Der schwarze Mann auf der Parkbank


Letzte Nacht und letzter Tag meiner Mission " Haus - Hunde -Hüten " im beschaulichen Oberschleißheim. Dort, wo sich ab 22.00 Uhr für gewöhnlich Fuchs, Hase und Igel eine " Gute Nacht " sagen. Ich ging hatte keinen guten Schlaf, denn zwei hinter einander aufkommende Gewitter ließen es ordentlich krachen und blitzen. Da blieb kein noch so müder, vor sich hin alternder Körper, im Koma. Als der Morgen graute, war ich wie gerädert ( aber noch nicht gevierteilt ). Gnadenlos winselte der unerzogene Labradoodle vor der Badezimmertür. Es war kurz vor 6.00 Uhr - genauer gesagt: 5. 52 Uhr!

Ich quälte mich aus dem Bett und stieß einige Verwünschungen in Richtung des Köters aus. Dabei wurde mir klar, dass es ja zum letzten Mal war, weil die sich auf der Rückfahrt vom schwedischen Stockholm befindliche Hauptfamilie in einigen Stunden wieder vor Ort sein würde.

Also zog ich mich an, schloss die Tür auf und wurde bereits freudigst empfangen. Die beiden Hunde wollten ihren Morgenspaziergang antreten. Ich entschloss mich, die mit gebrachten Gummistiefel anzuziehen. Zudem war dieses Mal ein Shirt mit einem langen Arm de richtige Wahl, denn es war über Nacht empfindlich kühl geworden.

Na, denn: Leinen los ließ ich die beiden Hüte - Hunde aus der Tür nach draußen stürzen. Wir überquerten die Straße in Richtung Kleingartenanlage. Nach einigen Hundert Metern blieb " Frodo ", der Labradoodle - Rüde plötzlich stehen und begann leicht zu knurren. Er hatte was gesehen und bemerkt, was ich noch längst nicht wahr nehmen konnte: Auf einer zirka 100 Meter entfernt stehenden Parkbank saß ein Mann. Er war - wie ich dann erkennen konnte - dunkel gekleidet, hatte einen Wanderrucksack auf seinem Rücken und sah irgendwie herunter gekommen aus.

Ich sprach ihn an und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er antwortete mir in einem östlich klingenden Dialekt. Ich verstand seine Worte zwar nicht, sah aber, dass es ihm wohl nicht so schlecht ging, wie ich es vermutete hatte. Beim Vorbeigehen fragte ich mich, ob er in dieser kühlen Nacht auf der Parkbank wohl geschlafen haben könnte. Auch sonst versuchte ich mir zu erklären, was dieser dunkel gekleidete Mann wohl in Oberschleißheim macht? Vielleicht war er obdachlos. Zudem arbeitslos? Möglicherweise gehörte er zu den Zehntausenden von osteuropäischen Wanderarbeitern, die ab dem Frühjahr bis Sommer als Erntehelfer irgendwo im ländlichen Raum tätig sind, dabei soviel Geld verdienen, um die Familie und sich bis zum kommenden Jahr über die Runden zu bringen.

Es sind Männer aus Rumänien, Bulgarien oder auch Georgien, die dann - unter beinahe abenteuerlichen Umständen - mit Kleintransportern jene 1.500 Kilometer und mehr auf sich nehmen, um in Deutschland und seinen Nachbarländern arbeiten zu dürfen. Sie werden dabei nicht nur ausgebeutet, sondern zudem wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Hierüber gibt es eine Vielzahl von Dokumentationen, Berichtern, Artikeln, die die Medien längst veröffentlicht haben.

Ich ging mit den Hunden zurück. Wir hatten unseren Endpunkt des all morgendlichen Gangs erreicht. Als wir an die Stelle gelangten, an der sich die Parkbank befand, saß der dunkel gekleidete Mann immer noch dort. Die beiden Hütehunde interessierten sich längst nicht mehr für ihn. Sie liefen einfach weiter. So, wie es die Menschen auch vor machen, wenn bald die organisierten Bettler - Gruppen die Innenstädte aufsuchen, um in der Vorweihnachtszeit mit ihrer Anwesenheit, dem herunter gekommenen Aussehen und dem aufgesetzten, nahezu flehentlichen Blick, um ein paar Euro - Münzen bitten.

Nach dem Passieren des dunklen Mannes auf der Parkbank, der mich nicht mehr ansah, weil er sich vielleicht schämte, erinnerte ich mich an ein Gespräch mit einem ehemaligen bekannten aus der Nähe von Bremen. Er hatte einst einen Blumenhandel und ging damit pleite. Eine seiner Mitarbeiterinnen stammte aus Bulgarien. Sie wurde in einem armseligen Kaff in der Nähe von Varna am Schwarzen Meer geboren. Sie heiratete später einen deutschen Mann, den sie dort irgendwo an den Stränden kennen gelernt hatte und zog mit ihm nach Deutschland. Ihr Mann hatte einen relativ gut bezahlten Job und dennoch konnte sie sich keine Heimfahrten zu ihren noch in Bulgarien lebenden Eltern leisten. Aber, sie führte nach der Eheschließung ein wesentlich besseres, ein materiell abgesichertes Leben.

Die gebürtige Bulgarin erzählte nun meinem damaligen bekannten, dass das Leben, die Lebensführung also, in ihrem Heimatland wesentlich günstiger sei. Nach der hin gelegten Pleite und nach Abschluss des eingeleiteten Insolvenzverfahrens traf ich den Bekannten irgendwann wieder. Er war mittlerweile Rentner und bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er schilderte mir in unserem Gespräch, dass er den Plan habe, nach Bulgarien auszuwandern. Ich schaute ihn dabei eher ungläubig an und erklärte ihm, dass dieses in meinen Augen blanker Unsinn sei. Dabei schilderte ich ihm, was ich über das osteuropäische Land erfahren hatte. Dort gibt es immer noch Dörfer, die über keine Energie - und Versorgungsleitungen verfügten und deren Bewohner noch wie vor der vorletzten Jahrhundertwende lebten. Er schaute mich nur ungläubig an.

Der Bekannte ließ seinen gehegten Plan lieber fallen und lebt immer noch in der Nähe der Hansestadt Bremen. Damit hatte er sich jene Erfahrungen ersparen können, die der dunkle Mann auf der Parkbank in Oberschleißheim machen musste.

   


T 2  -  Timothy Monday  -  1971:





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