Verschickungskinder oder: " Herr Lehrer, ich weiß was! "
👹
Am
Dienstagabend sendete die alte Tante ARD ab 21.45 Uhr eine weitere Ausgabe von
Report Mainz ". Einem politischen Magazin, dass sich im Wechsel mit
dem NDR - Format " Panorama " sowie " Report München "
jeweils Dienstagabends für 30 Minuten zu aktuellen Themen auslassen darf.
Einst, so ab den 1970er Jahren galten die politischen Sendungen -
dem Grundversorgungsauftrag der ÖRs gehorchend - als Kulminationspunkt der westdeutschen
Volksseele. Das ZDF - vormals stramm recht - konservativ ausgerichtet, weil mit
CDU - Politprominenz durchsetzt - hatte mit dem " ZDF - Magazin " seinen
Antipoden zu der Propagandashow des DDR - Fernsehens und hier vornehmlich dem " Schwarzen Kanal ".
Zwei ältere Herren, Gerhard Löwenthal ( ZDF ) und Karl - Eduard von Schnitzler ( DDR I ) prügelten in den Realsatiresendungen verbal und visuell heftig aufeinander ein. Beide, im Tausendjährigen Reich, sozialisiert worden, zeigten dem Durchschnittsglotzer, was sie von dem anderen Journalisten und dessen Staatsform hielten, nämlich überhaupt nichts.
Die beiden Haudegen sind längst unter der Erde. Auch hier glichen sie sich dann doch irgendwie aneinander an. Karl - Eduard ( vulgo ...von Schni... ) und Gerhard ( vulgo: der Braune ) machten zu Beginn der Nullerjahre dann für immer ihre Augen und das Schandmaul zu.
Damit verlor das wieder vereinigte Deutschland allerdings keine hochkarätigen Journalisten. Anders verhielt es sich mit den Politmagazinen. Diese verschwanden zusehends aus den Hauptprogrammen oder wurden auf ein LP - Format kastriert.
So auch " Report Mainz ".
Dennoch hat es der Grandseigneur dieser Sendung Fritz Frey es seit Übernahme dieser Sendung im Jahre 2003 geschafft, den Methusalem am Leben zu halten. Sein Verdienst ist es auch, dass dieses Magazin sich nicht in den bereits durchgekauten Themen der anderen Medien und Sendungen ergießt, sondern auch abseits der Üblichkeiten recherchiert und sodann darüber berichtet.
Okay, in dem nur 30 Minuten umfassenden Block einen Bericht so journalistisch aufzuarbeiten, dass dieser alle Facetten der Thematik abdeckt, dürfte dem Versuch der Quadratur des Kreises gleichen. So ist es legitim, die Berichterstattung auf einen fakten-festen Kern zu reduzieren.
Dieses vorausgesetzt, dürfte dann auch der weitere Bericht über ein dunkles Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte der sich mit der Thematik von " Verschickungskinder " befasst, als teilweise unvollständig zu bewerten sein. In der " Report Mainz " - Ausgabe vom 03.12.2019 wird hierzu wie folgt berichtet:
Dieser unrühmliche Abschnitt aus der Ära westdeutscher Steinzeitpädagogik und mitteldeutscher / ostdeutscher staatlicher Indoktrination lässt erst beim näheren Hinsehen erkennen, dass hier der faschistoide Hauch in den Institutionen waberte, das Gift der NS - Zeit noch in den Köpfen jener schlagenden, schikanierenden und lügenden Erziehern fest verankert war und im Zusammenwirken aller, von nationalsozialistischem Gedankengut geprägter Erwachsenen auf die Nachkriegsgenerationen hernieder ging.
Der Nazi - Zeitgeist war in der noch jungen BRD, aber auch in abgewandelter Form in dem zweiten deutschen Staat überall und immer vernehmbar. Er hing wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Kinder dieser angeblich entnazifizierten Eltern und fuhr im Alltäglichen, ob es nun Lappalien oder tatsächliche Verfehlungen waren, in Form jener unmenschlichen Bestrafungen auf Kinder hernieder.
Der Nazi - Zeitgeist war in der noch
jungen BRD, aber auch in abgewandelter Form in dem zweiten deutschen Staat
überall und immer vernehmbar. Er hing wie ein Damoklesschwert über den Köpfen
der Kinder dieser angeblich entnazifizierten Eltern und fuhr im Alltäglichen,
ob es nun Lappalien oder tatsächliche Verfehlungen waren, in Form jener
unmenschlichen Bestrafungen auf Kinder hernieder. Prügel statt Pädagogik,
Verhauen statt Verstehen wollen oder auch: Kinder haben den Mund zu halten,
wenn Erwachsene sich unterhalten!
