Internationale Essener Songtage 1968 oder: " Was ist Freiheit? "



Die Spartenprogramme der alten Tante ARD lassen ab und an doch einen Hauch von qualitativer Information und Dokumention durch ihr Programm wehen, das ja dem Grundversorgungsgedanken, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung einst ausformuliert hat, nahe kommen soll. Zur Erfüllung jenes Anspruchs, den jeder Zwangsgebührenzahler gegenüber den vielen öffentlich rechtlichen Anstalten einfordern darf, befleißigen sich jene Sender denn auch der allseits beliebten Filmkonserve.              

Da nahm ich heute - eher beiläufig - zur Kenntnis, dass der Nebenkanal Einsfestival einen Beitrag des WDR aus dem Jahr 2011 nun mehrfach wieder aufgelegt hat, der da heißt " Kopfüber in die 6oer Jahre " und aus zwei Teile besteht, nämlich " Babyboom und Hochfrisur " sowie " Kartoffeln und Karriere ". Die 1976 geborene WDR - Mitarbeiterin Cathrin Leopold tauchte in die piefig - miefigen 1960er Jahre ab, um jene Zeit mit erleben zu können, die natürlich auch die westdeutsche Wohlstandsgesellschaft von heute geprägt hat.

Cathrin Leopold trifft dabei Menschen, deren noch präsente Erlebnisse in dieser Ära, einen kleinen Einblick zu dem damaligen Zeitgeist  ergeben. Hierzu zählt, neben der Mode, der Freizeitgestaltung, natürlich auch die Musik. Genauer gesagt die aufkommende populäre Musik.

Ein Teil der Vertreter jener Musikrichtung traf sich vom 25. bis 29. September 1968 in Essen zu der Veranstaltung " Internationale Essener Songtage ( Kürzel: IEST ) " . Aber bei den IEST sollte es nicht nur um alternative Musik gehen. Die Veranstaltung bot an 4 Tagen Kultur. Exakter formuliert Gegenkultur. Damit war auch klar, dass es sich um eine politische Veranstaltung handelte.

Und so liest sich denn die Liste der 200 Interpreten, wie ein Who Is Who der einstigen politisch - orientieren Künstlergruppen. Neben Folklore, Jazz, Blues, Rock, wurden auch Lesungen angeboten.
Die IEST galten alsbald als die Geburtsstunde der eigenständigen deutschen Rockmusik, weil hier eine Vielzahl von entsprechenden Gruppen auftreten konnten, die eher einem lokalen Publikum bekannt waren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Essener_Songtage


So interessant der Rückblick, bei dem auch Detlev Mahnert, einer der Initiatoren dieser Veranstaltung, häufiger zu Wort kam, so bezeichnend waren die Interviews mit den bürgerlichen, verspießten und intoleranten westdeutschen Bürgern hierzu. Nun, es ist sehr lange her.
Die Alt - Faschistenn von damals sind beinahe ausgestorben, das reaktionäre Gesellschaftsbild von einst, hat sich inzwischen gewandelt und Deutschtümelei gibt es nur noch bei " PEGIDA " und anderen hinter dem Mond Lebenden. So staunte die attraktive WDR - Journalistin nicht schlecht, was damals so auf der breiten Musikszene angeboten wurde.

Die IEST 1968 gingen deshalb in die Analen dieser Republik, als eine einzigartige Großveranstaltung, denn die Organisatoren hatten es geschafft, nahezu die gesamte Bandbreite der Gegenkultur unter einem Dach zu vereinen. Die Musik - Journalisten Ulli Engelbrecht und Jürgen Boebers schrieben in ihrem Buch " Licht aus - Spot an! " dazu:

" Über Musik und Jugendkultur ....... sind viele schlaue Bücher geschrieben worden, die mit empirischer Akkuratesse ihr Thema beackern, aber nach deren Lektüre immer ein schaler Geschmack zurückbleibt. Denn das, worum es sich eigentlich dreht - das Lebensgefühl der Zeit - ist eben nicht mit dem formalistischen Instrumentarium zu knacken. "

- Zitatende - aus: Ulli Engelbrecht / Jürgen Boebers: " Licht aus - Spot an! ", Schlaglichter auf die Musik der 70er Jahre, Essen 1995, S. 7

Dennoch geben auch Bücher als Medium zum Transportieren zeitgeschichtlicher Ereignisse viel von dem wieder, was den dort vorherrschenden Geist einst ausmachte. Konsequenterweise hat einer der EIST - Mitorganisatoren, nämlich Detlev Mahnert von und über diese 4 Tage ein Buch verfasst.
Unter dem Titel " Zappa, Zoff und Zwischentöne " beschreiben die beiden Autoren Detelv Mahnert und Harry Stürmer unter welchen Umständen die Songtage 1968 abliefen.


