" Schön, dass ihr alle wieder da seid! " - Ausgabe Sommer 2021


Vor einigen Jahren habe ich diesen Blog eingestellt:

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Zirka 5 Jahre danach machte ich mir diese Gedanken zum Sommerurlaub 2017:

https://draft.blogger.com/blog/post/edit/8221564797470254880/2465310470608109611

Weitere vier Jahre später las ich in dem aktuellen " SPIEGEL " einen Artikel der Redakteurin Barbara Hardinghaus, die zusammen mit dem Fotografen Simon Kay eine beschwerliche Bus - Reise von einem kleinen Ort in Baden - Württemberg in das mehr als 1970 Kilometer entfernte Dorf  Mirabella Imbaccari auf Sizilien antrat.

Das Interessante, das durchaus Außergewöhnliche an dieser Reise war, dass es sich bei den Businsassen nicht um gewöhnliche Touristen, sondern um in dem sizilianisch Ort Geborene und dort noch Wohnende handelte. Sie nehmen jene beschwerlichen Tour, die satte 30 Stunden dauert, auf sich, um ihre Heimat wieder zu sehen, aber auch, um sich dort zu erholen - zu urlauben.

Es sind allesamt Sizilianer, Italiener also, die jene Reise in Deutschland zu starten, die sie auch in ihre eigene Kindheit, Jugend, in die Vergangenheit zurück bringt. Zuhause angekommen, werden zumeist Familienangehörige, Verwandte besucht, das Meer und seine dort liegenden Orte angesteuert sowie das eigene Haus in Schuss gebracht. Nach 3 Wochen geht es wieder in die zweite Heimat zurück.

" Wir müssen uns entscheiden. Wir können nicht das ganze Leben hin - und herfahren. ", so formulierte es ein Mitreisender zutreffend. 

Wer mit jeder Hin - und Rückfahrt auch jedes Mal ein Jahr älter geworden ist, so wie der doppelstöckige Reisebus, der in seinen Zulassungsdokumenten das Baujahr 2006, eine Zahl von 83 Plätzen und einen Kilometerstand von zirka 2.000.000 ( Zweimillionen ) auf dem Tacho stehen hat. Die einfache Fahrt kostet 130 Euro. Das erscheint nicht viel. Aber, viele der allein im Umkreis der Stadt Böblingen lebenden, es sollen etwa 1.500 sein,  Mirabellesi sind nicht gerade wohlhabend. Sie verdingten sich zumeist - wie jene Generationen vor ihnen, die in den 1950er Jahren halfen das westdeutsche Wirtschafts - Wunder zu generieren - übten Tätigkeiten aus, die nicht gerade als anspruchsvoll gelten.  Bandarbeiter gehören dazu, auch Verkäuferinnen sind darunter sowie auch Aushilfen in diversen Berufsfeldern.

In ihrer italienischen Heimat indes hätten sie indes zum größten Teil erst gar keinen Job gefunden. Weshalb es nicht nur sie in das fremde Deutschland vertrieb. Hier gelten sie tatsächlich als Fremde, die mehr oder weniger integriert, nicht selten nur unzureichende Sprachkenntnisse haben, just jene Stellen besetzen, die kaum noch von Deutschen, von Einheimischen also, nachgefragt sind. Für die Sizilianer aber, sind es die Deutschen, die ihrer eigentlichen Heimat seit vielen Jahren den Rücken gekehrt haben, um in der Fremde, so wie in Deutschland, ihr Glück zu suchen. Damit besiegten sie die im Geburtsland vorherrschende Perspektivlosigkeit; das Heimweh jedoch nicht.

