Die Discothek " Nautic " in Steinbergen

Auf der Suche nach längst vergangenen Zeiten und Erlebnissen, klickte ich mich über Tante Google auf einige Seiten, die für mich irgendwie und irgendwann Heimatbezug haben. Dabei las ich einen Artikel. der sich mit dem mittelbaren Nachbarort Steinbergen befasst.

Steinbergen zählte einst zu den typischen Dörfern im Schaumburg - Lipper Land; wenngleich die geografische Nähe zu der Stadt Rinteln, die bekanntlich an der Weser liegt und dem benachbarten Landkreis Hameln - Pyrmont, der Gemeinde eher eine Randlage gibt; zumal nach der so genannten Kreis - und Gebietsreform von 1974, im Zuge derer der Landkreis Schaumburg - Lippe mit seinem Verwaltungsmittelpunkt Stadthagen sowie die Grafschaft Schaumburg zum Landkreis Schaumburg zusammen gezogen wurden, jene partielle Randlage eher verstärkt haben. 

Um den Steinbergern sowie den noch weitere von der Kreisstadt Stadthagen entfernt wohnenden Rintelnern die behördlichen Erfordernisse des täglichen Lebens nicht zu sehr zu verkomplizieren und dabei mühselige Fahrten in die Kreisstadt Stadthagen zu ersparen, wurden Teile der Kreisverwaltung an der Weserstadt Rinteln beibehalten. Hinzu kamen dabei aber auch jene eitlen, auf Rivalitäten bezogenenen Befindlichkeiten der " Ureinwohner " jener beiden schaumburger Städte, die sich zudem im permanenten Konkurrenzkampf mit der einstigen Residenzstadt Bückeburg sehen.

Nun, gut, als ehemaliger Schaumburg - Lipper sehe ich solches, provinzielle Gehabe eher gelassen und quittiere dieses mit einem süffisanten Lächeln über meine alt gewordenen Lippen.

Aber, zurück zur Zukunft und in die Jetztzeit.

Beim Durchforsten der Google - Treffer, die mir bei der Eingabe des Suchwortes " Steinbergen " sowie " 1970er Jahre " angezeigt wurden, durfte ich unter anderem diese drei Einträge zur Kenntnis nehmen: 

https://der-rintelner.de/so-sah-es-hier-damals-aus-einladung-zur-historischen-dorfrundfahrt-in-steinbergen-und-engern/

https://www.webta.eu/geschichte.php

Und siehe da, in meinem ab 22.00 Uhr bereits ganz klein und müde gewordenen Augen schimmerte wieder ein leichter Glanz, der durch nostalgische Anwandelungen hervor gerufen wurde.

Ach, hach, wat war dat für ´ne schöne Zeit? damals, so vor mehr und minder 50 Jahren?

Zu jener Zeit besaß ich weder einen Führerschein / eine Fahrerlaubnis, noch einen selbst fahrenden Untersatz, wie etwa ein Moped der Marken " Zündapp ", " Kreidler " oder " NSU ", noch " Herkules ", "  Triumph ", " Rixe " sowie " Victoria " ... ( open end ).

Mein treues Gefährt, ein Fahrrad mit Drei - Gang - Schaltung von " Torpedo ", sowie Sportbereifung nebst ergonomisch geformten Sattel, war das einzige Fortbewegungsmittel. Es kam indes nur während meiner öden Lehre von April 1969 bis März 1972 regelmäßig zum Einsatz. Während der wenigen Freizeit war Radfahren bei den jüngeren und jungen Leuten eher verpönt. Wer von Heeßen nach Bückeburg, von dort nach Minden oder von Bad Eilsen nach Rinteln, vielleicht gar in die Landeshauptstadt Hannover wollte, der hielt den " Daumen in den Wind ", der, die, das " trampte ". 

