Steve Harley, Rita S. und das Mensa - Wohnheim


Vor einigen Tagen habe ich mittels YouTube nach alten Musiktiteln gesucht. Beim Scrollen landete ich zufällig bei einer Gruppe, die ab den 1970er Jahren aktiv war. Steve Harley & Cockney Rebel. Die Formation wurde vor 48 Jahren unter dem Namen Cockney Rebel gegründet. Ab diesem Zeitpunkt spielte die Band, die von ihrem primus interparis Steve Harley bereits nach etwas mehr als einem Jahr aufgelöst und alsdann neu formiert wurde, sechs Alben ein. Ferner wurden eine Reihe von Singles auf den Markt geworfen.

Auch wenn die Gruppe ab den frühern bereits ansprechende Musik veröffentlicht hatte, rauschte Steve Harley und seine Mannen einfach an mir vorbei. Mein Musikgeschmack von einst orientierte sich auf knackigen Rock, vornehmlich Hardrock oder sporadisch auf Bombast - Rock, vielleicht noch auf die ein oder andere Ballade. Harley zählte eben nicht dazu. Seine Titel ließen sich nicht exakt in ein bestimmtes Schema, in das ein oder andere Genre pressen. Harley war musikalisch betrachtet ein Grenzgänger, ja, ein Freigeist, der sich zudem als äußerst egozentrisch gebar und keinerlei Ambitionen verspürte, um sich stilistisch in eine vorgefertigte, normierte Schublade hinein pressen zu lassen.

Aus der Schaffenszeit jenes musikalischen Freigeistes stammten somit sehr unterschiedliche Stücke, wie " Mr. Soft ", " JudyTeen ", " Make Me Smile ( Come Up And See Me ) " oder auch eine Coverversion des " Beatles " - Stücks " Here Comes The Sun ". Der Titel " Sebastian " stammt aus der ersten " Cockney Rebel " - LP " The Human Menagerie ", die 1973 produziert wurde.

Einige dieser bekannteren Stücke befinden sich denn auch auf der Live - Doppel - LP " Face To Face ", die - nanu, nana! - am 1. Juli 1977 erschien.

https://www.discogs.com/de/Steve-Harley-And-Cockney-Rebel-Face-To-Face/release/813544

Ich hatte dieses Album bei meinen unzähligen Besuchen von diversen Plattenläden bestimmt ein Dutzend Mal und mehr in den Händen, legte es aber wieder zurück, weil ich beim Kauf vieler Scheiben andere Interpreten präferierte. Bis auf einen Samstagvormittag im Frühsommer des Jahres 1983, als ich von meinen zirka 850 DM. die ab Frühjahr 1983 als Vergütung während meiner Jura - Ausbildung monatlich auf das Konto flossen, zu einer der zahlreichen Einkaufstouren bei " ear " - Schallplatten im Bremer - Ostertor ( auch " Viertel " genannt ) aufschlug. Ich kaufte hier das Doppelalbum für die Hälfte des Preises, denn die dort einliegenden LPs waren bereits bespielt, also gebraucht. Mit einem halben Dutzend andere Platten verließ ich kurz vor Ladenschluss um 13.00 Uhr das Geschäft. 

In meiner Studentenbude im " Mensa - Wohnheim " an der Universität, stand mittlerweile eine leicht verbesserte Stereo - Anlage, bestehend aus einem " Dual " - Plattenspieler in einer mittleren Preislage, einem " Kenwood " - Verstärker, dem KA 1030, einem " Kenwood " - Receiver KT 36 und meinen beiden " Quelle Universum " - Boxen aus den 1970er Jahren. Später legte ich mir noch ein Casetten - Deck zu.

So ausgerüstet, ließ ich es am Samstagmittag in meinem 18,9 m² - Loch für 144 DM Inklusivmiete pro Monat ordentlich krachen. Solange, bis ein benachbarten Kommilitone an meine Zimmertür hämmerte und mich bat, den " Krach " etwas leiser zu stellen. Boah, " Krach ", das war eine Beleidigung für " Steve Harley & Cockney Rebel " und all die anderen Bands, deren LPs ich mir just zu gelegt hatte.