( Vgl. bei: Barbara Hardinghaus: " 1971 Kilometer Sehnsucht " in " DER SPIEGEL ", Ausgabe 35 / 2021, S. 50 ff

Als ich am heutigen Sonntagmorgen diesen Artikel las, erinnerte ich mich an die Rückkehr einiger türkischer Familien, die ihre Wohnungen in dem gegenüberliegenden Gebäudekomplex bezogen haben. Auch sie verbrachten 3 Wochen in ihrem Heimatland, dort, wo sie zum größten Teil geboren wurden. Es sind mutmaßlich Dörfer und Orte in der Osttürkei. Einige der Männer sehe ich in den frühen Morgenstunden ab 5.30 Uhr aus den Häusern kommen. Sie tragen dann Taschen unter ihren Armen, die sie zu ihren Arbeitsstellen mit nehmen. Es sind ein paar Auslieferungsfahrer dabei. Einige der türkischen Frauen arbeiten in Supermärkten, die in der Gemeinde ansässig sind. Andere Frauen kommen mit ihren dunklen  Schalla, manchmal einem Hidschab, sehr selten einem Al Amira mir manchmal auf dem Weg vom Einkauf entgegen. Die jüngeren Frauen schieben dabei einen Kinderwagen vor sich her.

Eine Nachbarin erzählte mir, dass nicht wenige der türkischen Bewohner der Anlage Erdogan - Anhänger sind. Was auf eine eher konservative Lebenseinstellung schließen lässt. Nicht selten sprechen diese Frauen kaum ein Wort Deutsch. Doch es gibt auch andere türkisch - stämmige Frauen und Männer hier. Sie gehören der dritten, ja sogar vierten Generation an. Diese sind nicht nur hier geboren, sondern haben deutsche Schulen besucht und häufig eine Ausbildung abgeschlossen.Ob sie die Türkei als ihre Heimat betrachten, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Ob sie regelmäßig in den Sommerferien in das Land am Bosporus fahren und dort ihren Urlaub verbringen, dürfte auch nicht unbedingt zutreffend sein. Sie sind hier längst assimiliert.  

Jener Teil der türkisch - stämmigen Bewohner Deutschlands indes, der das Geburtsland der Eltern oder Großeltern alas ihre Heimat betrachtet, umfasst einige Hunderttausend Frauen und Männer. Sie fliegen tatsächlich in ihr Heimatland und verbringen dort einige Wochen in den Sommermonaten. Vor vielen Jahren, als der Flugverkehr noch nicht jene Ausmaße wie zu der Vor - " Corona " - Zeit angenommen hatte, fuhren die türkischen Arbeiter und Angestellten ab Anfang Juli mit den eigenen PKWs in die Türkei. Sie mussten dabei die Route über Österreich, Rumänien und Bulgarien nehmen und eine Strecke von über 3.800 Kilometer absolvieren. Die Fahrtzeit beträgt dabei mindestens 40 Stunden.

Eine wahre Tortur für den Fahrer, seine Familie und das Auto, das nicht gerade das neuste Modell war. Während der Verkehr auf den üblichen Routen von Jahr zu Jahr zunahm und die Bewohner der Transitländer, wie beispielsweise Bulgarien sich über die Invasion von türkischen reisenden lauthals beschwerten, da diese nicht selten viel Unrat hinter lassen haben sollen, ersonn ein findiger türkischer Geschäftsmann namens Vural Öger eine Abhilfe. Er gründete eine Fluggesellschaft, die Direktverbindungen von Hamburg, dann Bremen und anderen Städten zu günstigen Preisen anbot.

Inzwischen fliegen die meisten türkischen Urlauber in ihr Land, weil es nicht nur bequemer, sondern sogar günstiger ist.

 So berichtete der " SPIEGEL " in einer Ausgabe vom Juli 2012 über jene chaotischen Verhältnisse auf den Transitstrassen ab den späten 1950er Jahren, als Hunderttausende von Deutschland aus in die Türkei fuhren:


  https://www.spiegel.de/geschichte/europas-gastarbeiterroute-auf-der-todesstrasse-in-den-urlaub-a-947660.html

Inzwischen sind diese Routen zwar nicht leerer geworden, wohl aber ein wenig sicherer. Dennoch könnte es für jedes hier geblieben Familienmitglied, Bekannte oder Freund immer noch heißen:

" Schön, dass ihr alle wieder da seid! " 



MV & EE  -  Poor Boy Excursions  -  Fuzzweed  -  2013:







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