Gesamtdeutsche Geburtstagsfeier am Ostseestrand




Wenn der Freitagnachmittag naht, setzt sich in den Sommermonaten auf den Autobahnen des hiesigen Nordostens eine Autokarawane in Bewegung, die erst bei Dunkelheit wieder abebbt. Viele Berliner, Schleswig - Holsteiner, Brandenburger, sogar Sachsen, zudem Niedersachsen, Hamburger, Thüringer und auch der ein oder andere Bremer nutzten bei möglichst warmen und trockenen Wetter, das Wochende für einen Kurztrip an die langgezogenen, sauberen und nicht so überfüllten Strände der mecklenburgischen See.Ob nun Hiddensee, Rügen, Usedom oder der Darß, für knapp drei Tage Seeaufenthalt lassen sich - vor allem die Berliner - auch auf eine kapp zwei bis vierstündige Autofahrt ein.

Die Ostsee, das Meer, der Strand zieht an vielen Wochenenden Zehntausende in ihren Bann. Wenn dann auch noch das Wetter mitspielt, reiht sich PKW an PKW auf den Zufahrtsstraßen zu den Badeorten ein. Die nahezu endlose Autoschlange nimmt dann erst in den Abendstunden ab.

Es sind zumeist Kurzurlauber, Kurzentschlossene, die sich zumeist auf die dortigen Campingplätze begeben. Der Vorteil liegt hier nicht nur im preislichen Bereich, sondern es können auch nur ein bis zwei Übernachtungen gebucht werden, was bei den Ferienwohnungen eben nicht immer der Fall ist.

Während wir am Prerower Strand enen der wärmsten Vorsommertage genossen, wurde dieser zunhemend voller. Es hatten sich eben jene Besucher der beiden Campingplätze eingefunden, die diesen Freitag am Meer ausklingen lassen wollten.

Darunter war auch eine gemischte Gruppe jüngerer Gäste, die sich in unserer Nähe breit machten. Eine Frau hatte während des Gehens ihr Handy am Ohr und sabbelte ununterbrochen.Aus ihrem sehr laut und deutlich geführten Telefonat war zu entnehmen, dass sie sich um eine Lehramtsstelle beworben hatte. Sie erzählte dem Gesprächspartner dabei von einer 20% - Springerstelle,die sie zurzeit inne habe. So ging das nahezu eine halbe Stundelang. Gespickt mit dem Jugendvokabular von " supi " bis " total " erklärte die Junglehrerin, warum sie nun ausgerechnet eine andere Stelle haben möchte.

Wir rollten bereits die Augen.

So ganz nebenbei erklärte einer der beiden Begleiter im unüberhörbaren sächsischen Tonfall, warum ein anderer Teil der Gruppe immer noch nicht da sei. Der Fahrer müsse sich da irgendwo zwischen Kiel und Rostock verfahren haben. Derweilen gingen die beiden jungen Herren nackt zum Wasser und kühlten sich ab. Auch später blieben sie zunächst unbekleidet. Nur beim Ballspielen hatte sie dann eine Badehose angezogen.

Beide Damen entkleideten sich sodann, blieben aber in ihrem eher biederen Badeanzügen im Sand sitzen. Auch beim Gang zum Wasser änderte sich dieses nicht. Vollmontur am FKK - Strand?
Zu DDR - Zeiten gab es dieses nicht. Hier waren die Strandabschnitte konsequent in Textl sowie Textil freiem Bereich geteilt. Wer hinüber wechseln wollte, der hatte sich entweder an - oder auszuziehen. Diesen Mischmasch gab es damals nicht.

Meine bessere Hälfte kritisiert den Jetztzustand jedes Mal. Ich pflichte ihr bei. Mischmasch ist hier eben großer Käse. Ich bin da voll auf ihrer Seite, obwohl ich im Westen aufgewachsen bin, dort prüde erzogen wurde und keine FKK - Strände kannte ( mit Ausnahme von den einst gelesenen Artikel im Latrinenblatt mit den vier Buchstaben her, das in schöner Regelmäßigkeit über den Sündenpfuhl auf der einstigen Promi - Insel Sylt in reißerischer Form berichtete ). Der Westen war bis weit in die Siebziger Jahre auf diesem Gebiet völlig verklemmt.