Ich beschloss, meine Orgie zu beenden und sie am späteren Abend bei einer Bekannten, die in Bremen - Findorff eine kleine Wohnung gemietet hatte, fortzusetzen. Rita S., so hieß sie, hatte ich einige Wochen zuvor eher zufällig kennengelernt. Sie war zu einer Geburtstagsfeier im fünften Stock des " Mensa " - Studentenwohnheims eingeladen gewesen. Wir kamen dort eher zufällig ins Gespräch, denn ich dachte zunächst, sie wäre neu eingezogen und würde auch studieren. Doch Rita s., die in Begleitung einer Freundin dort im Flur saß, arbeitete irgendwo in einer Bremer Kindertagesstätte. Ihre Freundin, die besser aussah als sie, war Berufsschülerin. Nun, wir tauschten die Telefonnummern aus und wenig später holte ich Rita nebst Freundin mit meinem R4 ab, um ins " Aladin " zu fahren. Die Diskothek war ein Tempel für Hardrock - Anhänger und ein Drogen - Umschlagplatz par excellence. Das störte mich weniger, denn ich wollte knackige, laute Rockmusik hören.

Tja, den beiden eingeladenen Damen schien es nicht ganz so gut zu gefallen. Doch sie ließen sich nichts anmerken. 

An jenem Samstagabend verstaute ich nun meine neu erworbenen LPs in eine dieser üblichen Verkaufstüten aus Plaste und fuhr in Richtung Findorff, wo Rita S. in einem Haus aus den 1960er Jahren eine kleine Dachgeschosswohnung gemietet hatte. Ich meldete meinen Besuch jedoch zuvor telefonisch an. Sagte dabei aber nicht, dass ich meine Rock - LPs mitnehmen würde.

Der Abend verlief für beide Seiten eher enttäuschend, denn Rita S. besaß keine Stereo - Anlage, sondern nur einen antiquierten Plattenhobel mit eingebauten Verstärkerteil, zu dem zwei kleine Lautsprecher gehörten, die die Gastgeberin in ihrer Küche auf den gebrauchten Tisch stellte. Okay, ich spielte ihr jene LPs vor, die ich just zuvor, also frisch, aber gebraucht, bei " ear " erworben hatte.

Rita S. indes interessierte sich nur mäßig für jene Musikrichtung. Um es mit klareren Worten zu formulieren: Sie hatte von Rockmusik null Ahnung. So saßen wir Tee trinkend an ihrem Küchentisch und plauderten ein wenig über ihren Job, mein Studium und versuchsweise über Musik. Dabei konnte ich nicht so richtig heraus finden, welche Art Musik sie hörte. Vielleicht war es so, dass sie nicht festgelegt war. Egal, zumindest war es für mich kein Grund, meinen Besuch vorzeitig, also, ehe ich das gesamte neu erworbene Platten - Sammelsurium abgedudelt hatte, zu beenden. Rita S. schien sich alsbald zu langweilen, sagte aber aus Höflichkeit eher nichts. Dass sie sich mehr für ihren Besuch und weniger für die gespielte Musik interessierte, hatte ich damals zwar registriert, es ließ mich indes völlig kalt. Rita S. war nur zirka 1,65 m groß, leicht übergewichtig und zudem blond. Sie passte überhaupt nicht in mein Beuteschema. Und dass sie sich nicht für meine Rockmusik stark machte, kam den gegebenen Ausschlusskriterien noch hinzu.

Nur bei einem Titel, den ich von den LPs auf ihrer Plattefräse abnudelte, schien sie offensichtlich hellhörig zu werden - Steve Harley´s " Sebastian ". Der ich jedoch nicht sein wollte und auch konnte. So verabschiedete ich mich artig bei ihr. Bedankte mich dabei für den Tee und die kredenzten Kekse und führ von dannen - in Richtung meines " Mensa - Wohnheim " - Zimmers. Das nicht nur über eine bessere Musikanlage verfügte.

Wenige Jahre später veröffentlichte der gute Steve Harley im Duett mit der Sängerin Sarah Brightman eine Single mit dem Titel " The Phantom, Of The Opera ", die dann 1986, kurz vor dem Ende meines Jura - Studiums, ein Chart - Hit wurde. Dieses Stück war dem gleichnamigen Musical entsprechend, welches die Massen begeisterte. Na, nicht so meine Kragenweite. Aber, der Rita S. aus Bremen - Findorff hätte das Liedchen wohl sehr gefallen.


https://de.wikipedia.org/wiki/Steve_Harley_%26_Cockney_Rebel


Steve Harley spielte hiernach noch regelmäßig eine Reihe von Liedern ein, ohne jedoch an den Erfolg jener frühen Jahre anknüpfen zu können. Was aus Rita S. geworden ist, bleibt mir allerdings im Verborgenen. Ich hörte nie wieder etwas von ihr.




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