Aber, aber, Herr Bürgermeister!


Im Leben eines Durchschnittsbürgers können eine Vielzahl von Ereignissen schon mal die Frage aufwerfen, ob die Normalität ein nahezu unerreichbares Ziel darstellt oder der Wahnsinn des Alltags immer weiter Platz greift. Was dabei normal, was anormal ist, lässt sich freilich nicht immer mit Bestimmheit erklären.

Gehört es zum normalen Alltag, wenn sich in der Schlange vor einer Kasse ein besonders eiliger Kunde einfach vordrängelt und damit die weiteren Wartenden verärgert oder es sogar zum Streit kommt?

Zählt das Rechtsüberholen auf der Autobahn und anschließende knappe Einscheren vor dem eigenen Fahrzeug zur Normalität?

Ist es üblich, wenn sich zwei Verkehrsteilnehmer nach einem Beinahezusammenstoß wechselseitig auf das übelste beschimpfen, beleidigen, ja, vielleicht gar körperlich attackieren?

Nun, einen derartigen Fall erlebte der zurzeit amtierende Bürgermeister der Gemeinde Eching vor zirka 3 Jahren. 

Herr T. fuhr mit seinem Fahrrad am idyllisch gelegenen Echinger See, der neben dem Hollener See, zum Naherholungsbereich der Gemeinde zählt. Das Befahren der dortigen Zuwegungen ist - mit Ausnahmen - untersagt. Es befinden sich entsprechende Verkehrszeichen an sämtlichen Feldwegen.

Weil aber auch Autofahrer die Bequemlichkeit bevorzugen und möglichst nah an dem gewählten Ziel gelangen möchten, kam es an jenem Tag im August vor 3 Jahren zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem amtierenden Echinger Bürgermeister T. und einem zunächst hinter ihm fahrenden PKW - Lenker.

Die daraus folgenden Konsequenzen lesen sich zwar wie eine Provinzposse, sind aber leider der Alltag in diesem, unserem, Auto freundlichen Lande.

Ob nun der PKW - Fahrer mit seiner Behauptung, der Herr Bürgermeister T. habe sein Fahrrad absichtlich in sein Heiligtum gelenkt oder ob es nicht eher so war, dass der SUV - Lenker seinen Panzer - artiges Gefährt an den radelnden Bürgermeister T. gefahren hat, musste später dann eine Zivilkammer des Landgerichts in Landshut klären.

Zuvor aber stellte der Bürgermeister der Gemeinde Eching einen Strafantrag gegen den SUV - Fahrer ( wohl wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung ). Das Ermittlungsverfahren gegen den Autofahrer wurde eingestellt.

Anschließend reichte der Autofahrer gegen den Bürgermeister bei dem zuständigen Landgericht Landshut ein. Er begehrte den Ersatz für den angeblich von dem radelnden Bürgermeister an seinem liebsten Freund verursachten Schaden in Höhe von etwa 4.000 €. Der Bürgermeister T. ließ sich auch nicht lumpen und verlangte seinerseits von dem handgreiflich gewordenen Automobilisten Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von etwa 3.000 €.

Nach mehr als 2 Jahren hat nun die 4. Zivilkammer des Landgerichts Landshut ein Urteil gegen den Bürgermeister T. abgesetzt. Hiernach muss er dem Autofahrer den nachgewiesenen Schaden an seiner Heiligen Kuh im vollen Umfang ersetzen. Bürgermeister T. indes erhält nur das bei der körperlichen Attacke des SUV - Fahrers beschädigte Hemd in Höhe von 50 € ersetzt.

https://www.merkur.de/lokales/freising/eching-ort28614/eching-buergermeister-am-krawattl-gepackt-ueberraschendes-gerichtsurteil-13846948.html

Soweit, so schlecht für den Bürgermeister.

Ob dieser gegen das Urteil nun Berufung bei dem Oberlandesgericht in München einlegen wird, steht nun auf einem anderen Blatt. Das Landgericht Landshut indes hat dem - nur als Privatperson - agierenden Bürgermeister indes eine grobe Fahrlässigkeit attestiert, denn dieser hätte sowohl die mutmaßliche Kollision und den daraus resultierenden Streit dadurch verhindern können, dass er einfach den Weg für den Autofahrer durch das Einhalten des Rechtsfahrgebotes frei gibt und diesen ein Überholen ermöglicht.

