Kathrin Oertel, 36, aus Coswig bei Dresden trifft Günther Jauch, 58, aus Potsdam zum kuscheligen Talk.
Nun haben sie es geschafft, die Initiatoren des Vereins " Patriotische Europäer Gegen Die Islamisierung Des Abendlandes " und sind mit der " Lügenpresse " in ein Gespräch gekommen. Zunächst war die Schatzmeisterin des Vereines " PEGIDA " am Sonntag ab 21.45 Uhr bei der Gesprächsrunde mit Günther Jauch im noblen Gasometer zu Berlin zu sehen.
Unser aller " Günnex " hatte die bislang unbekannte Dame zusammen mit einem bislang unbekannten Herrn Alexander Gauland von der AfD und den sehr bekannten Herrn Wolfgang Thierse, dem CDU - Nachwuchspolitiker Jens Spahn und dem Dresdner Frank Richter, der als Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Bildung tätig ist., zum Small Talk über den Sinn und Unsinn der selbst ernannten, völkischen Montagsspaziergänger gebeten.
Oertel wagte sich also in die vermeintliche Höhle der Löwen, den Staatsmedien. Denen wollten Pegidisten bisher keine Interviews geben. Nun, nachdem über die Bewegung in epischer Länge und aller Breite, überall - einschließlich des Auslands - berichtet worden ist, kam die Dame in schwarz mit den streng zurück gekämmten blonden Haaren von ihrem selbst gezimmerten Podest, das sie zuvor jeden Montag betrat, um von vorgefertigten Skripten wortgetreu abzulesen und den Inhalt der johlenden, skandierenden und pfeifenden Massen mittels Mikro zu verkünden.
Oertel verkündete aber nicht nur ihre Sichtweise zum Allgemeinzustandes der Republik im Jahr 2 der 3. GroKo. Aus den politischen Allgemeinplätzen hat sie jenes Zerrbild zusammen geschustert, dass neben der Unfähigkeit der Politik, auch die Überfremdungsgefahr durch " zügellosen " Zuzug von Ausländern wieder geben soll. Oertel als Sprachorgan der vereinten, der frustrierten Massen, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung?
Bei Jauch´schen Talk indes kam von den Plattitüden, die sie sonst montäglich absondert, nicht viel herüber.
Dem vorsichtig fragenden, ja nahezu ehrfurchtsvoll agierenden Multi - Millionär, war die blonde Dame in Schwarz wohl nicht ganz geheuer. Oder hatte der Großverdiener noch genug von der Prügel, die er zuvor wegen seines unbotmäßigen Auftretens gegenüber dem AfD - Vorsitzenden Lucke, einstecken musste, genug?
Lucke hat er nach allen Regeln der Kunst vorgeführt; Oertel behandelte er hingehend sanftmütig.
Und so kam es, dass die blonde Dame nicht in die Bredouille geriet, als sie von dem CDUler Spahn wegen der ausländer - kritischen Einstellungen ihres Vereins angegangen wurde. Sie durfte auch in der Talk - Runde von ihrem mit gebrachten Skript ablesen. Ihre Aussagen waren eher moderat, denn hetzerisch, so, wie jene Parolen, die sonst ihre Freunde am Montag brüllen.
Ab und an sprenkelte Oertel die Standard - Vokabeln, wie " Gutmenschen ", " Islamisierung " hinein. Inhaltlich blieb sie eher vage, nahezu nichtssagend und sehr diffus. Da hätte Millionär " Günnex " nachhaken müssen. Hat er aber nicht. Einzig Jens Spahn war leicht auf Krawall gebürstet.
Deshalb blieb es bei dem üblichen Geseiere, das Politik ja für den Menschen dazusein hat. Dass die protestierenden Bürger, sich doch bitte schön an ihre Politiker vor Ort wenden könnten, um ihre Sorgen, Ängste, Fragen und mehr zu artikulieren.
Immerhin, Oertel bestand die Feuertaufe bei Jauch. In dessen Gesprächsrunde sonst eher politische Schwergewichte sitzen und geschliffene Sätze ohne Inhalt absondern dürfen.
