Sonja K. aus Schweden




Dritter Akt meiner Posts im Rahmen der " Schwedischen Wochen " bei " Onkel " Jürgen. Dieser lässt mich in die Urzeit meiner Jura - Ausbildung zurück blicken. Genauer gesagt in das Jahr 1983. Das nach der Ausbildungsverordnung vorgesehene Hauptstudium I ging in die entscheidende Phase. Das bedeutete für uns, die wir den nächsten Abschnitt beginnen wollten, es mussten insgesamt 21 Punkte in verschiedenen Rechtsgebieten nachgewiesen werden. Das so genannte " Scheine " sammeln begann.

Die " Leistungsnachweise " konnte wir Studenten auch in Form von Referaten erbringen. Hierfür gab es - je nach Umfang und Schwierigkeitsgrad der vorzunehmenden Ausarbeitung - zwischen 2 bis 4 Punkte. Diese schriftlichen Arbeiten waren auch als Gruppenarbeiten möglich. Wenn damals der Vergleich zu den Bulimie - Lernen in den klassischen, zweistufigen Ausbildungen vorgenommen werden könnte, wäre die damalige Einstufige Juristenausbildung in Bremen als das Paradies auf Erden zu bezeichnen.

Dennoch wurden die zu vergebenen Punkte nicht leistungsfrei zugeschanzt und die entsprechenden Themen hatten keineswegs Klippschul - Niveau, wie es von den Kritikern aus den Reihen der CDU - Faschisten einst ständig qua billiger Polemik in die Öffentlichkeit posaunt wurde. 

So setzte ich mich denn im Hauptstudium I mit einer schon etwas älteren Kommilitonin an ein arbeitsrechtliches Thema heran, das wir als Referat halten sollten. Die Mitstreiterin war Soja. K. Sie muss - ohne das ich sie je danach befragte - vielleicht um die Anfang 40 gewesen sein; also zirka 10 bis 12 Jahre älter als ich es damals war. Sonja war verheiratet, Mutter zweier Töchter und stammte aus Schweden. Sie führte den Namen ihres Mannes, der sich grunddeutsch anhörte, nämlich K.

Nun, Sonja K. sprach neben ihrer Muttersprache auch gut deutsch und sie konnte zudem Englisch sprechen. Doch eine Sprache sprechen können, dass bedeutet noch lange nicht, sie zu beherrschen, denn die Sprache lebt auch von dem Schriftlichen.

Und da haperte es etwas bei der Schwedin, die zwar auch einen deutschen Pass hatte, denn sie war mit einem deutschen Mann verheiratet, aber die Sprachkenntnisse waren eben immer noch ausbaufähig. Dieses Manko lässt sich bei schriftlichen Ausarbeitung an einer Hochschule nicht so leicht abstellen. Deshalb formulierte ich den überwiegenden Teil des Referats. Die avisierten 4 Punkte für den Leistungsnachweis im Arbeitsrecht erhielten wir. Interessanter an unserer Zusammenarbeit war aber, dass ich über das Familienleben der deutschen Schwedin viele Dinge erfuhr, die sie wohl so nicht jeden Menschen aus ihrem Umfeld erzählt hätte.

Die einstige Kommilitonin hatte ihren Mann, der Uli hieß, einst in München kennen gelernt. Uli war dort als Ingenieur bei MBB in München tätig. Uli verdiente dort gut und konnte sich bereits in den 1970er Jahren einen BMW, ein größeres Haus und regelmäßige Urlaube leisten. Die beiden K.s bekamen zwei Töchter mit Namen Astrid und Ulla - Britt. Beides Vornamen, die auf die Herkunft der Mutter schließen ließen. Und just die beiden Töchter wären beinahe Vollwaisen geworden. 

Sonja erzählte mir nämlich, dass Uli und sie mit einem Arbeitskollegen sowie dessen Ehefrau eines Tages einen Rundflug über die Alpen starteten. Der Arbeitskollege besaß einen Flugschein und ein eigenes Kleinflugzeug. Während des Flugs gerieten sie in ein Unwetter. Die Maschine musste notlanden. Dabei wurden alle vier Insassen schwer verletzt. Sonja laborierte seit dem unter chronischen Rückenbeschwerden. 

Danach zog die Familie K. nach Norddeutschland, in den Ort B. bei der einstigen Kreisstadt Syke. zählte mir all dieses, während wir über unser Referat grübelten und ich versuchte, irgendwie geschliffene Formulierungen für das zu finden, was Sonja sich zuvor fleißig angelesen hatte, aber eben nicht so gut in die deutsche Sprache umsetzen konnte.

Die Zeit verging. Wir quatschten uns irgendwie fest. Dann wurde es langsam zu spät, um die Ausarbeitung zu Ende bringen zu können. Eine Tochter kam zudem nach Hause und auch ihr Mann würde bald Feierabend haben. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich fuhr erneut mit meinem blauen R 4 zu der Kommilitonin nach B. und parkte direkt vor dem Grundstück mit dem schmucken Flachdachbungalow aus den späten 1970er Jahren. Die Nachbarn hinter den Gardinen stehend, müssen wohl von einem Hausfreund ausgegangen sein. Schließlich war es nicht so selbstverständlich, dass eine knapp 40jährige noch ein Studium aufnimmt. Zudem eines der Rechtswissenschaften und dieses noch als Nicht - Originalsprachler. 

