Herbstliche Impressionen am Pesterwitzer Friedhof.
Der Anlass zu dem herbstlichen Spaziergang in Pesterwitz war eher traurig. Vor wenigen Wochen stand in der Wochenendausgabe der Sächsischen Zeitung eine dieser üblichen Todesanzeigen, die der Leser - vielleicht aus Neugierde oder auch mehr - neben den Welt - und Lokalnachrichten dann doch zur Kenntnis nimmt, weil er um jene Rubrik einfach keinen Großen Bogen macht oder sie einfach überblättert.
Nein, wie von magischer Hand angezogen, werden die Inhalte jener schwarz umrandeten Kästchen gelesen, um dann manchmal sagen zu können: " Der ist nicht alt geworden " oder aber auch: " Die ist in meinem Jahrgang verstorben ", oft aber auch: " Die hat ein schönes Alter gehabt ".
Zum Friedhof in der Gemeinde Pesterwitz sind es nur einige Kilometer. Und da dieser eher übersichtlich ist, bestand die Chance, wenn auch mit einem gewissen Aufwand, das Grab der einstigen Schulkollegin meiner besseren Hälfte doch zu finden. Ich hatte - eher vorsorglich - meine Kamera eingesteckt. Pesterwitz ist ja auch ein Weinort, so wie Radebeul oder Meißen. Da lassen sich gerade jetzt, im Herbst, so einige eindrucksvolle Aufnahmen mitnehmen.
Ich erinnerte mich, während wir an den Gräbern vorbei schritten, an die erste Begegnung mit der Verstorbenen. Es ist zwar schon ein paar Jahre her, aber dieses Ereignis konnte ich sofort wieder aufrufen. Es war ein nicht so außergewöhnlicher Anlass, der der Grund für die erste Begegnung mit der jetzt Verstorbenen war: Es ging um ein Klassentreffen. So eines, wie es sie öfters gibt, wenn die ersten 10, 20, 30 Jahre nach der Schulentlassungen verstrichen sind. Zur Umsetzung eines solchen Vorhabens bedarf es der Motivation der Ex - Schüler, denn häufig haben sich die Namen, die Wohnorte und die sozialen Umfelder jener Mitstreiter erheblich verändert, die vor etlichen Jahren noch gemeinsam die Schulbank drückten.
Hierzu ist vielfach Langatmigkeit und Kreativität gefragt, wollen die Initiatoren auch alle Ex - Pennäler erreichen.
Als es vor einigen Jahren an einem Samstag im Frühjahr klingelte, vermutete ich den Briefzusteller oder den Paketdienst. Doch beim Öffnen der Haustür stand eine eher zierliche, leger gekleidete Frau an der Eingangspforte und fragte, ob hier eine ehemalige Mitschülerin mit dem Namen .... wohnen würde.
Wir wechselten noch ein paar Worte, dann übergab sie mir einen Briefumschlag, in dem eine Einladung zum Klassentreffen eingelegt war. So oder so ähnlich verlief die erste Begegnung mit der Ex - Schulkollegin.
Später sahen wir uns - eher zufällig - während der Gartenarbeiten im Sommer. Dann beim Post holen. Ich sprach eine Einladung zu einer Tasse Kaffee im Haus aus. Die Verstorbene lehnte immer sehe höflich ab. Sie machte auf mich den Eindruck einer bescheiden lebenden Frau, die sich eher nicht in den Vordergrund spielen möchte. Zwischenzeitlich erfuhr ich von meiner besseren Hälfte, dass auch sie mal verheiratet, dann geschieden und Mutter eines Sohnes war. Nachhaltiger jedoch behielt ich die Information in Erinnerung, dass die einstige Mitschülerin seit ihrem 16 Lebensjahr an Diabetes Typ I litt und sich täglich Insulin spritzen musste.
Aus der beruflichen Praxis durch die Vertretung in einer Vielzahl von Sozialrechtsmandaten weiß ich, was es bedeutet, wenn jemand zuckerkrank ist. Diabetiker haben in der Regel eine stark " verkürzte Lebenserwartung ", wie es so sachlich im Fach - Chinesisch heißt.