Oertel spielte an diesem 18. Januar 2015 eine Stunde lang als Kreisligistin in der CL. Eine tolle Erfahrung muss das gewesen sein. Zumal sie auch ihre lieben Freunde mitgebracht hatte. Die üblichen Claqueure, die kräftig applaudierten, wenn Oertel sich bis zur nächsten Frage herüber gerettet hatte.
1. FC Coswig 2011 eV gegen Real Madrid; FC Vorwärts "PEGIDA " gegen Arsenal London oder Ausländerfrei Sachsen gegen FC Porto. So hätte das Aufeinandertreffen der Diskutanten in der Fußball - Sprache lauten können. Der international anerkannten englischen Sprache sind die Pegidisten nicht mächtig. Nicht einmal die deutsche Rechtschreibung ist ihnen hinreichend bekannt. Das Hamburger Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " jagte vor kurzem eine Mitarbeitergruppe in die sächsische Landeshauptstadt und die umliegende Provinz, um zu erkunden, wer die Antreiber der nationalistisch - gefärbten Folklore - Veranstaltung sind. Die weltoffene Millionenstadt an der Elbmündung kennt zwar auch eine rechte, eine radikalisierte Szene, doch die bringt zu ihren Demonstrationen allenfalls ein paar Hundert Teilnehmer auf die Beine. Deshalb sind die " SPIEGEL " - Mitarbeiter auch der Frage nachgegangen, woher diese Menschenmassen kommen; vor allem aber, recherchierte das Kollektiv im persönlichen Umfeld von Geistesgrößen, wie Tallacker, Däbritz und Bachmann.
Süffisant sezierte die " SPIEGEL " - Crew deren hoch geistige Ergüsse auf der " PEGIDA " - Facebook - Seite und kam zu dem vernichtenden Urteil, dass dort " Rumpel - Deutsch " geschrieben wird.
Also doch nicht CL, sondern ein Rückfall in die schlimmsten Zeiten des einstigen Bundestrainers Erich Ribbeck, als zum Ende der 1990er Jahre eher " Rumpel " - Fußball von " Rumpel - Füsslern " gespielt wurde.
Diese intellektuellen " Rumpel - Füssler " vertreten also einen Verein, der sich gegen eine vermeintliche Islamisierung der Bundesrepublik und mehr wendet. Da ist natürlich die Frage gestattet, wo denn diese angebliche Islamisierung sichtbar wird? Gibt es Anzeichen dafür, dass in den Schulen Koran - Unterricht als Pflichtfach eingeführt wird? Beherrschen inzwischen Moscheen das Bild der Städte und Gemeinden? Ruft der Iman in aller Allah´s Frühe vom Minarett zum Gebet? Gibt es nur noch frisch geschächteten Hammel statt MRSA - verseuchtes Schweinefleisch? Dürfen die hier lebenden Frauen nur noch n Begleitung ihres Mannes auf die Straße und müssen dabei den Tschador tragen? Werden in den Fernsehprogrammen ausschließlich zensierte Filme mit züchtig bekleideten und sich sittsam verhaltenen Akteuren statt Soft - Porno - Szenen, Mord und wilde Verfolgungsszenen gesendet? Gibt es zur Unterhaltung anstelle der Spiele der Bundesliga und anderer Pflichtspiele, in denen 22 über bezahlte Fußballprofis hinter einem Ball her jagen, dann nur noch Live - Übertragungen von Kamelrennen?
Wehret den Anfängen, hört auf " PEGIDA ", wählt AfD, schließt die Grenzen, baut einen statt 8 Meter hohen Drahtzaun, wie er zu der Grenze zwischen den USA und Mexiko gezogen wurde, eine 12 Meter hohe Stahlmauer mit zehnfach gesicherten Toren.
Aber zurück zu Kathrin Oertel und ihren Auftritt in der Beletage der Sabbelrunden, bei " Günnex " Jauch. Für ihre Verhältnisse hat sie sich achtbar geschlagen. Wohl deshalb, weil der Master Of Talk Günther aus Potsdam, der Landadelssitzeigentümer, ihr das Leben nicht zu schwer machte. Keine schnippischen Fragen, kein Aufdecken von Widersprüchen in den vorgefertigten, gleichförmigen Antworten. Nichts! Viele der Zuschauer, die Jauch sonst krawalliger miterleben konnten, waren eher enttäuscht.
