Amerika´s Weiße Fahnen auf der Brooklyn Bridge.
Im Zeichen der genormten Nachrichten - Flut, die uns tagtäglich heimsucht, gibt es dann und wann eine Meldung oder eine Geschichte, die dann genau das widerlegt, was sie eigentlich rezipieren soll. Eine solche Story, nämlich eine so genannte " Homestory " las ich heute Morgen in einer älteren " SPIEGEL " - Ausgabe.
Das Nachrichtenmagazin aus der größten Elbestadt wird nun hier,also bei uns in Sachsen, eher wenig gelesen. Dieses mag daran liegen, dass es vielleicht zu teuer ist, sich mit Artikeln, Berichten und Meldungen auseinanderzusetzen, die bereits x - fach durch andere Medien durch georgelt wurden. Manchmal ist es aber auch zu anstregend, über relativ gut recherchierte Zeitereignisse zu lesen, deren Hintergrund sich als sehr komplex heraus stellt. Es gibt aber auch im " SPIEGEL " eine nicht wegzudiskutierende Tendenz, den Qualitätsjournalismus außen vor zu lassen und in Richtung jener Einheitsmeinung zu argumentieren, die bereits von den übrigen Massenmedien vorgegeben wird.
Das gilt aktuell für die Berichterstattung aus der Ukraine.
Aber, es gibt regelmäßig sehr gute Artikel. So einen las ich - wie gesagt heute in den frühen Morgenstunden - von dem " SPIEGEL " - Journalisten Alexander Osang. Er ist Ossi. Und zwar ein vor der Wende geborener Ostdeutscher. Das heißt natürlich noch nichts. Wir haben ja nun gelernt, dass wir endlich nicht mehr in jenen Ost - West - Schablonen zu denken haben, die kurz nach der Wende noch eine gewisse Existenzberichtigung erhielten. Und weil das so zu sein hat, gibt es ja seit vielen Jahren den gemeinsam zu begehenden Tag der Deutschen Einheit.
Den durfte Herr Osang als " SPIEGEL " - Redakteur in New York begehen. Dort ist seit längerem sein Arbeitsplatz. Und von hier aus berichtete er eben im " SPIEGEL " - Nr 34 / 2014 ab Seite 55 über eine Aktion eines Mischa Leinkauf und eines Matthias Wermke. Beide stiegen auf das Viadukt der New Yorker Brooklyn Bridge und tauschten die dort gehießten amerikanischen Fahnen in zwei weiße Fahnen um.
Leinkauf und Wermke sind Deutsche, so wie der Redakteur des " SPIEGEL " Alexander Osang.
Wenn zwei Deutsche in den USA eine amerikanische Flagge mit einer weißen tauschen würden, gibt es dafür mit Sicherheit viel Ärger. Und so war denn auch. Die vom Sicherheitswahn heim gesuchten Amerikaner jazzten diesen Austausch zu einer Staatsaktion hoch. Vornehmlich, weil die Medien in New York darüber in den Headlines berichteten.
Dann fragten sich viele New Yorker, welche terroristische Aktion dahinter stecken könnte. Andere kamen jedoch auf die Idee, dass es sich um eine Kunstaktion handeln könnte. Eine weitere Begründung sah den 45. Jahrestag der Mondlandung im Zusammenhang mit der Aktion. Natürlich meldete sich auch der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio und äußerte sich empört über den Vorfall, um so gleich eine Belohnung für die Ergreifung der Fahnen - Frevler auszuloben. 5.000 US - Dollar hätte es hierfür gegeben.
Die Fahndung nach den noch unbekannten Tätern lief inzwischen auf Hochtouren. Für diese wurden sodann 12 Polizeieinheiten von anderen Fällen abgezogen und zu einer Sondereinheit zusammen gesetzt. Um diesen Aufwand zu rechtfertigen, gab ein Polizeisprecher einen Tag nach der Aktion bekannt, dass sechs junge Skateboarder in Verdacht geraten seien und diese Spur noch weiter verfolgt werden würde.
Während die Polizei weiter fierberhaft nach den Fahnen - Frevlern suchte, bestiegen die beiden Deutschen ein Flugzeug, welches sie nach Hause fliegen würde. Die armen New Yorker Polizisten fahndeten nun nach zwei Phantomen, denn Leinkauf und Wermke befanden sich alsbald nicht mehr in " Big Apple ". Dort, wo die Polizisten aussehen, wie ein Verschnitt aus Robo - Cop, uniformierter Terminator und Judge Dredd.
Voller High - Tech - Gerätschaften, die die neue Kommunikationsumwelt im Jahr 13 nach 9/11 darstellt.
Bei soviel geballter elektronischer Kompetenz müsste es doch gelingen, die Fahnen - Eintauscher dingfest zu machen.
