Die Dammer Berge im Schweinehalter - Land.





Wer auf der Bundesautobahn 1 von Lübeck und Hamburg über Bremen in Richtung Dortmund zu fahren hat, der muss unweigerlich eine Region queren, die als das Geflügel - Schweine - und Eier - El Dorado dieses, unseres, heiß geliebten Landes, gilt. Zwischen den Anschlussstellen Wildeshaus - Nord, über das Autobahn - Dreieck Ahlhorner Heide bis Neuenkirchen - Vörden erstreckt sich ein Landgürtel, der seit einigen Jahrzehnten durch die industrielle Schweinemast, Geflügelzucht sowie Eierproduktion nicht nur europaweit einen hohen Stellenwert erhalten hat.

Der südoldenburgische, innerhalb dessen sich just jene Autobahnauf und - abfahrten befinden, galt noch vor 50 Jahren als ein Armenhaus in Westdeutschland, eine Art wirtschaftliche Problemzone, in die durch Landes - Bundes sowie EU - Fördergelder Hunderte Milliarden DM hinein gepumpt werden mussten, um dem Postulat des Grundgesetzes aus Artikel 72, der die Einheitlichkeit, später Gleichwertigkeit, der Lebensverhältnisse vorsieht, auch nur ansatzweise erfüllen zu können. Es gab viele, zu viele landwirtschaftliche Einheiten, also kleine und Kleinsthöfe, die nicht überleben konnten und deshalb auch keine Wirtschaftskraft entwickelten, keine Steuereinnahmen garantierten und schon gar keine Arbeitsplätze schufen. Sie verschwanden sukzessive vom Markt. Was blieb, waren Großhöfe oder umgestellte Tierzuchtbetriebe sowie Legefabriken. Die Erstgenannten wurden alsdann als Futterlieferanten umgestellt.

Dank dieser, extensiver, intensiver , aber auch ekzessiver Produktionsmethoden hat sich dieses Manko von einst längst umgekehrt. 

In der " SPIEGEL " - Ausgabe 6 / 2021, S. 52ff wird jener landwirtschaftliche Bereich, der jährlich dreistellige Milliardenumsätze schreibt, näher beleuchtet. Genauer gesagt, es wird in diesem Bericht von den Lebens - und Arbeitsbedingungen sowie auch den damit verbundenen Problemen aus Damme im Landkreis Vechta im Südoldenburgischen berichtet.

Damm, sei, so heißt es in jenem Artikel, die gefühlte " Schweinehauptstadt " Deutschlands. das mag ein erworbenes Privileg sein; kann und wird aber wohl eher ein negativ beladendes Image sein, mit dem sich nicht nur der Bürgermeister Gerd Muhle ( CDU ) und die Stadt herum schlagen muss. In Damme werden 21 Ferkel, Sauen und Mastschweine pro Einwohner registriert. Die Stadt umfasst 104,38 Km², zählte per 31.12.2019 immerhin 17.241 Einwohner, was einer Einwohnerdichte von 165 je Km² entspricht. In Damme leben aber auch über 152.000 Schweine, was wiederum einer Schweinedichte von 1. 456 Tieren entspräche. Dieses könnte - rein mathematisch betrachtet - bedeuten, dass auf mehr als 650 m² ein Schwein kommen könnte.

Dem ist aber nicht so. 

Die Nutztiere werden in Großanlagen unter nahezu unanständigen Bedingungen gehalten. Diese von den Kritikern als " KZ - Haltung " bezeichneten Zustände werden seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit angeprangert. Bisher können kaum Verbesserungen verzeichnet werden. Die Lobby der Branche in der Politik ist eben zu einflussreich. Dadurch werden erforderliche Gesetzesvorgaben verhindert.

Die aktuelle Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Klöckner, Julia, die sich in den letzten Monaten, medial betrachtete, eher sehr rar gemacht hat, sie steht hier in der Riege der unfähigen Lobby - Minister ganz vorne. Getoppt wird die, ständig um ihr Outfit, denn eher um erforderliche Reformen bemühte Dame aus Rheinland - Pfalz, nur noch von den noch unfähigeren Vorgänger*innen, nämlich Aigner, Ilse - Schmidt, Christian - Friedrich, Hans - Peter und Kiechle, Ignaz ( allesamt tiefschwarze CSUler ). Etwas mehr Kompetenz, wenn auch gleichsam in die Lobbyisten - Spur fahrend, muss wohl Seehofer, Horst ( natürlich CSU ) attestiert werden. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_für_Ernährung_und_Landwirtschaft


Wie dem auch sei, dieses Bundesministerium ist die von einigen Berufsgruppen, die neben den Landwirten, Winzern ( sind ja auch Agronome ), der Chemie - Industrie sowie den Fleisch verarbeitenden und Leihpersonal - Sektoren zu benennen wären, ständig umschwirrt, weil just Neuerungen zu Lasten derer Klientel verhindert oder deren Auswirkungen auf jene Branchen abgeschwächt werden sollen.

