Polizeiruf 110: Lenski und der finale Rettungsschuss.



Darf eine kriminell gewordene Mutter ihr Kleinkind weiterhin bei sich haben? Und, wie sieht Frankfurt an der Oder ( Kfz - Kennzeichen:  FF ) zirka 31 Jahre nach dem Mauerfall aus? Sowie, warum lässt der Staat es zu, dass Kinder aus sozial katastrophalen Verhältnissen Kinder bekommen dürfen?

Mit diesen und anderen, ähnlich gelagerten Themen hatte sich der Glotzer gestern Abend zu beschäftigen, sofern er ab 20.15 Uhr den " Polizeiruf 110 " als Unterhaltungssendung eingeschaltet ließ, Die vom RBB produzierte Folge nennt sich " Monstermutter ". In ihr quittiert die von Maria Simon gespielte Kommissarin Olga Lenski im östlichen Bundesland Brandenburg ihren Dienst. Sie wird hiernach nur noch über das Einspielen von Konserven dem Zuschauer erhalten bleiben.

Eigentlich schade, denn von den im so genannten Osten produzierten Krimis zählte der RBB - Beitrag mit Maria Simon eher zu den durchaus ansehbaren. Aber, egal. Zunächst sollte es darum gehen, den letzten Fall von Kommissarin Lenski ein wenig Revue passieren zu lassen, denn es war nicht gerade eben die leichte Kost. Zumal das gezeigte Umfeld jenseits der gut bürgerlichen Fassaden anderer Krimis einzuordnen ist.

Frankfurt / Oder und die ringsherum verblieben Pampa  als Tatort des RBB - Beitrags spielt ansonsten in der TV - Fernsehlandschaft kaum eine Rolle. Dabei zählt der " Polizeiruf " aus Brandenburg wohl eher zur Kategorie der Krimis mit wenig Klischees, aber dafür einem erkennbaren sozialen Anspruch. Das kommt jedoch nicht immer und auch nicht überall gut an.

Mag sein, dass dieses an den Themen liegt, die sich in den konstruierten Fällen wieder finden. Mag auch sein, dass die Protagonisten aus Brandenburg und mit ihnen nach beinahe 50 Jahren Serie sowie 389 Folgen hieraus, den Stoff aus dem viele Krimis heutzutage sind, aus anderen Dauerlutschern jenes Genre nur noch als Resterampe verwerten können. Viel hilft sehr häufig nicht viel. Doch, die 24 - Stunden - Dauerberieselung aus allen TV - Kanälen hat einen hohen Preis, den der Wiederholung. Das gilt auch für viele Handlungen in den Krimis.

" Monstermutter " macht hier leider keine Ausnahme. Die Handlungen sind größtenteils abgegriffelt. Eine Amok laufende Ex - Strafgefangene nimmt die Kommissarin Lenski als Geisel, um diese später gegen ihre in einer Pflegefamilie unter gebrachte Tochter eintauschen zu können. Daraus wird nichts. Zuvor erschießt die wild gewordene " Mosntermutter " ganz nebenbei eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, knallt den Rechtsbeistand ihrer Tochter, einen Feld - Wald und Wiesennanwalt in FF in dessen Büro innerhalb seiner herunter gekommenen Villa über den Haufen, um anschließend die Kommissarin Lenski dort in ihre Gewalt zu bringen. Gewalt ist auch die Handlungsmaxime der " Monstermutter " mit Namen Louisa " Lou " Bronski. Sie verfügt über eine diagnostiziert niedrige Funktionstoleranz. Beim Überschreiten dieser sehr niedrigen Hemmschwelle schlägt sie zu und nicht nur das. Deshalb wird ihr von Seiten der vom Jugendamt zu Rate gezogenen Gutachter die Fähigkeit zur Erziehung ihrer Tochter Lily abgesprochen. Lily kommt somit in einer Pflegefamilie unter. Auf dem Weg dorthin schlägt und schießt " Lou " nur so um sich. Ehe sie dann zum Schluss selbst von einem Präzisionsschützen der Polizei nieder gestreckt wird.    


https://de.wikipedia.org/wiki/Polizeiruf_110:_Monstermutter

https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/polizeiruf-110/sendung/monstermutter-100.html

Und just dieser finale Ablauf macht den Krimi aus Brandenburg so interessant. Es geht hier um den so genannten " Finalen Rettungsschuss ", der seit 1972 ( Geiselnahme der israelischen Sportler bei der Olympiade in München ) und im Nachgang ab 1973 heiß diskutiert wurde. Nach mehr als 48 Jahren hat jene Ultima Ration längst in 13 von 16 Landespolizeigesetzen ihre rechtliche Verankerung erfahren ( Ausnahmen hiervon gelten in  Berlin, Mecklenburg - Vorpommern und Schleswig - Holstein ). Ob das staatlich erlaubte Erschießen eines Menschen durch die Polizei nun als " Todesschuss " oder sprachlich verniedlichend als " Finaler Rettungsschuss " bezeichnet wird, bliebt hier eher unerheblich, denn ein solches Handeln im Wege der polizeilichen Nothilfe muss - nicht nur moralisch - an die Grenze der Rechtsstaatlichkeit angesiedelt werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Finaler_Rettungsschuss 

Damals haben wir als kritisch ausgebildete Juristen eine solche staatliche Freigabe zum Töten eines Menschen kategorisch abgelehnt. Meine damaligen 68er - Hochschullehrer hatten noch das Trauma des Polizei - Mordes an Benno Ohnesorg im Gedächtnis, als sie in ihren entsprechenden Seminaren jene Überlegungen der Politik, den Todesschuss juristisch zu legitimieren, mit Fug und Recht geißelten.

40 Jahre danach ertappte ich mich, wie ich während des Films mich gedanklich davon verabschieden wollte. Die zwar verzweifelte Mutter " Lou " überschritt in vielen Sequenzen des Krimis meine eigenen Vorstellungen und Maßstäbe von Rechtmäßigkeit. Ihre in exzessive Gewalt umschlagende Abneigung gegen alle Personen, die sich ihr bei dem irrsinnigen Plan, die eigene Tochter gewaltsam an sich nehmen zu können, in den Weg stellten, überschritt meine eigene Toleranzschwelle um ein Vielfaches.

So geschah denn das, was ich mir beim Zusehen der kriminellen Aktionen der " Monstermutter " ansatzweise gewünscht hatte: Das " Monster " von Mutter wurde erschossen. Eben durch jenen von mir immer noch abgelehnten " Finalen Rettungsschuss ".

Um nicht mehr und nicht weniger als diese längst nicht mehr aktuelle Frage staatlicher Gewalt ging es in dem Film. Dieser war - bei allem Geschwurbel hierüber in einigen Zeitungen - für mich überzeugend, weil er die bedrückende Realität des gescheiterten Lebens in einem sozialen Umfeld exakt wieder gibt. Nicht die Mutter war das Monster, sondern die von ihr erfahrenen Lebensumstände haben sie dazu gemacht.

https://www.spiegel.de/kultur/tv/polizeiruf-110-heute-monstermutter-im-schnellcheck-a-81244d44-afc2-4a02-8487-d76eb9ee4b7e

https://www.zeit.de/kultur/film/2021-01/polizeiruf-110-brandenburg-monstermutter-olga-lenski?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F



CIRCUIT RIDER  -  Old Time Feeling  -  1971:



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?