Da standen wir nun, nachdem ein Rundgang über das Friedhofsgelände beinahe beendet war, vor dem Grab der verstorbenen Schulkollegin. Es lagen darauf noch eine Vielzahl an Blumengestecke; keine Kränze.Dennoch war der erste Eindruck: Die Verstorbene muss sehr beliebt gewesen sein. Der Vater der Mitschülerin wurde dort 3 Jahre vorher beerdigt. Wir stellten unseren Strauß mit frischen Gartenblumen, mit typischen Herbstblühern dazu. Herbstschmuck zum Herbst des beendeten Lebens? Die langsam verblühenden Grabgestecke hatten Familienangehörige, Arbeitskollegen und einstige Mitschüler der EOS aufgelegt. Wir blieben eine Viertelstunde und unterhielten uns im gedämpften Ton über sie: Evi B.
Beim Verlassen des Friedhofgeländes kam mir ein Lied der " Puhdys " in den Sinn, was von der ersten LP der Gruppe stammt und zu meinen BW -Zeiten in Munster/Lager über DT64 in meine Ohren gelangte sowie ein Gedicht von Ferdinand Freiligrath, dass ich während meines Studiums mal gelesen hatte:
Und wieder ist es Herbst! - entblättert stehn die Bäume;
Dem dürren Laube gleich, verwehen meine Träume;
Aus Norden braus't es hohl!
Es ziehn die Kraniche nach wärm'rer Meere Borden;
Erschrocken fahr' ich auf! ja, es ist Herbst geworden -
So war's auch Sommer wohl?
Und wieder ist es Herbst! - die alten Thürme trauern
Befeuchtet hat der Hauch des Nebels ihre Mauern
Und ihrer Dächer Blei.
Der Nordwind rüttelt sie, die Wetterfahnen klirren;
Um die verwitternden sieht man die Dohle schwirren
Mit winterlichem Schrei.
Und wieder ist es Herbst! - Der Sommer ist vergangen;
Umsäuselt hat das Wehn des Lenzes meine Wangen -
Ich hab' es nicht gewußt!
Auf's Neue ließ ein Jahr ich ungenossen fliehen;
Und, ach! ich merk' es erst, da jetzo sein Verziehen
Mir schauert durch die Brust.
Und wo denn wieder war's, daß träumerisch indessen
Die Monden ich verpaßt; daß ich den Lenz vergessen,
Und Seufzer eingethan? -
Durchirrt hab' ich den Sand, ein Quell- und Schattenspürer;
Ich watete durch Blut; die Sonne war mein Führer,
Mein Roß der Ocean.
Ich sah der Wüste Brand und ihrer Körner Dürsten.
Versprengt von ihrer Schaar sah ich Nomadenfürsten;
Am Boden lag ihr Pferd.
Sie schauten grimmig aus nach einer Karavane;
An ihrem prächt'gen Gurt hing wimmernd die Sultane,
Nachschleifend wie ein Schwert.
Zur Fehde zog ich aus mit Rittern und Baronen;
Den Flamberg in der Faust, erstürmt' ich Mauerkronen -
Gewieher und Geschnauf!
Die Leitern legt' ich an, ich klomm hinan die Scharten,
Ich pflanzte blutbefleckt die flatternden Standarten
Auf Feindesleichen auf.
Schlachtbanner, schwärzliche, zerschoss'ne sah ich fliegen;
Erschlagne Krieger starr am Boden sah ich liegen
Mit blut'gem Angesicht.
Es neigten Jungfrau'n sich hernieder zu den Todten -
Ach, ob sie Becher auch den kalten Lippen boten,
Sie weckten Jene nicht!
Und Flotten sah ich ziehn mit weißen Segelschwingen;
Ich sah sie rüsten sich zum Kampf; ich sah sie ringen,
Entmastet und entmarst.
Ich sah sie bäumen sich, geschaukelt auf dem Rachen
Des alten Oceans; - ich sah es, wie mit Krachen
Ein Admiralschiff barst.
Von hoher Berge Stirn schaut' ich nach zweien Landen; -
Tief unten, wo der Schlucht bereifte Tannen standen,
Ein bunter Maulthier-Zug!
Ich sah auf ihrem Haupt die weiß und rothe Feder; -
Voran ein brausend Paar von Zeltern, deren jeder
Ein schwärzlich Mädchen trug.
Zigeuner waren es! - Geklirr von Tambourinen! -
Sie zogen über's Joch des Berges in die grünen
Jenseit'gen Thalesau'n!
