" Dann hab Ich die Blinkers so schnäll nach Links gesätzt! " oder: Wie ein Rekrut aus Essen - Kray die Regeln von Konrad Duden auslegte.


Beim Schreiben des Blogs über den juristischen Erfolg der " GRÜNEN " - Politikerin Renate Künast, erinnerte ich mich an ein Ereignis aus den 1970er Jahren, von dem ich nur über meinen inzwischen verstorbenen Bruder erfuhr. Es hat - selbst bei etwas großzügiger Auslegung - mit dem kommentierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem Fall der Bundespolitikerin, nur sehr bedingt hiermit zu tun. Aber, es ging schon einst, so vor knapp 45 Jahren um mangelhafte Rechtschreib - oder sogar Deutschkenntnisse ( wobei das eine Manko, das andere eventuell abdeckt ).

Mein Bruder hatte zusammen mit mir im März 1976 das Fachabitur an der Fachoberschule für Wirtschaft in der schaumburger Kreisstadt Stadthagen abgelegt. Beide nicht glänzend, weil mit einem Notendurchschnitt von 3, aber eben erfolgreich.

Das reichte alle Male, um sich für einen BWL - Studienplatz in der BRD zu bewerben und auch später einen solchen zu ergattern. 

Das lief denn ab Sommer 1976 für mich so ab; für meinen Bruder hingegen hieß es erst einmal die Wehrdienstzeit beim Bund abzureißen. Die wurde zwar ab 1973 von 18 Monaten Grunddienst auf 15 Monate verkürzt, aber mein Bruder entschied sich, so wie ich davor, ab Juli 1976 als Soldat auf Zeit zu einem zweijährigen Dienst. Er wurde zu einer Einheit nach Albersdorf einberufen und versah seinen Dienst danach in der " Schill - Kaserne " in Lütjenburg, einer Kleinstadt im Landkreis Plön ( PLÖ ), 35 Kilometer von der Landeshauptstadt Kiel entfernt. 

Der Bundeswehrstandort liegt zirka 351 Kilometer von Bad Eilsen entfernt. Heutzutage wird eine Fahrtzeit von etwas mehr als 3 1 /2 Stunden eingerechnet. Nun, vor mehr als 4 1 / 2 Dekaden waren es mit dem R 4, den auch mein Bruder fuhr, mindestens 4 Stunden, denn das französische Vehikel brachte es " nur " auf eine Höchstgeschwindigkeit von 123 Km/h.

Doch mein Bruder kam mit dem sehr, sehr einfach ausgestatteten PKW immer wieder unversehrt in Bad Eilsen und in Lütjenburg an. Verkehrssicher war der neue Kleinwagen immer. Weil mein Bruder bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit von dem öden Bundeswehrdienst in der Kaserne im Hohen Norden reiß aus nahm und zu seiner - zu jener Zeit noch - Freundin " nach Hause " fuhr, schrubbte er in den zwei Jahren BW - Zeit mehr als 70.000 Kilometer ab.

Eines Tages, es war im Frühjahr 1977, war mein Bruder in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der Sachschaden war nicht hoch, wohl aber der Unterhaltungswert, der diesem Ereignis folgte. Der Unfallverursacher war ebenfalls Soldat. Er war Wehrpflichtiger in der selben Kaserne. Beim Ausfahren von einem Parkplatz in der Nähe der Kaserne übersah dieser den heran nahenden R4 meines Bruders und touchierte diesen an der Fahrerseite im Bereich des Kotflügels. 

Diesen Bagatellschaden wollten sowohl der Unfallverursacher, der einen schon recht betagten Ford Taunus TC mit einem Essener Kennzeichen fuhr, als auch mein Bruder nicht polizeilich aufnehmen lassen, obwohl die Versicherungsbedingungen dieses vorschrieben, sondern tauschten nur die Anschriften, sowie Kfz - Kennzeichen sowie die Versicherungsadressen aus. 

