Hochzeitstag



Heute ist der 29. Dezember 2019. Ein Sonntag. Noch 2 Tage, dann dürfen wir mit viel Getöse das " alte " Jahr verabschieden. Mag sein, dass der eine oder andre Mitbürger darüber sehr froh ist, weil für ihn und seiner Biografie dieses, bald dahin scheidende Jahr, ein so genanntes " Seuchenjahr " war. Will heißen:
Es ging vieles einfach schief. Die meisten Dinge - dann wohl eher wichtigere - verliefen nicht so, wie es so manch Einer unter uns gedacht, gehofft, erwartet hatte.

Das galt für meine bessere Hälfte und auch für mich uneingeschränkt im 2005. In jenem Jahr, in dem wir beide einen erneuten Versuch starteten, auf offizieller Weise gemeinsam und zweisam, jene Lebensaufgaben zu lösen, die uns - zumeist - von anderen Menschen vor die Füße geworfen wurden.

Am 29. 12. 2005 schipperten wir - nicht mehr so ganz jung - in den so genannten Hagen der Ehe ein. Wir haben dabei viele stürmische Zeiten auf Hoher See hinter uns gelassen, aber solche lagen damit auch noch vor uns.

Es war kalt an jenem 29. Dezember des Jahres 2005. Einen Tag zuvor hatte es geschneit. Wir fuhren zwar pünktlich zu dem Trauungstermin vor dem Standesamt Dresden, in der schön sanierten Villa an der Goetheallee, aber dank meiner " Schnapsidee ", eine Stunde davor noch einen " Brautstrauß " von einem Floristikgeschäft in der Kessselsdorfer Straße besorgen zu wollen, gerieten wir nebst Tochter und Schwiegersohn in spe sowie der abzuholenden Tante aus der Dresdner Innenstadt, ordentlich unter Zeitdruck.

Der Engländer würde dazu sagen: " It´s my own fault "!

Der " Brautstrauß " war dazu nicht der passende. Die Mitarbeiterin des dort leider nicht mehr existierenden " Blumenring ", wurde sichtlich nervös, als ich ihr mein Anliegen in den frühen Vormittagsstunden herüber gab. Sie war nervöser als ich, so nervös, dass beim Zusammenfügen und Binden des eigentlich voluminösen Straußes ihre zarten Finger zitterten. Oder, vielleicht war ihr einfach nur kalt. So wie mir auch?

Auf der Fahr vom Tälchen 10 zur Goetheallee waren beinahe alle Straßen mit einer dicken Pulverschneedecke belegt. Ich musste noch vorsichtiger fahren, als ich es unisono schon getan hätte, denn ich trug meine glatten, hoch polierten, schwarzen Sonntagsausgehschuhe. Die kamen nur selten zum Einsatz. Zumal ich nie der " Anzugtyp " - zu dem das Schuhwerk exzellent passte - war. Doch an einem solchen Tag läuft eben vieles völlig anders.

Der Vorraum zu den Trauungszimmern war voll gehängt mit Mänteln, Schals und sonstigen Klamotten. Es war halt Winter. So ein Winter, wie er einmal war. Mit Eis, Schnee und glatten Straßen. Und nicht so nass und grau, wie in diesem Jahr.

Nervös wurde ich erst, als die Standesbeamtin ihr Ritual abspulte; als die Ringe übergeben waren und ich ein krächzendes " Ja " - Wort heraus brachte. Es war kein großer Bahnhof, den wir vor 14 Jahren, an jenem 29.12., so kurz vor Jahresende und de facto auch Torschluss, hatten. Obwohl ich mich bereits ein halbes Jahr vorher wegen eines Termins beim Standesamt angemeldet hatte, gab es nur noch Restposten. Der 20.05.2005 war eh seit Jahren belegt; die Termine im Spätsommer unisono, denn da kann ja noch draußen gefeiert werden.

Nach Feiern war uns aber eher nicht zumute. Die Schwiegereltern verstarben im November / Dezember 2005 hinter einander. So bestand die " Hochzeitsgesellschaft " aus 5 Personen ( das Brautpaar eingeschlossen ).

Das ist auf den heutigen tag genau 14 Jahre her. Seitdem ist sehr viel Wasser die Weser, Elbe und jetzt Isar hinauf geflossen. Es ist sehr viel passiert, in unser beider gemeinsames Leben.
Es wird auch weiterhin einiges Erfreuliches, weniger Erfreuliches oder gar Unerfreuliches auf uns zu kommen. So ist das menschliche Leben eigentlich auch gedacht.

Wohlan, packen mer´s!

Auf das nächste, das übernächste und weitere Jahre - wir werden immer noch gebraucht. Es wäre auch sehr schade, wenn es nicht so wäre.

Gottfried Benn dichtete einst:




WER ALLEIN IST


Wer allein ist, ist auch im Geheimnis,
immer steht er in der Bilder Flut,
ihrer Zeugung, ihrer Keimnis,
selbst die Schatten tragen ihre Glut.
Trächtig ist er jeder Schichtung
denkerisch erfüllt und aufgespart,
mächtig ist er der Vernichtung
allem Menschlichen, das nährt und paart.
Ohne Rührung sieht er, wie die Erde
eine andere ward, als ihm begann,
nicht mehr Stirb und nicht mehr Werde:
formstill sieht ihn die Vollendung an.


THE DOORS - The Spy - Morrison Hotel 1970:



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