Zurück zur " Schweine - Hauptstadt " Damme am schönen Dümmer See.

Hier könnte das Leben so richtig Natur belassen bleiben. Wären, ja, wären da nicht die stinkenden Probleme mit der industriellen Viehwirtschaft. Schon vor mehr als 3 1/2  Dekaden machte sich ein Fernsehteam von Radio Bremen auf und versuchte über eben jene Geruchsbeeinträchtigungen zu berichten. Der Titel des Beitrags heißt " Und ewig stinken die Felder ". Diese filmische Dokumentation, die im Rahmen der Beitragsserie " Unter deutschen Dächern " produziert wurde, erhielt alsdann den " Grimme Preis ".

 https://de.wikipedia.org/wiki/Unter_deutschen_Dächern

https://archive.org/details/ewigstinkenfelder-84-videokasette-de

Der Beitrag aus der goldenen VHS - Videokassetten - Zeit rüttelte einst auf. Es waren nicht wenige und nicht nur die " GRÜNEN " sowie deren Anhänger und Wähler, die gegen die dort gezeigten Zustände protestierten. Die Politik und deren Ausführungsorgane in der Legislative sowie Judikative konnten sensibilisiert werden. Langsam, wenn auch zu behäbig, ging es jenen " Baronen " und " Fürsten ", wie sie in dem Film gezeigt werden, an den Kragen. Pohlmann selbst musste sich erst Jahre später aus dem Reich seiner " Goldhähnchen " - KZ - Haltung zurückziehen.

37 Jahre später hat sich sicherlich vieles an den Zucht - Aufzucht - und Verarbeitungsmethoden verändert. Auch bei dem Nutztier Schwein. Doch die Probleme sind  zum überwiegenden Teil geblieben. Der " SPIEGEL " - Artikel gibt hierzu hinreichend Aufschluss.

Damals wurde das Radio Bremen - Fernsehteam nicht in die Stallungen gelassen. Auch die Grundstücke, auf denen jene Monster - Ställe immer noch stehen, waren tabu. Die Fernsehmitarbeiter wurden sogar unflätig beschimpft. Nun, gut, Stadt und Land sind heute noch unterschiedlich. Weshalb das Verhältnis der Land - zur Stadtbevölkerung als ambivalent zu sehen ist. Das Geld der Städter wird gerne genommen, deren Urlaubs - Freizeitaufenthalte sind deshalb ein notwendiges Übel. Kritik an den Zuständen der industrielle Massentierhaltung ist heute noch unerwünscht und wird mit dem Hinweis abgebügelt, dass die Städter es ja sind, die Konsumenten der KZ - Eier, des Geflügels und der Schweine aus den Großstallungen, die den Dreck hieraus haben wollen. 

Das stimmt zum Teil, ist aber letztendlich zu kurz gegriffen. Der Großhandel, die Handelsketten, die Discounter, sie sind es, die die Preise diktieren und sich im Verramschen mit Industriefleisch im Preisgefüge wechselseitig unterbieten. Und, ja, daran kann zwar jeder einzelne Konsument durch sein Konsumverhalten etwas ändern, aber dazu muss ihm erst einmal das Bewusstsein geschärft werden. Nicht jeden Tag Fleisch vom Discounter, keine ganzjährigen Grill - Orgien,, stattdessen ausgewogene Ernährung usw.

Dieses könnte dazu beitagen, dass die Luft, der Boden, das Grundwasser etc. verbessert wird. Dort, im Südoldenburgischen, im Land der Schweinehalter, in Deutschland, dem Schweinefresser - Land überhaupt.

Irgendwann in dieser Zeit, in den 1980er Jahren also, als das öffentlich - rechtliche Fernsehen allenfalls über teuere VHS - Kassetten und noch kostspieligere Rekorder ernsthafte Konkurrenz bekam, als die " Wende ", die Deutsche Wiedervereinigung, sich noch nicht abzeichnete, befuhr ich mit meinem blauen R4 die A1 in Richtung Dortmund. Dieser Abschnitt zwischen Lübeck, Hamburg, Bremen und dem Ruhrgebiet wird auch " Hansalinie " genannt. Dort entlang befinden sich heutzutage viele Rastmöglichkeiten.

 https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesautobahn_1

Das war vor mehr als 40 Jahren noch nicht der Fall. Mein einstiger Studienkollege und Mitbewohner im Mensa - Studentenwohnheim Lothar G. fuhr damals mit. Er wollte seine Familie in Wuppertal - Oberbarmen besuchen; ich meinen Bruder in Mönchengladbach. So legten wir nach zirka 115 Kilometern einen kurzen Stopp an der - schon damals - imposanten Autobahnraststätte " Dammer Berge " ein, um eine " Kleinigkeit " zu essen. Schon beim betreten der Innenräume war klar: Wir werden hier keine Freunde. Die Gäste schauten uns ein wenig vorwurfsvoll an. Nach dem Gusto: " Was sind das für zwei Penner? "

