesrechtsanwaltsordnung ( BRAO ) für die BRD in Kraft trat, waren mehr als 200 Jahre nach dem Ausspruch Friedrich II. vergangen und die Deutschen hatten zwei Weltkriege angezettelt. Der Ungeist der deutschen Geschichte schlug sich auch in der Kodifizierung vieler anderer Gesetze nieder. In vielen Formulierungen fand sich das Vokabular aus den Jahren des Tausendjährigen Reichs, das erst sukzessive durch diverse Justizreformen; insbesondere während der sozial - liberalen Koalition Brandt/Scheel oder Schmidt/Genscher, ausgetauscht wurde. Das gilt jedoch nicht für alle Gesetze.

So findet sich jedoch in § 1 der BRAO immer noch folgender Wortlaut:


§ 1 Stellung des Rechtsanwalts in der Rechtspflege


Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.

Nun, ein juristischer Laie wird mit Begriffen, wie Organ und Rechtspflege nicht unbedingt viel anfangen können. Wohl aber mit der Bezeichnung Rechtsanwalt. Eine Berufsbezeichnung für einen Teil der so genannten Rechtspflege. Ein Teil der Jurisprudenz also.Und um eben diesen Beruf unabhängig ausüben zu können, sollte der Berufszweig unabhängig sein. Ob er es wirklich ist, steht allerdings auf einen anderen Blatt.

Deshalb kollidiert das Postulat des unabhängigen Organs der Rechtspflege häufig mit der Realität. Nicht, weil es von diesen benannten unabhängigen Organen der Rechtspflege bereits mehr als 161.821 ( Stand zum 01.01.2013 ) gibt, womit die Konkurrenz um Mandate, Gebühren und Bestreiten des Lebensunterhalts immer größer wird, sondern vor allem auch deshalb, weil der zugelassene Rechtsanwalt sich bei dem Buhlen um Rechtsfälle sehr oft verbiegen muss. So gibt es nicht wenige Advocaten, die bei der Vergabe von Pflichtverteidigungen bei Richtern antichambrieren, die in Verfahren das Liebkind - Prinzip walten lassen, um bei dem Gericht nicht anzuecken und die ihre Persönlichkeit verleugnen, wenn es um die Berufsausübung geht.

So eckte eine Berliner Rechtsanwältin einige Male bei Richtern an, die rügten, dass sie mit einem Kopftuch bekleidet an der Verhandlung teil nehmen wollte. Ein Artikel im Hamburger Nachrichten Magazin " DER SPIEGEL " ( Nr. 38 / 2013, S. 49 ff  ) befasst sich mit diesem Problem. Nun zählt ein Kopftuch, ähnlich wie ein Halstuch oder ein Leinentaschentuch im Ärmel der Robe nicht zu der Berufskleidung, denn dieses ist nur noch die Robe. In einigen Bundesländern ist der " Robenzwang " partiell aufgehoben worden. In anderen wiederum ist es Usus, unter der schwarzen Berufstracht ein weißes Hemd mit Binder; bei Strafverhandlungen mit weißem Binder zu tragen.

Während sich die einstige " Kleiderordnung " für Rechtsanwälte zum Teil selbst abgeschafft hat, gibt es dennoch andere Bereiche innerhalb des Begegnungskreises zwischen Gericht und Rechtsanwalt, die zu Spannungen und Verstimmungen sorgen. Neben dem Problem des Kopftuchtragens, der nicht angelegten Robe oder einer fehlenden Krawatte kann es auch zu Verstimmungen kommen, wenn ein Verteidiger ein Hustenbonbon lutscht, weil er erkältet ist ( oder es zumindest vorgibt zu sein ), ein Kaugummi kaut, um den strengen Geruch des zuvor in der Mittagspause verzehrten Knoblauch - Mahls zu unterdrücken oder wenn das Handy des Organs der Rechtspflege bimmelt.

Die anderen vermeintlichen Abarten eines unbotmäßigen Verhaltens vor dem Gericht, wie beispielsweise lange Haare des Advocaten, ein Drei - Tage - Bart oder das Tragen ein stark getönten Lesebrille sind ähnlich, wie das Popeln in der Nase, das provokant gezeigte Desinteresse an einer Verhandlung durch ständiges Heraussehen aus einem Fenster oder das Zeitung lesen sind indes durch die Rechtsprechung geklärt worden. Ähnlich verhält es sich Fall des über dem Richterstuhl an der Wand hängenden Kruzifixes.

Nun sollte sich die Dritte Gewalt auch hier einen Schub geben und genauso eben jenes Tragen eines Kopftuches dulden. Auch wenn das Problem - das in Wahrheit keines ist - seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert wird:  

http://www.google.de/imgres?imgurl=http://blog.initiativgruppe.de/wp-content/uploads/2013/09/kopftuch.jpg&imgrefurl=http://blog.initiativgruppe.de/2013/09/19/rechtsanwaltin-mit-kopftuch-im-gerichtssaal-geht-das/&h=500&w=500&sz=17&tbnid=5p5lbFe_Su6foM:&tbnh=90&tb

Wenn ein  an der Wand platziertes Kruzifix als Ausstattung eines Gerichtssaals dennoch die religiöse Neutralität der Justiz einhält, ein Nasenpiercing, ein Ohrring mit " Brilli " bei einem Anwalt oder eine Unzahl von sichtbaren Tattoos, der Rechtsfindung nicht abträglich sein können, dürfte dieses auch für das getragene Kopftuch der Fall sein.
Das stellt sich dem Insider natürlich sofort die Frage, ob auch die von dem Organ der Rechtspflege bei der Vereidigung abzuleistende Eidesformel, mit dem religiösen Zusatz " So wahr mir Gott helfe ", nicht in " Im Namen Allahs " gesprochen werden kann. Wie wahr das noch gleich mit der Religionsfreiheit, dem Gleichheitsgrundsatz und dem Persönlichkeitsrecht?

Einst weigerte sich Fritz Teufel in einem gegen ihn und andere Angeklagte vor dem Kammergericht von der unbequemen Holzbank aufzustehen. Nachdem der Vorsitzende Richter dieses mehrfach rügte, hob er sein Gesäß mit den Worten: " Wenn es denn der Wahrheitsfindung dient? "

In diesem Sinne: Gut´s Nächtle mit " Alex Oriental Experience " aus dem Jahr 1973:



... und die Uhren nicht vergessen zurückzustellen (  in das Jahr 1740 ).

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