Balkan - Gedudel

Die letzten Tage des achten Monats im Jahre 2021 sind gezählt. Langsam, aber sicher, verabschiedet sich der " Katastrophen " - Sommer von diesen 12 Monaten, um - hoffentlich - nicht wieder zu kehren. Noch sind in einigen Bundesländern Schulferien, so dass es auch hier vor Ort, bei uns im Freistaat, etwas beschaulicher zugeht. 

Das gilt auch für die beiden Großbaustellen in der Gemeinde, die ihr Aussehen seit unserem Zuzug vor knapp 2 1/4 Jahren ständig verändert haben. Es geht nur sehr beschaulich voran. Was aber nicht nur für die Vergabe der weiteren Grundstücke des Geländes Eching - Ost gilt. Bei den ersten vier Reihenhäuserzeilen konnten zwar die Innenarbeiten beginnen, doch diese scheinen offensichtlich wiederholt ins Stocken geraten zu sein. Das kann, muss aber nicht zwingend, an dem Arbeits - respektive Fachkräftemangel liegen. Ein gerüttelt Mass an diesem Zustand dürfte auch die weiterhin grassierende " Weltseuche " haben, die so manchen Wirtschaftszweig arg beutelt.  

Wohl auch deshalb blieb es auf der Baustelle visavis seit Juli sehr ruhig. An einigen Tagen waren keine oder nur wenige arbeitende Männer dort zu sehen. Allerdings gab es Wochenenden, an denen plötzlich reges Treiben auf einigen Grundstücken und in ein paar Gebäuden zu sehen, vornehmlich aber zu hören, war. Da wurden Materialien geworfen, so dass das Metall ordentlich schepperte. Dann war ein über Stunden andauerndes, monotones Brummen, Summen und Kreischen zu hören. Hinzu kam endloses, fremdländisches Gesabbel. Dieses wiederum wurde von lautem Gelächter, Gebrülle und weiteren Geräuschen unterbrochen.

Was allerdings Nerv tötender war, kam aus einem Radio - und Kassettengerät, welches unaufhörlich gleich klingendes Gedudel in einer schier unerträglichen Lautstärke in die Gegend absonderte. Es handelte sich dabei um Klänge, die für einheimische Ohren nahezu als ununterbrochener Klangbrei einzuordnen waren; somit eine beinahe an Körperverletzung grenzende Geräuschbeeinträchtigung darstellten.

Am späten Samstagnachmittag war dann der Spuk vorüber. Wie von Geisterhand gesteuert blieb es mucksmäuschenstill und dieser Zustand hielt dann über einige Wochentage danach an. Das nahezu Unerklärliche ließ sich im Nachgang aber durchaus erklären. Bei der Radau - Truppe, die von Freitagmittag bis Samstagnachmittag auf den Bauten ihr Unwesen trieb, handelte es sich um Wanderarbeiter, um Arbeitsnomaden, die aus dem Osten Europas, aus Rumänien, Bulgarien, Georgien, oder auch aus den südöstlichen Ländern, wie Ungarn, Kroatien, Serbien oder dem Kosovo heran gekarrt worden waren, um dann als Unterauftragnehmer bestimmte Baugewerke oder Abschnitte fertig zu stellen.

Nun, dass dieses gerade im Baugewerbe üblich ist, dürfte allseits bekannt sein. Auch, dass an Wochenenden sowie vornehmlich in den Ferienzeiten jene - mutmaßlich - als " Schwarzarbeiter " auftauchenden Männer keine Kontrollen zu befürchten haben, ist hinreichend bekannt. So malochen diese Männer vielleicht 10 bis zu 15 Stunden in dieser kurzen Zeit des Wochenendes und entschwinden alsdann im Nirwana des südost - europäischen Raumes auf Nimmerwiedersehen. In dieser kurzen Zeitspanne haben sie indes soviel Geld verdient, dass sie ihre dort lebenden Familien beinahe über einen gesamten Monat versorgen können. 

Während die Kloppertruppe mit der Balkan - Musik hörbar herum werkelte, erinnerte ich mich an die einstigen Mieter des jetzt von uns bewohnten Hauses, die nach einem ähnlichen Geschäftsmodell über mehr als 1 1/2 Jahre ordentlich Kasse machten. Bis, ja, bis, die Steuerfahndung des Freistaats sie aufgriff und später voneinander entzweite.