Tja, das ist mehr als 5 Dekaden her.
Dennoch hat sich nicht so sehr viel in unserer inzwischen hoch technisierten
Gesellschaft verändert. Die Bestrafungen von Kindern erfolgt heutzutage auf
diffizilere Weise. Gewalt gegen Kindern, gegen Jugendliche, gegen Schwächere in
diesem System des Zusammenlebens ist immer noch und dieses massenhaft
vorhanden.
Damals aber, als just die einstigen
Faschisten, ihre unzähligen Mitläufer und die von ihnen heran gezogenen eigenen
Kinder an der Macht waren, in Amt und Würden gehievt worden sind, war jene
Gewalt all gegenwärtig. So auch in den so genannten Kindererholungsheimen.
Jenen Einrichtungen, die von den Kirchen, den karitativen Verbänden oder den
Krankenkassen getragen wurden und die hiermit dank einer perfiden Methodik sich
die Gelder wechselseitig zuschieben durften. Ebenso profitierten die Kommunen
und einzelne Berufsgruppen von den vorhandenen System.
Der obige Fernsehbericht erklärt diese
gesellschaftlichen Bedingungen nicht, er erwähnt sie allenfalls am Rande. Dazu
hätte es allerdings einer längeren Sendezeit bedurft, die dem politischen
Magazin nun einmal nicht ( mehr ) zur Verfügung steht. So wird über die
Betroffenen von damals und deren Erlebnisse in jenen Einrichtungen kurz
eingegangen. Erwähnt wird auch, dass sich diese inzwischen organisiert haben,
um jene traumatisierenden Geschehnisse aufarbeiten zu können. Es sind einige
Hunderttausend, die nahezu Gleichartiges über sich ergehen lassen mussten. Die
Gewalt an Kindern mit ansehen mussten. Viele von ihnen sind bis heute dadurch
seelisch und / oder körperlich belastet.
Eine Initiative, die unter der Internetpräsenz " Verschickungsheime. de " sich dieses Themas annimmt und von einer einst ebenfalls Betroffenen, der Autorin Anja Röhl gegründet wurde, hatte im November 2019 zu einem Kongress auf der Insel Sylt geladen. Dieses wird auch in dem obigen Bericht bei " Report Mainz " erwähnt. In dem Treffen, an dem 70 ehemalige Verschickungskinder teilgenommen haben, diskutierten die Anwesenden unter anderem auch die Forderung nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung jener Zustände in den Heimen.
Hierbei wurde auch eine gemeinsame Erklärung der Anwesenden veröffentlicht. Die Forderungen darin lauten nach der Errichtung einer selbst verwalteten Anlaufstelle für Betroffene. Die Kosten von kalkulierten, mindestens 3 Millionen Euro sollen durch den Bund, die Länder sowie die Träger der damaligen Kinderkurheime aufgebracht werden.
Nun mag eine wissenschaftliche, eine empirische Aufarbeitung und Erforschung jener, inzwischen öffentlich benannten Missstände in den diversen Einrichtungen durchaus sinnvoll sein. Auch mit Blick auf die Geschichte Deutschlands. Allerdings erschließt sich mir bei näherer Betrachtung der Nutzen für jene damals Betroffenen - zu denen auch ich gehöre - nicht so ganz. Und: 3 Millionen Euro sind auch kein Pappenstiel. Da müssen bereits im Vorfeld dicke Bretter gebohrt werden, um eine solche Finanzierungssumme bei den Benannten bewilligt zu bekommen.
Bei geschätzten 3 Millionen Verschickungskindern in der Zeitspanne von 1960 bis 1990 dürfte es zudem problematisch werden, ein aussagefähiges Gesamtbild zu den Zuständen in den diversen Einrichtungen zu erhalten. Zudem sollte angezweifelt werden, dass nach mehr als 30 bis 60 Jahren sämtliche Betroffenen noch eine exakte Erinnerung an jene traumatischen Erlebnisse haben dürften.
Nun möchte ich mich nicht zu einem der durchaus existierenden Bedenkenträger aufschwingen und die gesamte Tätigkeit der Frau Röhl in Frage stellen, aber: Vielleicht reicht es bereits aus, wenn die Öffentlichkeit über die berichtenden Medien hierzu informiert wird und damit die einhergehende Mahnung erhält, dass diese Zustände nie wieder vorkommen dürfen.
" Report Mainz " und auch andere Kanäle des öffentlich - rechtlichen Fernsehens haben hierzu bereits lobenswerte Vorarbeit geleistet.
CAROLIN HESTER COALATION - Tomorrow When I Wake Up - 1968:
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