Doch die waren längst wieder in dem Alten Europa, in Deutschland, wo die NSA die Mobiltelefone der vermeintlichen Partner ( Freunde sind die USA und die BRD ja längst nicht mehr, seit dem China und die EU ihnen den Rang in Punkto Wirtschaftskraft abgelaufen hat und die Russen ihnen im Nacken sitzen sowie Indien auf der Lauer liegt ) anzapft, abhört und Daten abschöpft, um an Erkenntnisse zu gelangen, ob sich hier deutsche Terroristen im Namen Allahs für den Dschihad ausbilden lassen oder Konvertiten gegen die US - Regierung und ihr ungläubiges Volk zu Felde ziehen wollen.
Und was die NSA nicht bewerkstelligen kann, sollen der Heimatschutz, die CIA, das FBI und die Polizei vor Ort erledigen. Kontrolle um jeden Preis der Freiheit eben. Gegen die übrige, nicht - amerikanische Welt muss sich Amerika mit Überwachung zu Wehr setzen. Wer heute in die USA reisen möchte, muss sich gegenüber den Behörden nackt ausziehen. Der wird überprüft, kontrolliert, beobachtete, wenn er einreist, sich im Land aufhält und wieder ausreist.
Doch: Die totale Kontrolle, die vollständige Überwachung, die 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Nirgendwo auf der Welt, nicht in Asien, nicht in Australien, nicht in Afrika, nicht in Europa und nicht in Amerika oder besser: den Vereinigten Staaten von Amerika.
Dieser Anspruch kann nicht erfüllt werden. Der hierauf fußende Aktionismus der USA - Behörden ist trügerisch.
Einst, im Jahr 1980, als der vormalige Erdnussfarmer Jimmy Carter Präsident der USA war, gab es kaum exzessive Überwachung vor und nach der Einreise. Carter, der von dem Ex - Bundeskanzler Helmut Schmidt als unerfahrener Politiker, als Schwächling gar, und Nicht - Ökonom verhöhnt wurde, beließ es bei eher laxen Einreisekontrollen. Für die Bearbeitungsgebühr des US - Visum musste ich damals bei dem Amerikanischen Konsulat in Hamburg, 30 US - Dollar, damals umgerechnet, etwa 50 Deutsche Mark berappen, einen zweiseitig bedruckten Din A4 - Bogen mit Fragen ausfüllen und den BRD - Reisepass vorlegen. Dafür bekam ich einen Sichtvermerk, der mich berechtigte, in den USA 3 Monate Urlaub machen zu dürfen - als Tourist eben.
Diese Deutschen waren sehr gerne gesehen, denn sie barchten harte Währung in das Land, dessen eigene längst in den Keller gerauscht war.
Vier Jahre später erledigte das Reisebüro diese Formalitäten und kassierte pro Person etwa 100 Deutsche Mark, weil der Dollar mittlerweile auf 3, 18 DM gestiegen war. Reagan war am Ruder und trieb seine neo - liberale Wirtschaftspolitik voran. Der drittklassige Hollywood - Schauspieler, der Film - Cowboy mit kurzen Reden und klarem Feindbild gen UdSSR, der die äußere Sicherheit durch die Neutronen - Bombe, das " Peace - Shield " und den Einsatz von Mittelstreckenraketen in Europa und der BRD zur Doktrin erhob.
Das ist sehr lange her. Inzwischen hat die USA mehrere Kriege angezettelt, ihre militärische Rüstung weiter betrieben und das Westdeutschland als beinahe autonomes Gebiet abgegeben. Doch der Sicherheitswahn, das Bedrohungsparanoia ist geblieben. Russland zählt immer noch zu den Feinden, der arabische Raum alle Male, einige Länder in Südamerika und Asien auch und Kuba sowieso.
Also muss die Heimat vor diesen potenziellen Feinden mit allen Mitteln geschützt werden. Rüpelhafte Officer bei den Einreiseschaltern der vielen Flughäfen, pampiges und blaffendes Personal an den vielen Sicherheitschecks und auch mißtrauische, dann handgreiflich werdenden Polizisten im US - Überwachungsstaat gehören heute immer dazu.
Der " SPIEGEL " - Redakteur Alexander Osang beschreibt in seiner " Homestory " diesen Zustand in glänzender Weise. Eine Geschichte als Realsatire, im Jahr 2014, 157 Monate nach dem 9. September 2001, als die Zwillingstürme zusammen sackten, der einst Große Bruder und helfende Freund im Kampf gegen das Böse aus dem Osten, die USA, in Schockstarre verfiel und dann wild um sich schlug.
Eine Story zum Schmunzeln, aber auch.
Danke dafür!
Kommentare