Geschichten aus der Straßenbahn: " Fahrscheinkontrolle ! "



Zu den Begebungen der besonderen Art dürften für einen normalen Fahrgast ( das ist die Mehrzahl derer, die für einen Mittransport in den Öffentlichen Verkehrsmittel den / einen Fahrpreis zahlen ) die Schwarm artig auftretenden Kontrolleure ein eher lästiges Hindernis im alltäglichen, routinierten Ablauf seiner Fahrtstrecke sein. Mal tauchen sie in den frühen Morgenstunden auf, dann zunehmend in der Mittagszeit, aber auch später am Abend, können sie zu einer lästigen Angelegenheit werden, wenn der abgeschlaffte Werktätige, der ermüdete Bürohengst oder der gestresste Selbständige die Rückfahrt nach Hause, ins traute Heim und die eigene Wohnung antritt.

Die Fahrscheinkontrolleure gehören zum Betriebsalltag eines jeden öffentlichen Verkehrsunternehmens. Sie sind die personifizierte Privatpolizei der oft chronisch defizitär aufgestellten Massentransporteure in Stadt, Land und Bund. Bei der Bremer Straßenbahn Aktiengesellschaft ( kurz: BSAG ) ist dieses nicht anders, als bei anderen Vergleichsunternehmen auch. Getreu dem, nach " Old " Wladimir Iljitsch Lenin ( Uljanow ) in die Welt posaunten Grundsatz, der erforderlichen Kontrolle, die noch weit vor dem, in das in einen Menschen gesetztes Vertrauen fungiert, haben Kontrolleure die Aufgabe Lenin´s Dogma des Misstrauen umzusetzen.

Das dürfte - laut Statistiken zu und über die Häufigkeit von so genannten Schwarzfahrten - alle Male erforderlich sein. Somit steht bei den öffentlich betriebenen Fleischtransportcontainer die Arbeitsmaxime lauten: " Fortschritt ist Kontrolle plus Kontrolleure ".

Mit einem solchen BSAG - Kontrolleur bekam ich es irgendwann in den frühen Morgenstunden eines noch halbdunklen Werktages im Frühjahr zu Beginn der 1990er Jahre zu tun. Ich war in die bekannte " 6 " der BSAG, die auch heute noch den Flughafen mit Teilen der Bremer - Neustadt, der Innenstadt, dem noblen Stadtteil Schwachhausen und die Universität verbindet, eingestiegen .
Einen Tag zuvor hatte ich mit dem PKW noch einen Mandanten besucht und meine " Bremer Karte " dabei in der Wohnung liegen lassen. Nun kam es, wie es in solchen Fällen häufig kommt. Ich ließ sie auf dem Wohnzimmertisch liegen und fuhr dennoch mit der Straßenbahn. Ein Fehler, wie sich alsbald herausstellen sollte.

Ich stieg dennoch in die Linie " 6 " ein, die eine Haltestelle an der Schleiermacherstraße vorweist und von meiner einstigen Wohnung in der Waterloostraße 50 nur zirka 5 Minuten Fußweg verursachte. Die Bahn kam - wie eigentlich immer - pünktlich. Dann hielt sie an der Gastfeldstraße an. Hier stiegen einige Fahrgäste wieder aus, andere aber auch ein. So auch ein Mann, der eher klein, mit dunklem Haar und einem strengen Blick ganz vorne bei dem Fahrer die zwei Treppenstufen hoch stieg. Ich sah ihn mir zufällig an und wusste intuitiv, dass es ein Kontrolleur sein musste. Einer, der sich eher in Zivil unter die Straßenbahnnutzer begibt, was dann unauffällig sein sollte. Doch ich wusste in jenem Moment, dass ich eigentlich die " Bremer Karte ", den Monatsfahrschein, ihm sogleich vorzuzeigen muss. Pech für mich, denn die Plastekarte lag auf dem Tisch in der Wohnung und steckte nicht in meinem Portemonnaie.

Nun schob sich der Kontrolleur zielstrebig auf meinen Sitzplatz zu und hatte bereits kurz nach dem Einsteigen laut und deutlich bekundet, was er von den Fahrgästen begehrte: " Die Fahrscheine, bitte! "

Ich hatte aber keinen gültigen, weil zuvor gestempelten Fahrschein, sondern die " Bremer Karte ", aber die lag in der Waterloostraße auf dem Tisch. Ich erklärte dem Mann, dass ich eigentlich eine Monatskarte besäße. Ich solle in Ruhe doch im Portemonnaie suchen, er käme gleich zurück. Nach der nächsten Haltestelle beendete er seine Kontrolle und wandte sich nun nur noch mir zu. Er hatte wohl meinen in der Leder - Geldbörse eingesteckten Rechtsanwaltsausweis gesehen. Dennoch bat er mich um meinen Personalausweis. Dann schrieb er in einem Block meinen Namen, Adresse usw. ein und sagte abschließend zu mir, dass ich ja wüsste, wie ich gegen den Einzug des so genannten erhöhten Beförderungsentgelt vorgehen könne. Er verabschiedete sich von mir und übergab mir dabei eine Durchschrift seiner Kontrollmeldung.
Darauf stand, dass ich 60 DM zu zahlen habe, weil ich bei einer Kontrolle ohne mitgeführten, gültigen Fahrausweis angetroffen worden sei.

Wie gesagt - Pech gehabt.

Ich sendete ein Telefax an die BSAG - Verwaltung und bat diese, die beigefügte Fotokopie meiner " Bremer Karte " bei der Prüfung zu berücksichtigen. Einen Tag später erhielt ich - wiederum per Fax - die Antwort, dass sich der von mir verlangte Geldbetrag auf 30 DM reduziere, weil ich nachgewiesen habe, dass ich Inhaber einer Monatskarte sei.

Ich überwies den Betrag einige Tage später. Der Ärger über die Schusseligkeit aber blieb.

Das Kontrolleure aber auch in Gruppen, in Pulks, in Trupps oder besser noch: im Kollektiv auftreten können, habe ich dann häufiger an Haltestellen erlebt. Dort stiegen gleich ein halbes Dutzend von ihnen aus, nachdem sie den BSAG - Wagen von vorne bis hinten sowie in der Mitte, gleichzeitig überprüften konnten. " Fahrscheinkontrolle. Die Fahrausweise, bitte! ", so hieß es immer sann, wenn jene Damen und Herren die Züge der BSAG im Schwarm betraten.

Schwärmerisch wurde es mir auch zumute, als ich vor einigen Jahren in der Linie 7 an einem Vormittag mit einer Kontrolleurin Bekanntschaft machte, die mir geschlagene 3 Minuten ihren Dienstausweis vor die Nase hielt. Die Mitarbeiterin der hiesigen städtischen Verkehrsbetriebe wartete diesen langen Zeitraum ab, bis ich auch den letzten Winkel meiner Brieftasche umgedreht hatte.

Zuvor jedoch war ich an der Bünaustraße / