Warum es Heiligabend keine Gerichtstermine gibt oder: Ein Darlehn für den Pferdewirt



Kürzlich saßen wir zum täglichen Brunch am Esstisch und unterhielten uns über Hobbys. Nein, nicht solche mega - outen Leidenschaften, wie das Sammeln von Briefmarken, das von Münzen oder Spielzeugautos von " Matchbox ", sondern wahrhaftig  interessantere Freizeitbeschäftigungen, die nicht nur sehr viel Zeit und Geld, sondern vor allem die zu ihrer Ausübung bestimmte Voraussetzungen verlangen. Dazu gehört zweifelsohne der Reitsport. In diesem Genre kenne ich mich immer noch ein wenig aus. Schließlich war während des ersten Eheversuchs mit einer Freizeitreiterin liiert. Aber, das ist bereits mehr als 3 Dekaden her.  

Schon vor jener, eher überschaubaren Ehezeit, bekam ich es mit dieser Form von Freizeitaktivität auf beruflichem Wege zu tun als nämlich eines Tages - wie damals in dem sozialen Umfeld üblich, ohne einen Gesprächstermin vereinbart zu haben - ein Mann im nicht mehr ganz jungem Alter und eher leicht ärmlich bekleidet in unserem Büro in der " Brunnenstraße " des Bremer Viertels stand.

Er sah ein wenig verzweifelt aus und rang während er von mir nach seinem Ansinnen befragt wurde, sichtlich nach den richtigen Worten. Er habe vom Gericht ein Schreiben bekommen und wisse jetzt nicht, was er tun solle.

" Aha! ", sofort läuteten bei mir die Alarmglocken, weil Post von Gerichten nur in den seltenen Fällen gut Nachrichten beinhalten. Nachdem er mir jenen Gerichtsbrief übergeben hatte, erkannte ich schon bei der bloßen Draufschau, dass es sich um unangenehme Post handelte, die der Mann mir übergeben hatte. " Klage " war auf einer der vielen DIN A 4 - Blätter zu lesen. Wenn dort " Klage " steht, beklagt sich eine dort benannte Partei und behauptet dabei, dass eine andere sich nicht nach den Buchstaben eines Gesetzes gehalten haben könnte        

In diesem Fall sollte der spätere Mandant Geld von den beiden in der " Klageschrift " benannten " Klägerinnen " erhalten haben und dieses trotz einer Aufforderung nicht zurückgezahlt haben. Es ging damals um 12.000 Deutsche Mark. Zum Ende der 1980er Jahre nicht gerade wenig Geld.

Nach dem der " Beklagte ", der Mandant also, mir eine der handelsüblichen Vollmachten unterschrieben hatte, hörte ich mir seine Version zu der " Klage " an. Ja, er habe von den beiden Klägerinnen tatsächlich 12.000 DM erhalten und ja, er sei aufgefordert worden, das Geld zurückzuzahlen. Das könne er aber nicht, denn der Betrag sei für den Kauf eines Pferdes ausgegeben worden. Das Pferd solle ausgebildet und dann später weiter veräußert werden. 

Usw., usf......

Die große Gemeinde der Pferdefreunde und Reiterin sind bekanntlich ein sehr eigenartiges Völkchen. Sie ticken im Vergleich zu anderen Menschen in diesem, unserem, so diversen Lande, deshalb etwas anders, wenn es um den Gaul an sich und den dazu gehörenden Halter noch dazu geht.

So lag dieser Fall vor mehr als 30 Jahren auch. Eine Konstellation innerhalb derer die drei Protagonisten sich von einem Missverständnis in ein anderes hinein trieben, sich darin verstrickten und zudem die Realität ausgrenzten. Wer in diesem manchmal bizarren Konstrukt nun wen über den berühmten Löffel balbieren wollte, spielte jedoch zivilrechtlich keine Rolle. Was das Trio indes verband, war die Suche nach einem festen Platz im Leben, an dem sie ihrem kostspieligen Hobby frönen konnten.

Die mündliche Verhandlung in dem Fall der beiden Pferdefreundinnen - und Hofpächterin aus dem Münsterland, dort wo zu jener Zeit der Unternehmer und Olympiareiter Paul Schockemöhle sein Unwesen treibt, stand bei dem Landgericht Bremen an.

Ich hatte bei dem Fall kein gutes Gefühl. Die von mir hin gerotzte Klageerwiderung und der nur halbherzig ausformulierte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war das Ergebnis meiner sehr skeptischen Einstellung zu jenem Streitverfahren. Jene Gefühlslage ließ mich denn auch nicht los, als ich die Tür zu dem Sitzungssaal der 1. Zivilkammer öffnete und den riesigen Raum in dem alt ehrwürdigen Landgerichtsgebäude in Bremen betrat.

Der Vorsitzende Richter befragte dann die sämtliche Anwesende nach ihren Namen. Er tat dieses in einer schnodderigen, teilweise herablassenden Art. Ich befürchtete bereits hier das Allerschlimmste. Dann aber traute ich meinen Ohren nicht. Die von dem Zivilrichter gewählten Worte klangen wie Glocken zu Weihnachten:

Vorab ergeht folgender Beschluss ", leierte er zu der Protokollführerin herüber. " Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt...? ". Er stockte bewusst, weil ich als Rechtsanwalt keinen Namen an den " Hohen Gericht " hatte. Dennoch ergänzte ich vor Freude " ..... W.... " " ...beigeordnet . ".