Da saßen wir nun ein zweites Mal und grübelten, diskutierten und erzählten so ganz nebenbei aus unserem Leben. Das unterschiedlicher nicht sein konnte. Hier die Ehefrau, Mutter zweier Kinder und relativ gut situierte sowie adrett gekleidete Studentin, dort ein eher in ärmlichen Verhältnissen wohnender Student, ohne feste Bindung und im Schlapperlook daher kommend. Aber, es passte intellektuell irgendwie. Wir konnten uns gut ergänzen und bekamen für die angefertigte schriftliche Ausarbeitung auch die avisierten Punkte. Damit war eine kleine Hürde auf dem mühsamen und steinigen Weg zu den Staatsexamina genommen.

So ganz nebenbei habe ich innerhalb der langen Ausbildungszeit sehr interessant, oft unterschiedliche Menschen kennen lernen dürfen. Hierzu zählte auch Sonja K. aus Schweden, deren Mutter damals dort noch lebte und mit der sie eben auch regelmäßige telefonierte. Als ich ihr erzählte, dass ich vor vielen Jahren eine Nordkap - Reise unter kriminalistischen und abenteuerlichen Bedingungen gemacht hatte, dabei auch eine längere zeit in Schweden verweilte, war sie doch beeindruckt. Als ich ihr dazu erzählte, dass ich in dem nordschwedischen Ort Töre an einer Gedenkstätte für tödlich verunglückte Arbeiter eines Eisenwerks verweilte, rief sie dazu gleich ihre Mutter an.

Und die hatte tatsächlich von jenem Unglück gehört.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Töre

Nach dem wir die Punkte ergattert hatten, gab Sonja mir einen Kaffee aus. Dabei erzählte sie mir von einigen Kommilitonen, die sie zufällig in Bremen getroffen hatte. Eine Dame der Schöpfung mit dem Ziel Juristin zu werden, versuchte es hierbei auf eine unkonventioneller Weise. Sie bändelte mit einem der wenigen " Überflieger " an und ließ sich von diesem die schriftlichen Leistungsnachweise ausarbeiten. Die Punkte kassierte allerdings sie. Da sie rein optisch zu den attraktiveren Studentinnen zählte, der Lastenesel, der ihr die Arbeiten schrieb indes nicht, fuhr sie eben doppelgleisig. Einen weiteren Freund vom Typ " Dandy " oder auch Hobby - Bodybuilder " hatte Sonja K. mit der Besagten eng umschlungen in einer hochpreisigen  Bremer Gaststätte gesehen. So kann man / frau es natürlich auch machen.

Auch damals musste schon jeder angehende Jurist sehen, wo er bleiben kann. Und in diesem Zusammenhang erzählte mir die Schwedin auch, dass sie eines Tages mit ihrem Mann sowie einem befreundeten Ehepaar zum Essen gefahren sei. Der Bekannte war Rechtsanwalt und betrieb im Bremer Umland eine Feld - Wald - und Wiesen - Kanzlei, die mehr schlecht als recht lief. Doch der spätere Herr Kollege lebt auf großem Fuss. Er fuhr einen Sportwagen, gönnte sich teure Auslandsreisen und besuchte häufiger Restaurants. Und just eines dieser Speisegaststätten lag etwas abseits des Wohnortes der obne Benannten, nämlich kurz vor der Stadt Bassum.

Es bot vormals argentinische Küche an. Aber nicht jene, wie ich sie von den Steak - Haus - Ketten kannte, sondern exquisitere Speisen. Frisch aus dem südamerikanischem Land eingeflogenes Fleisch stand dort ehemals auf der überschaubaren Speisekarte,

Nun, die " Kleinigkeit ", die die beiden Paare dann an jenem Abend zu sich nahmen, sie kostete mal eben schlappe 200 DM - pro Gericht, versteht sich.

Sonja und ihr Uli kippten da beinahe aus den Latschen. Und auch ich musste nachhaken. Ich konnte es kaum glauben, dass es schon zu jener Zeit solche Preise gab. Wie dem auch sei, die Kommilitonin Sonja ward danach dort nie wieder gesehen. Denn sie gestand mir in unserem Gespräch, dass sie sich dieses hätten gar nicht leisten können. Solche Einkünfte hatten Ks. nicht. Dafür mussten sie zwei noch schulpflichtige Kinder ernähren und den schmucken Bungalow abzahlen. Da bleibt kein Geld übrig. Kindern kosteten bis zum Ende der Ausbildung bereits damals einen sechsstelligen Betrag.

Der werte Herr Kollege lebte mit seiner Frau indes in einem kinderlosen Haushalt, diese hatte allerdings viel Geld mit in die Ehe gebracht. das funktioniert dann auch.

Viele Jahre danach, wir hatten unsere juristischen Staatsprüfungen längst in der Tasche und zudem eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. merkte ich sehr schnell, was es heißt finanziell für eine Familie gerade zu stehen. Da war nichts mit einem flotten Sportwagen, teuren Urlaubsreisen oder kostspieligen Restaurantbesuchen.

So erinnerte ich mich in den letzten Tagen wieder an die einstige Kommilitonin Sonja K. aus Schweden und kann meinen Respekt ob ihrer damaligen Leistung, Ausbildung, Familie und späteren Beruf unter einen Hut gebracht zu haben, nicht verhehlen. Dieses zudem in einem fremden Land und dem Handicap, die deutsche Sprache nicht sicher beherrscht zu haben. Nun gut, für den Schein konnte sie ja auf meine Formulierungskünste zurück greifen, die Sonja K. aus Schweden.



BO HANSSON  -  Storstad (The City)  Ur Trollkarlens ...-  1973:


 



 


   


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