Ludwig ( der Hahn )



Wenn ein - nicht immer billiger - Urlaubsaufenthalt nicht das hält, was der Anbieter zuvor vollmundig versprochen hat, ist es durchaus üblich, einen Teil des Reisepreises zurück zu verlangen. Oft endet eine solche Aktion in einem Rechtsstreit.Deshalb beschäftigen sich Tausende von Juristen mit dieser Art von Auseinandersetzungen. Das Reiserecht ist deshalb nicht nur eine sehr lebendinge Rechtsmaterie, sondern bringt zudem jede Menge Kuriositäten hervor.

Ist das Fehlen eines Balkons mit Meerblick nun ein Reisemangel? Beinträchtigt ein in der Nähe .nächtlicher Lärm aus einer gelegener Tennisplatz die Urlaubsfreuden, weil von dort aus eine permanente Geräuschkulisse zu vernehmen ist? Oder ist der geplante und zuvor versprochene Erholungswert der Urlaubs deshalb nicht mehr vollständig gegeben, weil  eine Diskothek in Sichtweite betrieben wird, aus der nächtens betrunkene Feierwütige auf die Straße gehen und dort Krawall verursachen.

Diese und andere Fragen sind das tägliche Brot eines Reiserechtlers. Dazu muss er jedoch den Honig seiner Argumentionen aus einer Unzahl von Gerichtsentscheidungen sowie einer Vielzahl an Lieteratur saugen. Eine oft mühsame Angelegenheit, denn es gibt mittlerweile Zehntausende veröffentlichte Gerichtsentscheidungen sowie Fachliteratur in dem Umfang einstiger Versandhauskataloge.

Seit unserem Prerow - Aufenthalt werden wir im Morgengrauen durch das Gekrächse eines Zwerghahnes geweckt. Dem nur unvollständigen " Kikeriki " jenes Frühaufstehers folgt ein noch lauteres Gegurre eines Taubenpärchens, dass in der Nähe der Unterkunft nistet. Danach gibt es ein wildes Gezeter der Jungvögel aus einem Baum, der sich auf dem benachbarten Grundstück befindet.

Summa summarum: Natur, pur!

Während ich alsbald meines mürgendlichen, noch leicht schlaftrunkenen Gang in das Badezimmer angetreten hatte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, ob sich wegen dieser durchaus beeinträchtigenden, all morgendlichen Geräuschkulisse, wohl ein Anpruch auf Reisepreisminderung herleiten ließe?

Immerhin könnte das unfreiwillige, sehr frühe Aufstehen den Urlaubsgenuss beeinträchtigen. Auch der erwartete Erholungseffekt dürfte vermindert sein. Wäre ich nicht auf dem Land aufgewachsen und wären solche Geräusche für mich kein erhebliches Problem, so könnte das Krähe, Gurren und Zetern der gefiederten Freunde mir bereits jetzt gewaltig auf den Geist gehen. Doch ganz so schlimm ist es nun wahrhaftig nicht. Schließlich hat der Aufenthalt auf der Ostsee - Halbinsel auch etwas mit Natur zu tun.

Da saßen wir gegen 5.00 Uhr am Küchentisch und tranken einen Becher des Instant - Kaffees. So eher nebenbei erzählte ich eine Geschichte aus den 1980er Jahren, die von meinem Bruder handelte, der zu jener Zeit in Mönchengladbach studierte.

Eines Tages kam er auf die spinnerte Idee, sich einen Zwerghahn anzuschaffen. Er kaufte diesen bei einem Bauern aus der Nähe und hielt im Garten seiner Parterre - Wohnung. Allerdings nur so lange, bis der Junghahn noch nicht krähen konnte. Kaum begann er seine, ihm mit gegebenes Verhalten auszuleben, bekam mein Bruder mit der Nachbarschaft mächtigen Ärger. Nein, das halten eines Hahnes in der Mietwohnung sei nicht erlaubt, formulierte die Hausverwaltung in einem Schreiben. Und, ja, die sich beschwerenden Nachbarn forderten völlig zu Recht, dass der Mitbewohner die Betonunterkunft wieder verlassen müsse, weil er zudem jene angeborenen Eigenarten umsetzte, die zu einer sukzessiven Verwüstung des Rasens führten: Er schaarte nämlich dort nach Würmer und pflügte so die Grasnarbe des zuvor sehr gepflegt aussehenden Grüns um. Unter Fristsetzung beschloss die Hausverwaltung deshalb: " Ludwig darf nicht bleiben "!
Er musste weg. Dafür gab es 14 Tage Zeit!.

Der Zwerghahn musste die Mietwohnung nun verlassen. Und zwar für immer! " Ludwig " fand ein neues Zuhause auf einem in der Nähe gelegenen Bauernhof. Hier lebten noch mehr seiner Artgenossen. Und: " Ludwig " durfte von da an jeden Morgen nach Herzenslust so laut krähen, wie er es eben konnte. Jetzt war es ihm erlaubt worden. Wie es auch dem Zwerghahn auf dem benachbarten Grundstück in Prerow gestattet wurde.

Immerhin bracht deshalb so mancher Frühaufsteher keinen Wecker mehr - dank " Ludwig " aus Prerow wird er jeden Morgen kurz nach 4.00 Uhr wach gekräht.


Mick Abrahams Band - " Awake " - 1971:



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