Geldhahn zugedreht?



Tag fünf unseres Urlaubsvertretungs - Hundebetreungsexperiments. Es funktioniert bislang ordentlich. Okay, die Fahrerei von Eching nach Oberschleißheim und zurück ist nicht unbedingt erforderlich, denn wir könnten uns einfach o aufteilen, dass jeder von uns einen separaten Haushalt führt. Nur: Gemeinsames Essen ist ein wichtiger sozialer Faktor im Leben eines Menschen, denn dabei spielt die Kommunikation eine große Rolle.

Soweit, so bekannt.

Also treffen wir hier eine Sowohl - als - Auch - Entscheidung. Wir verbringen mehr als die Hälfte des Tages in dem Haus der irisch - deutschen Familie und trennen uns dann irgendwann am Abend. Somit bekommen Katzen und Hunde die gleichen Anteile an Aufmerksamkeit. Die Hunde - Ausführ - Spaziergänge erledige ich indes allein. Meine bessere Hälfte hat noch Probleme nach einem vor einigen Tagen erfolgten Zahnarztbesuch. Der Weißkittel hatte ihr dann doch einen der noch vielen Zähne ziehen müssen. 

So hole ich mir am frühen Morgen die beiden Hundeleinen vom Aufhänger und auf geht´s in die grüne Natur. Dabei führt mich der Gang sofort an die beiden vor liegenden Nachbargrundstücke. Hier standen einst, also ab den späten 1970er Jahren, beinahe gleichförmig aussehende Flachdachbungalows. Diese wurden, obwohl die Grundstücke durchaus opulente Abmaße aufweisen und mit 850 m² Gesamtfläche für die hiesigen Verhältnisse als nahezu unbezahlbar anzusehen sind, in Reihenhausform erbaut.

Nun, die Jahre, die Jahrzehnte vergingen, die einstigen Eigentümer wurden älter, die Folgegeneration wurde erwachsen und " flügge " und verließ - wie es nahezu überall in diesem, unserem Lande, nicht ungewöhnlich ist, das Elternhaus. Zurückblieben die Eltern, dann Großelter und sogar die Urgroßeltern. Manche von ihnen erreichten das hohe Alter von 90 und mehr, ehe sie verstarben. Das Anwesen war ab dann unbewohnt und " gammelte " vor sich hin. Die hier vor Ort bestehende, durchaus üppige Natur, holte sich ihre Flächen sukzessive zurück. Pflanzen, Büsche, Bäume überwucherten das Areal und bildeten ein Dickicht, eine ab März bis Oktober bestehende grüne Wand.

Auch der Bungalow rottete vor sich hin. Die Fassaden verschmutzten, die Fenster erblindeten, die Dächer zeigten undichte Stellen. Es wurde Zeit, die Frage nach einem erforderlichen Verkauf zu lösen. Einige näherten sich diesem Entschluss nur zögerlich, andere hatten mit Erbstreitereien zu kämpfen. Die beiden Nachbargrundstücke blieben deshalb über viele Jahre hinweg unbewohnt.

Gut, für Menschen, die es eher in die zirka 8 Kilometer entfernt liegende Millionenstadt München hin zieht, ist die Gemeinde Oberschleißheim eher Provinz. Dieses, obwohl hier verkehrstechnisch hervorragende Anbindungen bestehen. Deshalb zieht es die an eine Stadt gewöhnten Menschen garantiert hier nicht hin.

Am Immobilienmarkt gilt aber dennoch der Grundsatz des dreifachen Lage als Kriterium zur Ermittlung des Grundstückspreises. Und eben jener Grundsatz bestimmt auch hier den Preis.

 Und dieser Grundstückspreis ist - weil es dem Freistaat Bayern seit etwa 3 Dekaden sehr gut geht - in die Höhe geschnellt. Wer im all wissenden Internet über Tante Google hierzu eine Abfrage startet, dem wird es schwindelig. 

https://www.immowelt.de/immobilienpreise/bl-bayern/grundstueckspreise


https://de.statista.com/statistik/daten/studie/322290/umfrage/preisentwicklung-fuer-bauland-in-bayern/


Hierbei handelt es sich um statistisch erfasste Durchschnittspreise. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass diese, je näher sich das Objekt an der Landeshauptstadt befindet nahezu explosionsartig nach oben verändern. " Oah, Woansinn ! ", würde der Bayer sagen.

