Norderney und seine Verschickungskinder: Nicht nur ein dunkles Kapitel in der Geschichte?



Am 15. April 2010, also vor beinahe 13. Jahren, stellte ich diesen Post in meinen Blog ein.  

https://lobster53.blogspot.com/2010/04/eine-seefahrt-die-ist-lustig-nur-nicht_15.html

Breits ein Jahr davor schrieb ich diesen Beitrag für meinen Blog, den ich auch als eine Form von Vergangenheitsbewältigung betrachte:

https://draft.blogger.com/blog/post/edit/8221564797470254880/533835599730454709

Ja, Kinder vor und nach den beiden von deutschem Boden aus gehenden Weltkriegen hatten es nicht leicht. Für die Nachkriegskinder, zu denen auch ich zähle, waren jenen Jahrzehnte nach 1945 und 1949 ( Gründung der beiden deutschen Staaten DDR und BRD ) nicht gerade ein Zuckerschlecken.

Deutschland in den Grenzen von 1932 wurde zerschlagen, in vier Besatzungszonen aufgeteilt und  Mai 1949 in zwei selbständige Staatsgebilde unter gütiger Überwachung der vier Siegermächte auseinander gerissen. Mit der sogenannten deutsch - deutschen Teilung haben sich die BRD - Politiker nie abgefunden. Ihre systematischen Hetzkampagnen, angefeuert durch die " Springer - Presse ", gegen n anderen Teil Deutschlands führten zu einer Indoktrination der Bevölkerung, insbesondere auch der vielen Nachkriegskinder. In den Schulbüchern aus jenen Jahren kamen weder die Massenmorde - vornehmlich an der jüdischen Bevölkerung - noch die unzähligen Kriegsgräueltaten vor. 

In der DDR indes wurde jene Zeit zwar aufgearbeitet, jedoch aus ideologischen Gründen verbrämt. So saßen denn - was sicherlich nicht vollkommen unrichtig war - die Verbrecher des NS - Staates allesamt im kapitalistischen Westen und die zu Befreiern hoch stilisierte " Rote Armee " hatte den Krieg gegen " Hitler - Deutschland " ( gemeint war dabei nur der Westen ) allein gewonnen.

 Unabhängig von den ideologischen Unterschieden in beiden deutschen Staaten gab es allerdings viele Gemeinsamkeiten, was die Kindererziehung - besser wäre hier: Unterjochung der Kinder - betrifft. Denn anhand einer Unzahl von Gesprächen mit meiner besseren Hälfte konnte ich in Erfahrung bringen, dass es auch in der DDR derartige Einrichtungen gab, in denen Kinder " zur Erholung " geschickt wurden. Und auch dort erlebten jene " Verschickungskinder " ein System von körperlichen Züchtigungen, Demütigungen und solche Aufenthaltsbedingungen, wie ich sie in meinen beiden oben benannten Beiträgen als selbst erlebt beschrieben habe.   

Beinahe 60 Jahre später sind diese Erlebnisse längst verblasst. Aus der Erinnerung indes werden sie kaum gestrichen werden, denn aufgrund eines ähnlich erlebten Martyriums haben mittlerweile eine Reihe von einstigen " Verschickungskinder " diverse Publikationen auf den Markt gebracht. So unter anderen auch Anja Röhl:  

https://de.wikipedia.org/wiki/Anja_Röhl

Mittlerweile fand dieses Thema auch Zugang in den Medien:

https://taz.de/Kuraufenthalte-von-Kindern/!5818643/

https://www.radiohochstift.de/verschickungskinder.html

Nun, ja, dass ein solches Thema in der heutigen Zeit ein nahezu gefundenen Fressen für viele Medienschaffenden darstellt, dürfte wohl auf der Hand liegen. Ebenso erfolgt dazu eine unterschiedliche Bewertung zu diesem, insgesamt dunklen Kapitel in der Geschichte beider deutscher Staaten. Aber nicht nur in Deutschland wurden Kinder in KZ - artigen Einrichtungen, die von kirchlichen Trägern geführt wurden, systematisch misshandelt und sogar ermordet ( z.B. in katholischen Heimen der Republik Irland ).

Auf die Situation in  den Einrichtungen innerhalb Deutschlands bezogen, gibt es bislang solche Fälle nicht. Wohl aber eindeutige Nachweise für systematische Kindesmisshandlungen.

Das mag anhand einer nicht repräsentativen Studie der Universität Kiel etwas anders interpretiert werden ( https://verschickungskind.de/studie-sieht-keine-belege-fuer-systematische-gewalt/ ). Fakt ist jedoch, dass eine von der institutionellen Seite ( Kirchen, Krankenkassen, Gesundheitsämter etc. ) mit getragenes System der Kindesmisshandlung durch Mitarbeiter in den " Verschickungsheimen " gab. Jene dort tätigen Erwachsenen waren größtenteils ein Abbild der zuvor als Kind und Jugendlicher erfahrenen, indoktrinativen Erziehung im Nationalsozialismus ab 1932 ff.

