Zu Silvester liegen geblieben


Wenn das dritte Seuchen - Jahr 2022 in weniger als 7 Stunden seine Existenz aushaucht und das kommende Jahr 2023 vielerorts mit viel Radau und noch mehr blödsinnigem Feuerwerk begrüßt wird, dürften viele Restaurants, Bars und Veranstaltungsräume wie vor den beiden " Corona " - Jahre gut gefüllt sein. Die Menschen - nicht nur in Deutschland - gehen der Silvesterroutine nach. Es wird gesoffen, geraucht, geknallt bis der Notarztwagen kommt.

Das war vor 40 Jahren nicht anders, wenn auch in sehr oft bescheideneren Rahmen. Es gab jene Unarten nicht in Hülle und Fülle, sondern der in den 1980ern Feiernde beschränkte sich zumeist auf die Privatheit. So auch die damalige, eher flüchtige Bekannte, die ich über eine, zu jener Zeit arbeitslose Lehrerin kennen lernte und deren drei Perserkatzen wir jeden Tag in der Nähe von Ritterhude bei Bremen fütterten, weil die Bekannte zusammen mit ihrem Lebensgefährten im Urlaub war.

Als kleines Dankeschön luden uns beide an einem Abend zu sich nach Hause ein. Der Lebensgefährte verdingte sich zu jener Zeit als selbständiger Immobilienmakler und war - für die damaligen Verhältnisse - durchaus vermögend. Er lebte in einem schmucken Häuschen am Rande des Ortes Ritterhude Dorthin wurden wir also eingeladen. Ich war ein armer Jura - Student, der seinen sehr bescheidenen Lebensunterhalt mit Ferienarbeiten in diversen Fabriken und auf dem umgebauten Resthof eines Bremer Orthopäden verdiente. Die studierte Lehramtsanwärterin hangelte sich über befristete Arbeitsverträge durchs Leben. 

Als ich mit meinem marineblauen R 4 zu dem Haus des Maklers fuhr, konnte ich nicht ahnen, was an jenem Abend auf mich zukommen sollte. Schon beim Parken vor dem Wohnhaus war ich ein wenig beeindruckt. Ein sehr gepflegter Garten, ein nicht gerade kleines, Neubauhaus und ein davor stehender Jaguar ließen mich nicht unbeeindruckt.

Der Abend verlief dann doch eher unkompliziert. Die äußeren Eindrücke täuschten tatsächlich. Sowohl die Bekannte der arbeitslosen Pädagogin als auch deren Lebensgefährte machten auf mich einen sehr geerdeten Eindruck. Und dieser kam auch deshalb bei mir auf, weil jener Lebensgefährte mir eine Geschichte erzählte, die sich so und in dieser Form wohl heutzutage nicht mehr abspielen wird.

Es war just zu einem Jahreswechsel der frühen 80er als sich der Makler und seine Lebensgefährtin auf die Fahrt von Ritterhude in Richtung Bremerhaven begeben hatten, weil sie dort zu einer Silvesterfeier eingeladen waren. Diese nur knapp 52 Kilometer lange Strecke über die Autobahn 27, endete abrupt irgendwo zwischen den Ausfahrten Stotel und Hagen. Der Jaguar mit seinen 6 Zylinder, einem Hubraum von fast 4,2 Litern, bei 173 Pferdestärken streikte. Die Oberklassen -  Karosse verweigerte die Dienste. Statt bei der aufgenommen Fahrt wie ein Kätzchen zu schnurren, dem Fahrer das Gefühl seiner Überlegenheit anderen Autos gegenüber zu vermitteln, gingen bei dem sündhaft teuren PKW sämtliche Lichter aus. Bis auf die Warnblinkanlage, die bekanntlich losgelöst von den übrigen Aggregaten zu funktionieren hat.

Da standen sie nun auf dem so genannten Pannenstreifen bei leichten Minusgraden und harrten der Dinge, die da noch kommen könnten Ein Pannendienst erschien jedenfalls nicht. Ein Abschleppwagen war ebenfalls nicht erkennbar. Jene Jahrzehnte, in denen Mobilfunktelefone vielleicht in der technischen Entwicklungsphase waren und eher die Größe eines Kofferradios besaßen, gab es lediglich die " Notrufsäulen ". Und eine solche stand irgendwo hinter der Leitplanke. Nu, wo? 