Den Schwalben gleicht dies Volk; es flieht des Winters Grenze;
Es sucht im Herbst ein Land, auf welches ew'ge Lenze
Vom Himmel niederthau'n!
Die Lenze sah ich wohl! doch den, der mich umgeben,
Ich ließ ihn achtlos fliehn! Ich träumte, statt zu leben!
Die Schwalben sammeln sich!
Ja, wieder ist es Herbst; er klirrt um meine Klause;
Er rüttelt mich: "Wach' auf! kehr' ein im eignen Hause!
Du Sinnender, besinne dich!"
Dem dürren Laube gleich, verwehen meine Träume;
Aus Norden braus't es hohl!
Es ziehn die Kraniche nach wärm'rer Meere Borden;
Erschrocken fahr' ich auf! ja, es ist Herbst geworden -
So war's auch Sommer wohl?
Und wieder ist es Herbst! - die alten Thürme trauern
Befeuchtet hat der Hauch des Nebels ihre Mauern
Und ihrer Dächer Blei.
Der Nordwind rüttelt sie, die Wetterfahnen klirren;
Um die verwitternden sieht man die Dohle schwirren
Mit winterlichem Schrei.
Und wieder ist es Herbst! - Der Sommer ist vergangen;
Umsäuselt hat das Wehn des Lenzes meine Wangen -
Ich hab' es nicht gewußt!
Auf's Neue ließ ein Jahr ich ungenossen fliehen;
Und, ach! ich merk' es erst, da jetzo sein Verziehen
Mir schauert durch die Brust.
Und wo denn wieder war's, daß träumerisch indessen
Die Monden ich verpaßt; daß ich den Lenz vergessen,
Und Seufzer eingethan? -
Durchirrt hab' ich den Sand, ein Quell- und Schattenspürer;
Ich watete durch Blut; die Sonne war mein Führer,
Mein Roß der Ocean.
Ich sah der Wüste Brand und ihrer Körner Dürsten.
Versprengt von ihrer Schaar sah ich Nomadenfürsten;
Am Boden lag ihr Pferd.
Sie schauten grimmig aus nach einer Karavane;
An ihrem prächt'gen Gurt hing wimmernd die Sultane,
Nachschleifend wie ein Schwert.
Zur Fehde zog ich aus mit Rittern und Baronen;
Den Flamberg in der Faust, erstürmt' ich Mauerkronen -
Gewieher und Geschnauf!
Die Leitern legt' ich an, ich klomm hinan die Scharten,
Ich pflanzte blutbefleckt die flatternden Standarten
Auf Feindesleichen auf.
Schlachtbanner, schwärzliche, zerschoss'ne sah ich fliegen;
Erschlagne Krieger starr am Boden sah ich liegen
Mit blut'gem Angesicht.
Es neigten Jungfrau'n sich hernieder zu den Todten -
Ach, ob sie Becher auch den kalten Lippen boten,
Sie weckten Jene nicht!
Und Flotten sah ich ziehn mit weißen Segelschwingen;
Ich sah sie rüsten sich zum Kampf; ich sah sie ringen,
Entmastet und entmarst.
Ich sah sie bäumen sich, geschaukelt auf dem Rachen
Des alten Oceans; - ich sah es, wie mit Krachen
Ein Admiralschiff barst.
Von hoher Berge Stirn schaut' ich nach zweien Landen; -
Tief unten, wo der Schlucht bereifte Tannen standen,
Ein bunter Maulthier-Zug!
Ich sah auf ihrem Haupt die weiß und rothe Feder; -
Voran ein brausend Paar von Zeltern, deren jeder
Ein schwärzlich Mädchen trug.
Zigeuner waren es! - Geklirr von Tambourinen! -
Sie zogen über's Joch des Berges in die grünen
Jenseit'gen Thalesau'n!
Den Schwalben gleicht dies Volk; es flieht des Winters Grenze;
Es sucht im Herbst ein Land, auf welches ew'ge Lenze
Vom Himmel niederthau'n!
Die Lenze sah ich wohl! doch den, der mich umgeben,
Ich ließ ihn achtlos fliehn! Ich träumte, statt zu leben!
Die Schwalben sammeln sich!
Ja, wieder ist es Herbst; er klirrt um meine Klause;
Er rüttelt mich: "Wach' auf! kehr' ein im eignen Hause!
Du Sinnender, besinne dich!"
Kommentare
...danke für den Ausflugstipp! ;o)