Das per Anhalter fahren war bei den Jugendlichen zwar " in ", wurde von den Erwachsenen nicht nur verpönt, sondern von den Elter gar untersagt bis verboten. Verboten galten als Maßstab jedweder regulativer sowie erzieherischer Einflussnahmen in die bunte Welt der Jugend ab den späten 1960er Jahre. In der der " beat " als " mega - out " und " Pop " bis " Prog - Rock " als angesagt galt.

Und just in jene - auch musikalische - Zeit katapultierten mich jene oben angegebenen drei Artikel beim lesen zurück. Hinein in die Phase der pubertieren Aufmüpfigkeiten, der non - konformen Kleidung, längerer bis langer Haare und zur Schau gestellter Anti - Haltung gegen die Erwachsenenwelt, innerhalb derer die post - traumatischen Kriegserlebenisse mit dem " WiWu " - Jahren und dem Bestreben, es als guter Deutscher, der mindestens eine militärische Niederlage zu Lebzeiten hat einstecken müssen, der übrigen Welt und den Nachbarländern jetzt erst recht zeigen zu müssen.

Alt - Faschisten wider aufmüpfiger Kinder, Spießer wider " Gammler ", " Hippies ", " langmähniger Weicheier ", die zudem auch noch illegale Drogen zu sich nahmen, statt Alkohol zu saufen und dem Papa Staat hierüber die Steuerkassen zu füllen. Diese explosive Melange führte zu so manchen - nicht selten - handfesten Auseinandersetzungen. Es flogen nicht nur Argumente, vielmehr auch Beleidigungen, aber auch Fäuste durch die Luft.

Tja, das ist zwar schon etwas länger her, doch meine Erinnerungen an jene - eher kurze - Jugendzeit werden dann und wann wieder wach gerufen. So auch, als ich die Berichte über die Gemeinde Steinbergen im Netz las und dabei mir bislang Unbekanntes zu der ehemaligen Diskothek " Nautic " in Steinbergen las. Dies lag einst am nordöstlichen Ortsrand an der " Rintelner Straße " ( die als B 238 ) den Ort quert und über Rinteln bis nach Detmold führt, wo sie nach zirka 43 Kilometer in die Bundesstraße 239 mündet und hierdurch weiter geführt wird. 

Nun, die Diskothek " Nautic " hieß zunächst " Charly -  Bar " und wurde von dem Steinberger Busunternehmer Krömer geführt. Irgendwann zu Beginn der 1970er Jahre erhielt die Gaststätte nicht nur einen neuen Namen, sondern wurde in frisch renovierter Form als " Nautic " weiter geführt. Hier traf sich insbesondere an den Wochenende die Dorfjugend aus dem Ort, aber auch eine Vielzahl von Jugendlichen der Nachbargemeinden, wie Buchholz, Heeßen, Bad Eilsen, Ahnsen bis hin nach Rinteln und Bückeburg fanden sich dort ein.

Zu den regelmäßigen Gästen in jenen frühen 1970er Jahren zählte auch ich. Zumindest eine gewisse Zeit lang, ehe mein Interesse an dem " Schuppen " erlahmte, in dem just zu jenen Wochen und Monaten, in denen ich die Samstagabende bis zirka 22.00 Uhr dort verbrachte und wo ein ehemaliger Schulkollege aus Volksschulzeiten die Platten auflegte. Uwe W. lernte das Frisörhandwerk, in dem er sich viele Jahre später selbständig machte, dabei einen eigenen " Salon " eröffnete und danach eine veritable " Pleite " hinlegte.

Aber zuvor mimte Uwe W., der vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich war, den " Disk - Jockey " im " Nautic ". So richtige Ahnung von der einstigen Musikszene jener Ära hatte er nicht. Seine " wilde " Mischung aus gängigen Hitparaden - Songs und Hardrock - Titeln, die er alsdann auf meinen Wunsch abnudelte, ließ denn auch durchblicken, dass seine Kenntnisse nicht unbedingt tief greifend waren. Dennoch: Die Samstage, an denen es mir und meiner Schwester gelang, eine Erlaubnis zum Besuch der Steinberger Disco den eher konservativ eingestellten Eltern abzuluchsen, hatten ein besonderes Flair. Was von dem aufgesuchten Tanzlokal " Nautic " nicht unbedingt behauptete werden konnte.