 Die Silvesterfeier lief auch ohne sie weiter, also kam der Immobilienmakler kurz vor dem Jahreswechsel auf die schrullige Idee, den im Kofferraum liegenden Champagner nebst der beiden Gläser heraus zu holen. Er öffnete die Flasche, schenkte den edlen Tropfen ein und die beiden Gestrandeten stießen auf der Autobahn auf das neue Jahre an. Erst danach machte er sich auf den beschwerlichen Weg, um eine dieser Notrufsäulen zu suchen. Es war stockdunkel. Nur dann und wann waren noch einige leuchtende Punkte am Horizont zu erkennen. Dort, wo in der Pampa Norddeutschlands, irgendwo in Richtung Bremerhaven, einige wenige jenen teuren Brauchtum zelebrierten, durch legal erworbene Pyrotechnik die bösen Geister zu vertreiben, damit im neuen Jahr dann nur noch Friede, Freude, Eierkuchen vorherrscht.

Während er einige Hundert Meter lief, dabei von keinem wild hupenden Fahrzeug überholt wurde, weil eben an jenem Neujahrstag dort keines fuhr, schaute er zu Sterne funkelnden Himmel hinauf und wünschte sich jetzt sein beheiztes Wohnzimmer mit seinen darin platzierten Tisch sowie seine bequeme Coach zurück, Es war draußen kalt, der Weg noch weit und die Schritte wurden schwerer.

Nach einiger Zeit hatte er die Notrufsäule erreicht. Er drückte den roten Knopf und wartete. Nach einer längeren Zeit vernahm er eine männliche Stimme, die ihn anblaffte. " Ja ! Panne! Ja! ", rechtfertigte er seinen Anruf. " Nein! Kein Silvesterscherz! " 

" Wo? ", " Nein! ", das wisse er nicht. " Ja! ", er werde auf die Notrufsäule schauen. Nach einigen Minuten waren alle Fragen beantwortet. Er ging zu dem liegen gebliebenen Jaguar XJ, der bereits einige Jährchen auf dem Buckel hatte. Nach einigen Hundert Meter des Rückwegs sah er das gleichförmige Blinken seines geliebten, aber streikenden Autos. Nach langen Minuten des beschwerlichen Rückwegs  stand er wieder an dem defekten PKW und wartete und wartete und wartete.

Dann erkannte das Paar aus der Dunkelheit zwei Scheinwerfer und ein gelbe Warnleuchte langsam näher kommen. Der Abschleppwagen. Endlich! Der müde und mürrische Fahrer des LKW nahm seine Arbeit auf. Er hievte den schweren Jaguar an seinem Haken hoch und zog das Gefährt mit der angebrachten Stahltrosse und einer Motor betriebenen Seilwinde auf die Ladefläche. Nach gut 10 Minuten war die Aktion beendet. " Bitte einstiegen! ", knurrte der Mann dem Paar zu.  

 Der Abschleppwagen nutzte die nächste Ausfahrt und fuhr auf der gegenüber liegenden Fahrbahn zurück in Richtung Bremen, dorthin, wo der Jaguar als Gebrauchtfahrzeug irgendwann zuvor gekauft wurde. Der Abschleppdienst stellte die Luxus - Karre auf den Parkplatz des Autohauses, ließ sich seine bisherigen Dienste von dem Jaguar - Havaristen per Unterschrift absegnen. Die Rechnung wird der ADAC bezahlen. Der Makler hatte schon lange als Mitglied einen so genannten Inlandsschutzbrief inkludierend dazu abgeschlossen. Bei solchen PKW ist das einst absolut erforderlich gewesen.

Das Paar ließ sich mit einem Taxi, die es zwar in der Silvesternacht nicht gibt, weil sie allesamt über Stunden belegt werden, aus und nach Ritterhude zurück fahren. Er kannte den dortigen Unternehmer persönlich.   

Das also war der Jahreswechsel auf der Autobahn!


AGUSA  -  Melodi Fran St. Knut  -  Högid  -  2014:



       



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