Nun, er hat auch so etwas, wie eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen geladenen Gästen. Deshalb wurde die blonde Kathrin nicht zur Schlachtbank geführt.
So zimperlich gehen die Gesinnungsfreunde von Oertel auf den vielen Seiten im Internet, in Foren oder in den Leserbrief - Abdrucken der Tageszeitungen nicht mit ihren Gegnern, den Kritikern oder den Skeptiker um. Da wird vom Leder gezogen über jene " Linkspresse ", über die " Politiker - Kaste " und insbesondere über Ausländer. Die gesamte Palette der Verbalinjurien, die ganze Breite der Fäkalsprache und das umfassende Spektrum von Vorurteilen ist dort regelmäßig zu lesen. Andere Meinungen gelten in den eigens hierfür zur Verfügung gestellten Internetseiten nicht. Sollte es jemand wagen, dort zu widersprechen, wird dieser gnadenlos nieder gemacht.
Meinungsfreiheit im Jahre 2015?
Oertel ließ von diesen Wildwest - Methoden indes nichts durch blicken. Möglicherweise ist ihr das Verhalten ihrer Anhänger auch nicht bekannt. Ein paar Nadelstiche konnte sie dennoch setzen. So behauptete sie - unwidersprochen -, dass ein Teil der Asylbewerber aus Tunesien seien und gab dazu den Zusatz " Da machen andere Urlaub ". Sie wies daraufhin, dass die Asylverfahren viel zu lange dauerten und ein abgelehnter Antrag nicht automatisch eine Abschiebung zur Folge habe.
Der AfD - Mann Gauland pflichtete ihr bei und gab die Schuld daran der CDU und dem anwesenden Abgeordneten Spahn.
Ansonsten verlief die Diskussion viel zu flach. Auf die rassistischen Äußerungen einiger Mitläufer in Dresden, die sich gegenüber dem Team des Nachrichtenmagazins " Panorama " dann doch nicht mehr zugeknöpft zeigten, ging Jauch nicht näher ein, sondern verwies lediglich auf die Möglichkeit, einen auf der Internetpräsenz aufrufbaren Beitrag sehne zu können.
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2014/panorama5360.pdf
Günther Jauch hielt sich also sichtbar zurück. Auch Wolfgang Thierse war eher schaumgebremst. Statt Zoff ab 21.45 Uhr gab es Gesprächsbereitschaftszusagen. Langweilig.
Dafür haben es Oertel und Mitstreiter geschafft: Sie sind medial aufgewertet worden und spielten in der Tat für 1 Stunde in der Königsklasse. Dann ging es zurück nach Coswig bei Dresden, während Jauch noch innerhalb des Abspanns, wie von der Tarantel gestochen aus seinem Sessel hoch schnellte und die Runde verließ. Jauch hält nichts von diesen ausländerfeindlichen Pegidisten. Schließlich hat er vor einigen Jahren mit seiner Ehefrau zwei sibirische Waisenhauskinder adoptiert. Nun fuhr er zurück nach Potsdam, der Landeshauptstadt Brandenburgs. Dort, wo seit einigen Jahren eine rot-rote Koalition das Sagen hat.
Oertel kehrte nach Sachsen zurück, dort wo seit 25 Jahren schwarze CDU - Misswirtschaft betrieben wird; mit Hungerlöhnen, einem gesamten Pendlersaldo in den Städten von 140.000, einer überalterten, schrumpfenden Bevölkerung und einer Arbeitslosenquote von derzeit 8,5 %.
Hier leigen die wahren Ursachen für den Frust der Montagsspaziergänger. Prekäre Arbeitsverhältnisse, zu erwartende, schmale Renten und eine eher unsichere Zukunft, treiben die Pegidisten auf die Straße.
Von wegen, relativ gut ausgebildet, leicht überdurchschnittlich verdienend, wie eine Studie der TU Dresden es weis machen möchte.
Die wenigen Teilnehmer an der TU - Befragung sind weder repräsentativ, noch geeignet, irgendwelche Rückschlüsse auf die Sozialisation des Mitläufers zu ziehen.
Oertel bei Jauch, dass war Kreisklasse in der Champions League der eitlen Selbstdarsteller mit dem Ergebnis, dass ein trostloses 0:0 entstand.
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