Jenes gängige Geschäftsmodell, wonach mittels angeblicher Werkverträge, der eine Mensch den anderen Menschen systematisch ausbeutet und dessen Arbeitskraft zu einem Hungerlohn in Anspruch nimmt, funktionierte hier zirka 3 Jahre, dvon die Hälfte der Zeit in unserem trauten heim.

Ein rumänischer Staatsangehöriger gründete zusammen mit seiner kanadisch - rumänischen Ehefrau ein Logistik - und Transportunternehmen, dass für den weltweit fungierenden Logistik - Transport - Paketzusteller DPD als Subunternehmen tätig wurde und hierüber größere Auftragsvolumen abarbeitete. Weil derartige Zustellmengen jedoch weder zu zweit, noch als Ein - Personen - Gesellschaft zu bewältigen sind, ließ sich der Unternehmer einen einfachen, aber durchaus erfolgreichen Trick einfallen. Er orderte über das gleichzeitig von der Ehefrau angemeldete Übersetzungsbüro in seinem Heimatland Rumänien Heler, will heißen: Aushilfsfahrer, die mit einem rumänischen Führerschein seine Kleintransporter lenken durften. 

Nachdem er jene Helfer in dem hier angemieteten Haus für satte 300 Euro pro Monat ein Quartier anbot, konnte dessen Ehefaru einige Dutzend Landsleute dazu bewegen, die von DPD bereit gestellten Fahrzeuge an sechs Tagen je Woche zu bewegen. Die Einnahmen sprudelten durchaus üppig. Das Logistikunternehmen entlohnt seine Mitarbeiter / Subunternehmer mit zirka 2.000 € brutto p.a. zuzüglich Spesen ( Fahrkosten ).

Der rumänische Unternehmer indes zahlte jedem angekarrten Landmann indes als Nettobetrag nur etwa die Hälfte. Davon behielt er - wie oben gesagt - 300 € je Monat für Kost und Logis ein. Den Differenzbetrag strich er für sich ein.

Zeitweise hatte er 6 bis zu 8 Fahrer beschäftigt. Daraus lässt sich eine relativ einfache Kalkulation erstellen. Bei 6 Fahrern je Monat erhält der Unternehmer 12.000 € brutto von DPD. Er entrichtet hierfür weder Sozialabgaben, noch Steuern und kassiert deshalb nach Abzug der an die Fahrer gezahlten 700 € einen Differenzbetrag von 1.300 €. Das macht bei 6 Fahrern immerhin 7.800 € jeden Monat.

Davon ließe sich gut leben!

Nach knapp 2 Jahren kam das zuständige Finanzamt in Freising dem Unternehmer auf die Schliche. Er sollte Steuern nachzahlen. Da er dieses ignorierte, wurde er in der Folgezeit von der Steuerfahndung beackert. es kam, wie es in solchen Fällen immer kommen muss, sein Unternehmen wurde zwangsweise liquidiert. Das ausbeuterische Modell war beendet. gegen ihn liefen diverse Strafverfahren, unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der " Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ". Das hinterlegte Mietdeponat sollte gepfändet werden, um die ausstehenden Steuern beizutreiben. Der unaufhaltsame Abstieg des ehrenwerten Unternehmers nahm seinen Lauf.

Doch noch vor dieser Zeit gab dieser sich gegenüber seinen Landleuten, die er systematisch ausbeutete und nach zirka 3 Monaten wieder zurück in die Heimat Rumänien verfrachtete, um dann neu " frische " Mitarbeiter mitzunehmen, spendabel. Er organisierte jeweils zum Abschiede ein Garten - Grillfest. Dort wurden auf bekannte Weise heimische Speisen zubereitet und kredenzt. Zur Untermalung lief ein Kassettenabspielgerät mit rumänischer Folklore und schmalzigen Popsongs in der Landessprache. Die Lautstärke war nahezu unerträglich. Ein Nachbar hielt das " Balkan - Gedudel ", wie er es uns gegenüber in einem Gespräch benannte, nicht mehr aus.

Er ging zum Ort des Geschehens und fragte höflich nach, ob diese Musik nicht leiser gestellt werden könne. Die kanadisch - rumänische Ehefrau, die auch ausreichend Deutsch verstand,setzte seine Bitte sofort in die Tat um und stellte das schier unhörbare " Balkan - Gedudel " leiser.

Diese Möglichkeit hatten wir vor einigen Wochen leider nicht. Dafür war die Lärmbelästigung aber auch zu gering.

" Manele ", so heißt das Gedudel:   


       





Boah, darauf wieder richtige Musik:


SLEEPY SUN  -  Freedom Line  -  Fever  -  2010:





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!