Mein Bruder schrieb dann die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers an und erhielt bald einen Schadenbogen zugesandt, den er ausfüllte und den Verkehrsunfallhergang schilderte. Die Sachlage war eindeutig. Der Essener fuhr mit seinem PKW auf eine Vorfahrt berechtigte Straße ein und hätte den R4 meines Bruders passieren lassen müssen. Soweit, so gut und vormals jedem Führerscheininhaber bekannt.

Da dem Essener Soldaten eine Höherstufung in seinem persönlichen Schadenfreiheitsrabatt, also ein teurere Versicherungsstufe drohte, schrieb er einen Brief an meinen Bruder, um ihn dazu zu bewegen, den Schaden nicht seinem Versicherer zu melden. In einem ungelenkt ausformulierten Schreiben behauptete er zudem, er habe rechtszeitig seine Absicht, in auf die Ausfahrtstraße zu und von der Kaserne einbiegen zu wollen, durch das Setzen des Blinkers angezeigt. Mein Bruder habe dieses eigentlich sehen können. Der Brief war nicht nur unbeholfen formuliert, sondern in jedem Satz wimmelte es nur so von Rechtschreibfehlern. 

So schrieb der aus Essen - Kray kommende Soldat unter anderem:

" Dann hab Ich die Blinkes so schnäll nach Links gesätzt.... "

Mein Bruder zeigte das Pamphlet seinem damaligen Bekannten " Hennes " B., der uns zufällig besuchte, als auch mir. Wir lachten laut los und so lange, bis uns die Tränen kamen. " Hennes " B. krähte bei jedem gelesen Satz wie ein Hahn los. Nachdem wir uns beruhigt hatten, berieten wir, wie die Angelegenheit elegant beendet werden könnte.

Ich schlug vor, dass mein Bruder zunächst einen Kostenvoranschlag einholt, dann den R4 reparieren lässt und in der Zwischenzeit meinen roten Renault R4 für die Fahrten nach Lütjenburg nutzt.

Gesagt, getan.

Der PKW meines Bruders wurde von mir in die Werkstatt nach Bückeburg gefahren. Dort gab ich einen Kostenvoranschlag in Auftrag, den mein Bruder später bei der gegnerischen Versicherer einreichte, die kurz darauf das Fahrzeug zur Reparatur frei gab. Einige Tage später stand der rote R4 ohne Dellen wieder auf der Feldstraße vor dem Haus der Eltern.

Tja, im Nachgang erinnere ich mich noch daran, dass der Essener Stadtteil " Kray " einst ein so genanntes Arbeiterviertel war. Wie viele Städte und Stadtteile im viel zitierten " Pott " durchlebte Kray einen historischen Wandel mit Beginn der Industrialisierung, vor allem aber, mit dem Niedergang der Kohle und dem " Zechensterben ". 

Der Soldat wurde einst - so wie mein Bruder auch - nicht " heimatnah "  einberufen und später nicht versetzt. Der Essener deshalb nicht, weil er aus Nordrhein - Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, stammte, wo es eben zu viele Rekruten für zu wenige Einheiten und Kasernen gab; mein Bruder deshalb nicht, weil er keinen Bock auf eine Offizierslaufbahn hatte, die er mit dem Fachabitur durchaus hätte einschlagen können.

Der Unterschied zwischen beiden Unfallparteien war indes der, dass mein Bruder die deutsche Sprache in Wort und Schrift gut beherrschte, während sein " Kamerad " aus der gleichen Kaserne eben ein Beinahe - Analphabet war. Allein die Unzahl von grammatikalischen Fehler in seinem Brief zeigte dieses. Die Bundeswehr brauchte aber solche Soldaten, denn deren intellektuelle Fähigkeiten waren äußerst überschaubar. Eine nicht denkende, nicht nachdenkende, eine disponible Masse, um mit ihnen Krieg spielen zu können. 

      

 

SUNYA BEAT  -  Lys Trois  -  Comin´ Soon  - 2006:

 



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