Geprägt von der massiven Einflussnahme der beiden Amtskirchen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft, war die Freikörperkultur unerwünscht, ja, sie wurde vehement an den Pranger gestellt und von den Pfaffen öffentlich als Ausdruck einer Lebensform im Stil von Sodom und Gomorrah verteufelt.

Wer in dieser Zeit aufwuchs, hat - von wenigen Ausnahmen abgesehen - mit dem FKK - Kult wenig am Hut. Anders indes in der DDR. Dort wurde er bis zur Wiedervereinigung nahezu zelebriert. Auch danach hat sich der Ostdeutsche diese Lebensart nicht nehmen lassen. Das ist richtig so!

Inzwischen traf auch der andere Teil der Gruppe ein. Darunter das Geburtstagskind, dem wenig später ein Ständchen gesungen wurde. Die Truppe war dabei sogar richtig kreativ, denn sie sang nicht das öde " Happy Birthday To You ".

Was allerdings von uns als richtig progressiv empfunden wurde, blieb bei der von den jungen Damen gezeigten Prüderie sofort auf der Strecke. Während die Männer sich am FKK - Strand überwiegend an die eigentlich vorherrschenden Regeln hielten, blieben die Frauen strigend beim biederen und zudem unmodernen Badeanzügen. Warum eigentlich?

Dann schoß mir ein Blatt! Aber, natürlich. Die Frauen kamen allesamt auss dem Westen. Und dort herrscht immer noch eine gewisse Prüderie. Der Normalo des Westens, er fremdelt auch fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung mit dem FKK - Stränden an der schönen Ostsee; aber auch mit dem wenigen Möglichkeiten der Freikörperkultur an der Nordsee.

Dann saß die Gruppe locker verteilt um einen Bollerwagen, in dem sich diverse Getränke befanden, herum und ließ sich - mit allseitig aufgesetzter, gelangweilter Mine - von den Monolgen des Geburtstagskindes unterhalten. Der junge Mann zog so ordentlich vom Leder, quatschte häufig dummes Zeug und fand sich darin toll, an seinem Ehrentag den Robert machen zu dürfen.

" Was für eine öde Feier! ", dachte ich so bei mir als ich die Gruppe beobachtete. Keine Freude, keine Heiterkeit, kaum Alkohol. Vor allem aber keine Musik. Nicht mal `ne Klampfe hatten die Jongs un Deerns dabei. Die waren ja schon gestorben.

Zwischenzeitlich stand die vergebliche Lehrerin mit einem Fläschchen in der rechten Hand, die Sonnenbrlle locker im blonden Haar eingesteckt auf  und begab sich mit einem betont lässig - legerem Gang zum Wasser. Dort stand sie einige Minuten wie Pik Sieben auf Bahnsteig Acht mt Blick auf das Wellen formende Wasser und freute sich ihres Lebens, ehe se dann so nonchalant zu der Gruppe zurückkehrte. Der Geburtstagsheini mimte immer noch den verbalen Eintänzer.

De ainderen Gäste schwiegen. Vielleicht - eher sogar sicher - wird er die ganze Schose bezahlen. Ohne Musik versteht sich! In Anlehnung an die gelebte Binsenweisheit: " Wessen Lied ich ( nicht ) sing´, dessen Brot ich ess` ? "
Bei den heutigen technischen Möglichkeiten wäre zumindest ein bißchen Musik zur Belustigung der richtige Ansatz gewesen. Stattdessen ödes Monologisieren dieses " Harry Potter " - Verschnitts.
Was ist nur aus den jüngeren Generationen geworden.

Roboter? Konsumterroristen? Spießer? Karrieristen? Arschkriecher? Schleimscheißer? Biedermichel?
Selbstdarsteller? Aufschneider?

Auf jeden Fall Langweiler, die - soweit aus dem Westen kommend - nüscht von FKK halten!



" The Hollies " - " Blowin`In The Wind " - 1968:




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