Die Musikanlage war zum Abgewöhnen. Völlig übersteuerte Boxen ließen einen Klangbrei auf die Tanzfläche wabern, der die Bezeichnung Musik wohl eher nicht zu lässt. Mit heutigen Technik gehört, würden mir die Stücke von damals tatsgewiss heftige Ohrenschmerzen zubereiten. Wenn Uwe W. dann noch seine eigenen Liedchen herunter spielen ließ, gab es für mich nur einen Gedanken: Bloß weg aus dem Umfeld der eher kleinen Tanzfläche.

In besonderer Erinnerung habe ich noch, wenn er die Adaption des " CCR " - Songs " Proud Mary " in der Version der damaligen Eheleute Ike & Tina Turner herunter plärren ließ. Es war nicht nur das übersteuerte Gequäke der in dem Lied eingebetteten Bläsersets, sondern auch das monoton klingende Gegurgel des talentfreien Ike Turner, dass mich aus der Haut fahren ließ. Ich flüchtete sofort in das Foyer des Etablissements und rettete mich damit von dem Betrachten eines eher seltsamen Schauspiels, welches gerade bei dem Turner - Lied ein beinahe " must have " hervor zu bringen schien. Es schien nahezu das immer wieder kehrende Ritual zu sein, was nicht nur mich, sondern auch meine einstigen Bekannten zum Dauergrinsen brachte.

Kurz nachdem der sie prügelnde Ehemann Ike Turner seiner Angetrauten mit einem lang gezogenen " rooooooooooooolin´" quasi das vorläufig letzte Wort des " Proud Mary " - Textes gestohlen zu haben schien, setzten die Nerv tötenden Bläser in diesem verhunzten Lied ein. Wie auf Kommando rissen mindetens zwei bis drei Dutzend langhaarige Dorfpomeranzen ihre Streichholz - Ärmchen in die Höhe, ließen die mehr als Schulter lang gewachsenen Haare wild durch die stickige Diskotheken - Luft wirbeln und kreisten mit ihren 34er bis 38er - Körper, die Hüften unkontrolliert schwingend über das " Tanz - Parkett ". Der DJ riss dazu die Anlage bis zum Anschlag auf und die schon scheppernden Lautsprecher schienen die Wandverankerung umgehend verlassen zu wollen, um sich alsdann auf dem Fußboden liegend für immer zu verabschieden.

Es herrschte ein infernalischer Radau im " Nautic ", der flugs von der kreischenden Reibeisenstimme der Turner jäh beendet wurde. Der gesamte Spukus hörte sich so an:


Boah, mich graust es heute noch, wenn ich an jenes Erlebnis, dass sich nahezu jeden Samstagabend wiederholte, zurück erinnert werde.

Nun, die Diskothek " Nautic " hat längst das Zeitliche gesegnet. An das später herunter gekommene Gebäude bin ich letztmalig irgendwann in den letzten 1980ern vorbei gefahren. Dort wucherte Gras und wildes Grün im Eingangsbereich. Von dem nur sehr kurzen Glanz jener Disco- Ära war nichts mehr zu erkennen.

Und dennoch erinnere ich mich auch heute noch an jene Disco - Phase, die ich ohne Auto und alledem flugs hinter mich brachte. Ach, ja, an einem Samstagabend brachte ich einige eigene Vinylscheiben mit und übergab sie dem Ex - Schulkollegen Uwe W. Und der legte dann auch " Grand Funk Railroad " mit " Inside Looking Out " von der " Live " - LP auf. Der Krach war genauso infernalisch wie bei den Turners - allerdings tanzten keine Dorfschönheiten dazu. Warum eigentlich nicht?

 



    The End:


 



      



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