Nun, Herr Bürgermeister T. war anderer Ansicht und gab sich in dem entbrannten Zwist denn zunächst als ein solcher aus, wohl um den rabiaten SUVler zur Räson zu bringen. Es half jedoch nichts, der Autofahrer soll den Amtmann - so dessen Behauptung - zu Boden gebracht haben. Dieser bestreitet ein solches Verhalten jedoch; räumt aber ein, den Bürgermeister T. " am Krawattl gepackt " zu haben.

Wie dem auch gewesen sei, Bürgermeister T. hat sich keinesfalls im Amt gefunden, denn er war als Privatmann mit dem Fahrrad unterwegs. 

Für uns Juristen dürfte hierbei interessant sein, warum die Zivilklage dennoch vor dem Landgericht landete? Tja, ein Blick in die einschlägigen Normen der Zivilprozessordnung kann dazu Erhellendes aufzeigen. Wenn die Klage des Autofahrers lediglich seinen vermeintlichen Schadenersatzanspruch umfasst hätte, wäre zunächst das Amtsgericht in Freising zuständig gewesen. Die eingerichtete Klage gegen den radelnden Bürgermeister belief sich zunächst auf zirka 4.000 €, womit der Zuständigkeitsstreitwert eiens Amtsgerichts von bis zu 5.000 € längst nicht überschritten war. Nun kann es aber sein, dass der klagende Autofahrer bzw. dessen Rechtsanwalt davon ausgegangen ist, dass der Bürgermeister als Amtsperson in der Auseinandersetzung verwickelt gewesen sein könnte, womit nach den Vorschriften des Gerichtsverfassunggesetzes ( GVG ) die Zuständigkeit in diesem Streit bei dem Landgericht Landhut läge. Möglich ist aber auch, dass nach der im Zivilverfahren von Seiten des Bürgermeisters erhobenen Widerklage über ungefähr 3.000 € ein Zuständigkeitswechsel erfolgte, weil die beiden Streitwerte dann kumulativ gesehen mehr als 5.000 €, nämlich in etwa 7.000 € betragen haben. 

Wie dem auch gewesen sein mag, die Einzelrichterin bei dem Landgericht in Landshut urteilte nun zu Gunsten des SUV - Fahrers. Womit der Herr Bürgermeister hatte auch die Verfahrenskosten zu tragen hätte. Und diese gedachte er der Allgemeinheit, also der Staatskasse, übertragen zu können. Doch dabei hatte er nicht mit dem vehementen Widerspruch seiner politischen Gegner gerechnet. Diese sträubten sich dagegen und ließen alsdann über die Staatsanwaltschaft in Landhut schweres Geschütz auffahren. 

Es erfolgte eine Strafanzeige gegen den Bürgermeister T. aus Eching und infolge derer die Staatsanwaltschaft das große Besteck heraus kramte und mit satten 50 Polizeibeamten das Echinger Rathaus aufsuchten. Das Medien - Echo war entsprechend groß. Ob dem wacker für recht und Ordnung in seiner Gemeinde streitenden Bürgermeister ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden kann, steht indes in den Sternen. Fakt dürfte lediglich sein, dass der Bürgermeister sich zwar auf der Heimfahrt von seinem Dienstort, dem Echinger Rathaus befunden hatte, doch sein mutmaßliches Einschreiten gegen den SUV - Fahrer mitnichten eine Diensthandlung war.

Will heißen: Aber, aber, Herr Bürgermeister! Wer wird denn gleich den Rambo, den Judge Dredd oder den sich immer im Dienst befindlichen Amtmann spielen? Greife lieber zum Handy, Kuli und / Oder Papier und schreibe das Kennzeichen des wohl verbotswidriger Weise den Feldweg zum See befahrenen PKW auf. Alles andere erledigt alsdann dein Freund und Helfer.


OS MUNDI  -  Isn´t It Beautiful  -  1971:


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