 http://www.folker.de/200805/rezi-buc.htm

Nun galt die Großstadt an der Ruhr damals nicht gerade als der Nabel der kulturellen Großereignisse. Die dortige - inzwischen zum Baudenkmal erklärte - Gruga - Halle im dortigen Gruga - Park, galt zwar als Veranstaltungsort für international renommierte Künstler, summa summarum war Essen indes eher Niemandsland. Umso mehr verwundert es, dass die Stadtverwaltung selbst, jenes einmalige Ereignis, an dem immerhin 40.000 Besucher teil nahmen, über Jahre unerwähnt ließ. Die Gründe hierfür können nur darin gelegen haben, dass die links - intellektuelle Subkultur bei den rechtsorientierten " Stadtvätern " eher als abstoßend eingeordnet wurde.

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12729

Mehr als 4, 5 Dekaden danach hat sich diese Einstellung längst geändert. Wohl auch, weil die Musikrichtungen, die den Besuchern vormals kredenzt wurden, mittlerweile ihre Plätze in der großen Familie eingenommen haben und zum allgemeinen Kulturgut zählen.

Als ein Jahr später in der Essener Gruga - Halle das " Blues und Rockfestival " mit internationalen Top - Bands statt fand, war es der Nachrichteninstitution Nummer Eins in Westdeutschland, der " Tagesschau " in den Hauptnachrichten so gar einen Kurz - Filmbericht wert. Ich kann mich noch daran erinnern, als die Bilder über den großelterlichen Grundig - Fernseh - Klopper liefen. " Fleetwood Mac " mit " Albatross " war zu hören; zu sehen waren langhaarige Menschen, die in einem riesigem Nebel aus Rauch und unter eher fahlem Licht, friedlich sitzend, der Musik lauschten. Mister " Tagesschau ", der arrogante Chefsprecher, Karl - Heinz Köppke, quittierte den Bericht mit einem süffisant - herablassenden Lächeln, eher er zu der Wetterkarte überleitete, die in jenem Amtsdeutsch gesendet wurde, dass auch bei den Nachrichten zuvor gang und gebe war.

Der aufgeblasene Köppke, den natürlich beinahe alle West - und wohl auch viele Ostdeutsche kannten, ist längst unter der Erde, so, wie einige der Protagonisten der IEST auch. Frank Zappa zählt dazu, abr auch Tim Buckley, Rick Abao, Derroll Adany, Harry " Cuby " Muskee von " Cuby and the Blizzards ", Franz Josef Degenhardt, Ric Grech, Tony Ashton und Jim King von der Band " Family ", Gerd Wollschon von " Floh de Cologne ", Tuly Kupferberg von den " Fugs ", Uli Trepte von " Guru Guru ", Hanns Dieter Hüsch, Alexis Korner, Alexander Kulisiewicz, Franz " Schnuckenack " Reinhardt,Rolf Schwendter, Tim Bleibe, Ocki van Breven von " Xhol Caravan ", Edagr Froese von " TD ", Theo Herrmann, Hannsjost Lixfeld und Ulrich Roski.

Das Festival stand auch unter dem Begriff " Freiheit ". Freie Meinungsäußerung bis hin zur Agitation zählte dazu. Und so berichtete Detlev Mahnert, der auch als Übersetzer für die englische Sprache fungierte, dass er auf der Bühne stehend eine künstlerische Definition diese Begriffs, die ein Interpret zuvor formuliert hatte, mit rotem Kopf, wiedergeben musste: " Freiheit ist, wenn die Englische Königin von einem rosaroten Kaninchen in den Arsch gefickt bekommt. "
Unerhört, für die damalige Zeit. Eine Institution wurde beleidigt.

Heutzutage würde dieser Ausspruch allenfalls ein müdes, leicht gequältes Lächeln verursachen. Doch der royale und anderer Dreck ist der gleiche geblieben und über diesen wird mehr denn je berichtet, um von den wahren Problemen abzulenken und weil damit ordentlich Kohle gezogen werden kann.Die Zeiten und der Musikgeschmack haben sich geändert, ohne dass der Erdenbürger aus der Historie gelernt hat.


Frank Zappa und seine " Mothers of Invention " und " Valhalla " - live, 1968:




Tuly Kupferberg und " The Fugs ": " CIA Man ":




Franz Josef Degenhardt: " Spiel´nicht mit den Schmuddelkindern ":


 Ach, ja, in der WDR - Dokumentation über die 60er Jahre echauffierte sich denn auch eine " Nur - Hausfrau " und Verspießte über die IEST und formulierte im typisch, westdeutsch-  faschistoider Steinzeit - Pädagogik - Jargon: " Ich habe auch einen Junegn; der ist gerade mal 13. Also, wissen `Se, wenn der dahin gehen würde; ich würden den´ne tot schlagen! " Aha!

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