Weil auch Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in vielen Bereichen der Wirtschaft und Verwaltung ein akuter Arbeitskräftemangel herrschte, wurde eben in solchen Einrichtungen auf minder - oder gar nicht qualifizierte Personen zurück gegriffen. Viele von ihnen waren zudem in der NS - Zeit zwangsweise im BDM oder der " HJ  ( Hitler - Jugend ) " organisiert. Hier herrschten bekanntlich ein para - militärischer Umgangsformen. So und später durch den Krieg geprägt, sollten diese " Betreuer " nun " Schutzbefohlene " leiten. Was dabei heraus kam, liest sich in den unzähligen Internet - Ein - und Beiträgen wie eine nicht endend wollende Horrorgeschichte.

Es wurde geohrfeigt, mit der flachen Hand, der Faust oder mit Gegenständen geschlagen. Es wurden erniedrigende Strafen verhängt oder mannigfaltiger physischer Zwang ( Stichwort " Aufessen von Erbrochenem " oder psychischer Druck ausgeübt. De facto war es eine Fortsetzung der ständig angewandten " schwarzen Pädagogik ", wie sie in nicht wenigen Schulen, bei der Ausbildung oder im Elternhaus vorherrschte.  

Nahezu lächerlich liest sich der erklärende Rechtfertigungsansatz, der in dem NDR - Beitrag über eine " Studie " der Universität Kiel zum Komplex " Gewaltanwendung an Verschickungskindern " zu lesen ist: 

" Anstatt Strafe anzuwenden, versuchte ich mit Güte auszukommen, aber hin und wieder war eine Tracht Prügel angebracht. Daheim werde der Junge immer " streng bestraft ". Prügel waren ihm nichts Neues ".

- Zitatende - aus:

https://www.ndr.de/home/schleswig-holstein/Verschickungskinder-Studie-sieht-keine-Belege-fuer-systematische-Gewalt,verschickungskinder160.html 

Eine nahezu lächerlich wirkende Rechtfertigung für jene einstigen vom Nationalsozialismus vereinnahmten Damen und  - eher weniger - Herren Erzieher, die - wie bereits angeführt - zumeist gar keine waren. 

Auf einer der mittlerweile massig eingestellten Seiten zu dem Thema " Verschickungskinder " las ich unter anderem auch, dass die über und in den Medien kolportierte Behauptung, dass die unstrittig systematischen Misshandlungen von Kindern in den " Erholungsheimen " nicht aufgrund der einstige " Nazi - Erziehung " bzw. von einstigen " Nazis " erklärlich seien, denn in den konfessionellen Einrichtungen ( hiervon gab es ja nicht gerade wenige ) seien keine " Ex - Nazis " am Werk gewesen, erklärlich sei. Gerade diese Unterscheidung ist e unzutreffend. Auch in den Kirchen - Heimen trieben einst von der " Nazi - Zeit " geprägte " Schwestern " und einige " Brüder " im Namen des Herren ihr Unwesen.

Und so scrollte ich mich über Stunden durch die Seiten, die mir von " Tante Google " unter der Eingabe " Verschickungskinder " angezeigt werden konnten. Da ist beinahe ein wahrer " Informations - Tsunami " entstanden. Getreu dem Grundsatz: " Jeder fragt Jeden " wird sich hier massenhaft über die von mir vor 13 Jahren beschrieben Zustände ausgelassen. Die wissenschaftlich, nahezu sezierende Aufarbeitung jenes sehr dunkeln Kapitels in der Historie der beiden deutschen Staaten darf selbstverständlich nicht fehlen.

Als Vertreter der Jurisprudenz, aber auch als einstig betroffenes " Verschickungskind ", steht für mich indes fest: Sämtliche Straftaten ( von Morden ist mir nichts bekannt ) sind längst verjährt. Viele der Schlägerinnen, der Schläger, der Schwestern und Brüder aus den Kirchen, sind wohl in die " Ewigen Jagdgründe " gefahren. Mit ihnen kann somit nicht über ihre angewandten Erziehungsmethoden diskutiert werden. Schadenersatz / Schmerzengsgeld für das erlittene Unrecht gibt es auch nicht. Somit verbleibt einzig die Genugtuung, dass jene Nachkriegszustände in den Gesellschaften beider deutscher Staaten für die kommenden Generationen ein wenig besser und wahrheitsgemäß aufgezeigt werden können.

Immerhin etwas? 



CAROL OF HARVEST  -  Put On Your Nightcap  -  1978:




  

            

  


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