Salonsozialist


 

Als ich heute Vormittag die mir seit vielen Jahrzehnten bekannte Rubrik " Nachrufe " in der aktuellen " SPIEGEL " - Ausgabe durchlas, stieß ich auf einen Namen, der mir seit den späten 70ern und insbesondere während der 80er - Dekade nur zu gut bekannt war: Heinrich Hannover.

Der Jurist wurde am 31. Oktober 1925 in Anklam, Kreis Pommern, dem heutigen Bundesland Mecklenburg - Vorpommern als Sohn eines Arztes geboren. Er studierte später Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen, legte das Zweite Staatsexamen am Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen ab und praktizierte danach einige Jahrzehnte als Rechtsanwalt. Heinrich Hannover fungierte dort als Strafverteidiger in einer zusammen mit den Berufskollegen Dr. Reinhold Schlothauer, Erich Joester und Volker Ohm geführten Kanzlei,

Der Strafverteidiger Heinrich Hannover machte sich in dieser Zeit durch eine Reihe von bundesweit bekannt gewordener Prozesse einen Namen. Zudem verfasste er . auch zusammen mit seiner Ehefrau Elisabeth Hannover - Drück, eine Vielzahl von gesellschaftskritischer Literatur, später dann auch Kinderbücher.       

Der Jurist verstarb am 14. Januar 2023 im Alter von 97 Jahren in Worpswede. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Hannover

" DER SPIEGEL " schrieb in einem verfassten Nachruf:

" Ihm gelang der biografische Twist, Ulrike Meinhofs Verteidiger zu sein - und Kinderbuch - Bestsellerautor........ "

- Zitatende - aus: " DER SPIEGEL ", Heft 4 / 2023, S, 117

Einige Zeilen danach, erklärt das Hamburger Nachrichtenmagazin, weshalb die Berufsausübung und die spätere, vielleicht eher als Zweitberuf anzusehende Tätigkeit als Kinderbuchautor keinen Widerspruch in sich darstellen muss: Der Verstorbene sah in dem Verfassen von Kinderbüchern einen persönlichen Ausgleich zu seiner hauptsächlichen Berufsausübung als Strafverteidiger, denn hierin bekam er es alle Male mit der knallharten Lebensrealität zu tun.

Was immer die einst rechtsnational bis konservativ orientierte " Frankfurter Allgemeine Zeitung " in einem einstigen Artikel über den Bremer Strafverteidiger im Zusammenhang mit seiner mutmaßten gesellschaftskritischen Grundeinstellungen absondern durfte, sie erkannte damit unisono nur eine Facette des stetig bekannter werdenden Mannes. Die des im gesellschaftskritischen Kontext stehende Tätigkeit als gewiefter Strafverteidiger und offenkundiger Sympathisant einer aus dem linksorientierten Zeitgeist sich rekrutierender Bremer Politszene wurde er regelmäßig in den einschlägigen Treffs gesehen.

Hier diskutierte er nicht nur über den real - existierenden Sozialismus, sondern nahm auf Stellung zu aktuellen Rechtsproblemen in der BRD.  Dass er er mit einer Mercedes - Limousine der oberen Mittelklasse für die Fahrten zu diesen regelmäßigen Treffs nutzte, die er in eine der kleinen Nebenstraßen des Bremer Viertels parkte, bei seiner Mandatierung als Verteidiger von später nur ausgewählten Verfahren ein saftiges Honorar verlangen konnte, war seinem Bekanntheitsgrad geschuldet. Neben den, zu Starverteidigern hochstilisierten Berufskollegen vom Schlage des Rolf Bossi, zählte Heinrich Hannover zu jenen, die aufgrund einer Form von Mischkalkulation auch Strafverfahren begleitete, die ihm ein persönliches Anliegen waren. Er dachte und äußerte sich noch über viele Jahre zu gesellschaftlichen Entwicklungen in kritisch, distanzierter Form. Wenngleich ihn dieses nicht davon abhielt, auch in einer einst angesagten Bremer Diskothek, dem " Shabbalabba " zu verkehren.

Der bürgerlich, seriöse Anstrich war dem bekannten Strafverteidiger keineswegs zuwider. 

Als ein anderes Lüftchen durch die Hörsäle der Universitäten wehte, das Lesen des Marx´schen " Kapital " und anderer Linksliteratur nicht mehr en vogue war, weil andere Studentengenerationen den Campus vereinnahmten, verlor nicht nur ich zunehmend das Interesse an einen gesellschaftskritischen Diskurs. So wie viele andere Studierten aus den Jahrgängen davor, die längst mit dem viel zitierten " Marsch durch die Instituten " nicht nur in Amt und Würden gehievt wurden und einen ihnen angestammten Platz in dem wieder vereinten Deutschland gefunden hatten, der ihnen ein durchaus angenehmes und Leben ermöglichte, gefunden hatten, waren es eher die tagtäglichen Berufs - und Familienprobleme, die mich auf Trab hielten.

Im Nachgang musste auch ich politische Einstellungen revidieren, die von Beginn an auf Irrtümern und durch Propaganda erzeugte Scheinwelten aufgebaut waren. Weshalb ich in dem damaligen Wirken des kürzlich verstorbenen Kollegen Hannover ein gerüttelt Maß an Salonsozialismus zubillige.


ABSTRAC TRUTH  -  Silver Trees  -  1970:



     

        

 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!