Er ließ seine Sätze von der Dame in der schwarzen Robe wiederholen. Dann legte er los: " Herr ...XYZ - gemeint war der Kollege der Klägerseite - " .. das ist ja alles gut und schön, was Sie uns hier zu Papier gegeben haben, aber wo ist der Beweis dafür, dass die eingeklagte Summe auch tatsächlich übergeben worden ist. " Der sichtlich verdatterte Kollege aus einem größeren Büro in der Bremer Innenstadt konterte: " Aber der Beklagte hat ja ein schriftliches Schuldanerkenntnis den Klägerinnen unterzeichnet; mit dem er sich verpflichtet, den Darlehnsbetrag zurückzuzahlen... "

" Ja, dem mag schon so sein, doch, wo, Herr XYZ ist der Nachweis dafür, dass die Summe dem Beklagten auch übergeben worden ist und er diese erhalten hat? ". Der werte Kollege stotterte herum, er wand sich wie ein Aal und versuchte wegen der anwesenden beiden von ihm vertretenen Damen wortreich aus der Bredouille zu ziehen.  Trotzt aller , mit rhetorischen Finessen gespickten Schachtelsätze, die der werte Herr Kollege von sich gab, konnte er das längst in seiner zementierten Bewertung vor uns thronende, mit drei Berufsrichter besetzte Landgericht, nicht umstimmen. Der immer wieder barsch agierende Herr Vorsitzende ließ den armen, ihm natürlich längst bekannten Anwalt aus der Innenstadt - Kanzlei wegen der beiden anwesenden Pferde - Damen noch ein wenig Show spielen, dann donnerte der Vorsitzende der Zivilkammer los: " Wir hatten das hier schon Hunderte Mal, Herr XYZ. Die Klägerinnen müssen darlegen und unter Beweis stellen, dass die genannte Darlehnssumme auch an den Beklagten geflossen ist, Herr XYZ. Sie wissen doch, dass sich dieses aus Paragraf 929 Satz 1 BGB ergibt. Auch ein Darlehnsvertrag, der sich zwar aus dem vorgelegten deklaratorischen Schuldanerkenntnis des Beklagten ergibt, ist darunter zu subsumieren, weil er genauso dem Abstraktionsprinzip unterliegt, Herr XYZ. Ihre Mandantinnen sind hinsichtlich der Erfüllung dieser rechtlichen Bedingungen, die ihre Klage schlüssig machen könnte, beweisfällig geworden, Herr XYZ. "      

Dann kam das für mich schier unfassbare: " Wollen Sie die Klage nicht lieber zurück nehmen? ", entfleuchte es dem Munde des ansonsten mir eher ablehnend gegenüber thronenden Kammervorsitzenden. Ich verstand zunächst nur Bahnhof. Dieses nicht nur deshalb, weil ich beruflich betrachtet noch absolut " Grün " hinter den Ohren war, sondern auch aufgrund der nicht eingebimsten dogmatischen Grundverständnisse zu diesem, unserem, so komplizierten, sehr oft aber einfach zu verstehenden Rechtssystem.

Soll heißen: " Wer Geld hat und / oder böse ist, bekommt immer Recht! "

In diesem Fall war es allerdings nicht der Fall. Der gelernte Pferdewirt hatte zwar kein Geld, bekam jedoch sein Recht; die beiden Hofpächterin aus dem fernen Münsterland indes, sie gingen leer aus. Geld gegeben - Geld verloren. Sicherlich konnten die beiden Damen die Konsequenzen aus ihrer Naivität, die sie bei diesem dümmlichen " Deal " an den Tag gelegt hatten und den damit verbundenen Schaden in Höhe von mehr als 15.000 DM gerade noch verschmerzen, jedoch wird dieses die Beiden nicht davon abgehalten haben, auch künftig " alles Glück der Erde auf den Rücken der Pferde " auch weiterhin zu suchen.

Diese wahre Begebenheit aus meiner anwaltlichen Tätigkeit in der Freien und Hansestadt Bremen kam mir just, also knapp vier Wochen vor Heilig Abend wieder in Erinnerung, obwohl sie sich damals in einer anderen Jahreszeit, in der niemand schon an Weihnachten dachte, abspielte. Ein vorzeitiges Geschenk für Heilig Abend war dieser Fall aber dennoch, denn er spülte in mein chronisch in den Miesen dahin dümpelnden Konto bei der " Commerzbank " sogar die Wahlanwaltsgebühren hinein, die wesentlich höher waren als jene eines " Armenanwalts ", der für die Vertretung des Pferdewirtes sich ins Zeug gelegt hatte.

Recht bleibt dann Recht, wenn die Gerechtigkeit nicht siegt; wohl aber die Dummheit der beiden Pferdefrauen?

      


WINTERSUN  -  Loneliness -  The Forrest Seasons  -  2017:


 


 

   

  

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