Und dieser Wahnsinn hat auch in dem beschaulichen Oberschleißheim eine erkennbare Methode. Die Tendenz, innerhalb derer sich Mittelstandsbürger, deren Einkünfte knapp die sechsstelligen Bereiche erreichen, in schöner Einfältigkeit aus dem sündhaft teuren München verabschieden, um eine akzeptable Wohnung oder gar ein bezahlbares Eigenheim zu finden, ist seit mehr als einer Dekade ungebrochen. Wenn Netto -  Kaltmieten von 2.000 Euro und mehr für eine knapp 80 m² große Wohnung in der Landeshauptstadt München schon längst keine Besonderheit darstellen, treibt es nicht wenige aus dem Mieten - Würgegriff heraus in die Provinz. 

Da werden gerne Anfahrtszeiten von bis zu einer Stunde und darüber hinaus in Kauf genommen, wenn die Unterkunftskosten statt 40 % des Nettoeinkommens, nur 25 bis 30 % betragen. 

Diese Entwicklung, die sich durchaus als Gentrifizierung klassifizieren lässt, hat auch die leicht verschnarchte Gemeinde Oberschleißheim voll erfasst. 

Nun, als ich mit den beiden zu hütenden Hunden an die beiden benachbarten Grundstücke entlang schritt, kamen mir jene Gedanken wieder in den Sinn, die um die Historie der beiden Anwesen kreisten. Vornehmlich dachte ich daran, dass jene Grundstücke mittlerweile 1,2 Millionen Euro kosten sollen. Dem " Normalo ", den einfachen Berufstätigen schreckt jene Zahl mit sieben Ziffern schon beim Aussprechen ab. Wenn er es überhaupt in seinem befristeten Dasein auf diesem, unserem Planeten, zum Erwerb einer Immobilie schaffen sollte, dann allenfalls in einem Rahmen, der vielleicht ein Drittel bis maximale die Hälfte jener Summe. Und auch dabei wird eine Finanzierung schon zu einem Balanceakt. Hier darf reinweg gar nichts geschehen, dass sich auf das Finanzierungsmodel auswirkt.

So gilt denn auf dem Sektor des Immobilienmarktes der schwäbische Grundsatz des: " Wer nichts erheiratet und nichts ererbt, bleibt ein armer Hund, bis das er sterbt! "

Doch auch dann, wenn einer jener Faktoren der Vermögensmehrung eintrifft, bleibt der Erwerb einer Immobilie oft ein unerfüllter Wunsch. Und just dieses war in dem unmittelbar benachbarten Hausgrundstückskauf der Fall. Eine vierköpfige Familie mit akademischen Hintergrund beabsichtigte das Objekt zu erwerben. Es wurde ein notarieller Kaufvertrag abgeschlossen. Es wurden Gespräche mit einem kleineren Bauunternehmer geführt und es wurden Pläne entworfen, die das Grundstück in einem tatsächlich bewohnten Zustand bringen sollten. Das war vor zirka 2 Jahren. Dann schlug auch hier Tante " Corona " zu und warf jenes Projekt über den Haufen.

Das bei der Bank dargestellte Eigenkapital in Gestalt eines Hausgrundstücks konnte nicht realisiert werden. Will heißen: Das eigene Objekt wurde nicht verkauft. Die Finanzierung brach damit in sich zusammen. Aus der Traum! Der Kauf musste rückabgewickelt werden.

Das zweite Grundstück schien indes von einem solventeren Käufer erworben zu sein. Hier legten die neuen Eigentümer sofort los. Eine Abbruchfirma erschien mit dem großen Besteck, nämlich Bagger, Raupe und zwei LKW. Dann krachte und staubte, knallte und knirschte es ordentlich. Binnen weniger Tage war von dem Flachdachbungalow nichts mehr zu sehen. Hinter dem Metall - Bauzaun waren nur noch Fragmente zu sehen. Versorgungsleitungen ragten aus der Bodenplatte heraus, Schutthaufen verteilten sich auf dem Areal und Holzelemente ließen nur noch erahnen, was dort seit den späten 1970er Jahren dort gestanden hatte.

Dabei blieb es aber auch. Seit Monaten herrscht auf der Baustelle nahezu Totenruhe. Die zurück gelassenen Schutthaufen, die Holzteile, die heraus gerissenen Versorgungsleitung und eine verrostete Baggerschaufel liegen dort herum. Es tut sich nichts mehr auf dem Millionen - Grundstück. Wie es dort noch weiter gehen soll, bleibt nebulös. Vielleicht ist auch diesen Käufern das Geld ausgegangen? Wenn die Bank den Geldhahn zudreht bleibt eine Abrissruine zurück. Da mögen die Grundstückpreise noch weiter in die Höhe schnellen. Wo kein Geld fließt, gibt es auch keine Käufer.

     

  DRAGONWYCK  -  Vision  -  1970:





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