Geschichten aus dem Katastrophen - Winter ` 78 / `79: Ohne Strom, wird´s nich woarm! "

Schneemann bauen 2021!


Gestern begann es nun auch hier in den niederbayerischen Regionen zu schneien. Das von hoch im Norden kommende Tiefdrucksystem mit dem schönen Namen " Tristan " besuchte jetzt den Süden. Das Chaos blieb indes aus. Der fallende Schnee war pappig, nass, backig und schmolzt zum größten Teil wieder weg. Nach dem Regengebiet, das zu Monatsbeginn eine Reihe von Flüssen über die Ufer treten ließ, gab es nun weiße Pracht von oben. Und zwar reichlich. Dazu wurden in einigen Teilen Deutschlands zweistellige Minusgrade gemessen. Winter pur, also?

Und just an diesem Winter - Chaos - Wochenende sendete der MDR einen Beitrag in seinem Fernsehprogramm, der sich mit dem denkwürdigen " Katastrophen - Winter " zum Jahreswechsel 1978 / 1979 befasste. Diese Dokumentation, für die Dirk Schneider verantwortlich zeichnet, wurde bereits am 3. Januar dieses Jahres gesendet und am 6. Februar 2021 wiederholt.


https://www.mdr.de/tv/programm/sendung821538.html

https://www.mdr.de/video/mdr-videos/reportagen-dokus/video-der-katastrophenwinter-in-oberhof-102.html


Meine bessere Hälfte beließ just jene Wiederholung auf dem Receiver, um sie mir zu zeigen. Wenngleich ich zunächst daran nur mäßig interessiert war, schaute ich sie mir dennoch an. Winter 1978 / 1979, das sagte mir natürlich was. Hatte ich eben diesen einst als Student und R4 - Fahrer noch in lebendiger Erinnerung. Dieser so genannte " Katastrophen - Winter " mit Sturm, Schnee und klirrender Kälte, so kurz nach Weihnachten, brachte auch für mich  völlig neuer Erkenntnisse. Unter anderem die, dass auch die vormals gängigen Lebensverhältnisse, die propagierte Mobilität in Form des Individualverkehrs und das noch zart aufblühende Pflänzchen mit Namen Konsum, sehr schnell vergänglich wird. wenn Mutter Natur es so will.

Von den dramatischen Auswirkungen jenes " Katastrophen - Winters " sickerten allenfalls in den westdeutschen Medien etwas durch. Die " tagesschau " berichtete hierüber, ich las den einen oder anderen " SPIEGEL " - Artikel oder sah mir spektakulärer Bilder im " stern " sowie in dem Wochenblatt " DIE ZEIT " an. Was in dem anderen, dem weiteren deutschen Staat ablief, konnte ich nur bruchstückhaft durch die Medien erfahren. Die ideologisch eingefärbten Nachrichten der " AK ", die ich im Bremer Mensa - Wohnheim durchaus empfangen konnte, gaben jene Ereignisse in den " Schnee - und Winter - Chaos " dort nicht wieder.

Nun, also mehr als 4 Dekaden danach, werden jene Abläufe u.a. durch den MDR noch einmal aufgezeigt. In dem wiederholten Film vom vorgestrigen Samstag treten beispielhaft jene Ereignisse hervor, die einen anderen Aspekt der DDR - Realität, des Lebens im real existierenden Sozialismus erkennen ließen. Auch dort gab es längst Ungleichheit, es wurden Privilegien zugewiesen, die es den sodann Privilegierten aus den Bereichen Partei, Kultur und Kunst oder den besser Gestellten des Unterdrückungsapparats ermöglichten, die Konsum orientierten Vorzüge qua ihres gesellschaftlichen Ranges in vollen Zügen genießen zu können.

Die DDR - Führung ließ eigens dafür im thüringischen Ort Oberhof ein Luxus - Hotel aus den Boden stampfen, welches nicht nur als Devisenbringer fungieren musste, sondern vor allem zeigen sollte, dass der sozialistische Bruder jenseits der hoch gesicherten Grenze auch ein bunteres Gesicht zeigen kann. Allerdings durften eben nur die Auserwählten, die Getreuen von Ulbricht und später Honecker hiervon partizipieren. Dem gemeinen DDR - Bürger, dem profanen Fußvolk also, war das Schnuppern am künstlich erzeugten Luxusleben bis zum Niedergang der DDR verwehrt.

Die Dokumentation zeigt jedoch deutlich die Grenzen der schon in jenen späten 70er Jahren auf Kante genähten Planwirtschaft auf. Das Land besaß . mit Ausnahme der eher minderwertigen Braunkohle - keine Bodenschätze, aus denen Energie gewonnen werden konnte. So brach in jenen Tagen, an denen eine Extremwetterlage die Energieversorgung an den Rande des Kollaps brachte, die Stromversorgung in einigen Teilen des sozialistischen Landes zusammen. Ganze Regionen mussten zeitweise von der Energiezufuhr der vielen Braunkohle - Kraftwerke abgekoppelt werden. In den Bezirken Gera, Erfurt und Suhl wurde quasi über Nacht vom 31.12.1978 zum 01.01.1979 die Stromzufuhr gekappt. Diese Maßnahme betraf auch das " Interhotel Panorama " in Oberhof.

Hier gingen noch in der Silvesternacht im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter aus. Da saßen, standen und warteten sie nun im Dunklen, die verdienten Bürger des Arbeiter - und Bauernstaates und mussten erkennen, dass jene Dekadenz, die offiziell nur dem westdeutschen Klassenfeind auferlegt und die durch die staatliche Propaganda - Maschinerie ständig gegeißelt wurde, auch jene Avantgarde in der sozialistischen Gesellschaft der DDR zum Verhängnis werden kann, wenn Mutter Natur ihre Muskeln spielen ließ.

Bei zeitweilig - 28 Grade Celsius versuchten sich die Damen und Herren aus den Reihen der Privilegierten, die Speerspitze der Klassenkämpfer im Luxus - Hotel also, irgendwie wieder auf den Heimweg zu begeben. Die Party, das rauschende Fest, es war abrupt beendet. Der eigne PKW aus sozialistischer Produktion sprang indes bei jenen arktischen Temperaturen nicht an. Zuvor bestellte Taxis kamen auch schon deswegen nicht. Da war auch dort, wo die auserwählte Klasse ihren Kampf am Kalten Büfett ohne Aussichten auf einen Sieg aufgeben musste, guter Rat gefragt. Man(n) half sich so, wie es Millionen andere DDR - Bürger tagtäglich erleben und über sich zu ergehen hatten - es wurde einfach improvisiert.

" Gluck, gluck, mapf, mapf - er ist zu Ende, der Klassenkampf! "

Und während die nördlichen Teile Europas unter der Extremwetterlage bibberten, viele Landwirte jenseits des anti - imperialistischen Schutzwalls mit ihrem Vieh in den Ställen vor Kälte heulten und froren, während Kettenfahrzeuge des Militärs von den Niederlanden bis nach Dänemark mit Schneeverwehungen bis zu 4 Metern und mehr zu kämpfen hatten, dachten die DDR - Verantwortlichen, dieser Kelch ginge an ihnen vorüber und prallt, wie durch Zauberhand an den Grenzbefestigungen vollkommen ab.

Mitnichten!

In den DDR - Bezirken brach das öffentliche Leben beinahe vollständig zusammen. Ohne Strom, wird´s nich´woarm. 


      




       


STREETMARK - House Of Three Windows - Italien Concert In Rock - Nordland - 1976

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