Über die gesamte Breite der A 1 erstreckt sich der Gastronomie - und Hotelkomplex " Dammer Berge ", so dass wir einen flüchtigen Blick auf die darunter hinweg rasenden Fahrzeuge erhielten. Das wird heute noch genauso sein. Der Blick auf die Speise - und Getränketafel indes, ließ uns in nahezu Schockstarre versetzen. Die Mondpreise für Speisen, die unverschämt hohen für Getränke, erweckten in uns den Eindruck, als seien wir mit schmuddeligen Jeans, Parka und intellektueller Langhaartracht im Hilton in Düsseldorf gelandet. Doch, es war nur Rasthofanlage " Dammer Berge " an der A 1 im Südpldenburgischen. Die Bedienung hinter dem Tresen erkannte unsere Situation und fragte süffisant, ob wir tatsächlich etwas wollten oder nicht doch nur die Toilette aufsuchen mussten. Letzteres stimmte zwar auch, war aber eben nicht der wahre Anlass für unseren Zwischenstopp.

Nach etwas längerem Zögern bestellte wir zwei Pott Kaffee zu je 2,80 DM. Ich lud Lothar zum Kaffee ein, denn der war einst ohne BaföG die ärmere Sau von uns beiden. Die Trine hinter der Theke, Typ Dorf - Pommeranze, so Mitte bis Ende 40 mit Sauerkrautfrisur und leichtem Hang zur Konfektionsgröße 42, aber dafür durchaus 1,70 Meter groß, schnarrte den Betrag von 5,60 DM heraus und dachte bestimmt, wir hätten nicht einmal diesen Kleinstbetrag einstecken. Ich schüttete ihr den Inhalt meines Portemonnaies auf die dunkle Plasteunterlagen des Tresen und zählte ab. Ich beließ es bei 6 DM. Wenn schon, denn schon. Die Bauern - Trutsche - uns eher feindlich gesinnt - sollte wissen, dass auch " Kommunisten - Studenten " der Bremer Uni Geld in der Tasche haben. Wortlos setzten wir uns an einen dieser sterilen Tische mit Resopal beschichteter Oberfläche, der auch schon bessere Tage erlebt hatte und tranken den Kaffee aus. Er schmeckte zumindest; was man ja für 2,80 DM noch gerade so verlangen konnte.

Gerade diese Episode fiel mir ein, als ich den Namen der Stadt Damme im Landkreis Vechta in jenem " SPIEGEL " - Artikel las. " Schwein und Zeit ", so heißt er. Ja, Schweine gibt es da immer noch; die meisten von ihnen werden aber geschlachtet. Der Rest hat zwei Beine und müsste, wie es George Orwell in seinem Roman "  Animal Farm " beschreibt, sich der Natur, vornehmlich der Tierwelt, Untertan sein. Schließlich ist er dafür verantwortlich, dass er seine eigenen Lebensgrundlagen sukzessive zerstört.

Die Profiteure der industriellen Tierproduktion in Damme sehen das - nicht nur - heitzutage vollkommen anders. Hier geht es um Begriffe, wie Gülle Börse ", " Abferkeln ", Deckstall ", " Gesäuge ", " Aufziehleistung ", Saugferkelverlust " oder " Vollwertschwein ". 

" ..... Zwei Welten, zwei Sprachen. ", stellt der " SPIEGEL " - Journalist ernüchternd fest.

Zur erforderlichen Begrifflichkeit dieses Industriezweiges zählt auch Umsatz, Betriebskosten und Gewinn. Und hierbei ist zu konstatieren, dass der Preis je Kilogramm Schwein von 2014 bis 2020 lediglich um 1,12 Euro gestiegen ist. Das ist nicht viel, aber die Masse macht es. Und deshalb gilt auch für Damme:

" Zur Dammer Landschaft gehört neben den Dammer Bergen ( 146 Meter hoch ) und dem See Dümmer ein Geruch, der bisweilen schwer auf dem Land liegt. Was da stinkt, heißt in Damme " Emission ".

Ein Ein Befragter, selbst Landwirt, also Unternehmer, behauptet hierzu, dass es früher genauso gestunken habe, nur da sei vor jedem Hof ein großer Misthaufen gewesen, der die Mischung aus Schweine - Ausscheidungen und Stroh,von 80 Schweinen zeigte. Jeder Bauer habe einen gehabt. Heute stinkt jedoch die Tierhaltung, weil eben Bauern in einem Großstall einstellen würden.

So kann Bauer das sehen; die Realität ist aber eine andere. Früher gab es dort vielleicht 4.000 Schweine in Dammen; aktuell sind es 152.000 - 38 Mal mehr.

Die Dammer Berge im Schweinehalter - Land, kein schönes Stück Deutschland!



 CAUSA SUI  -  Echo Springs  -  Euporie Tide  -  2013







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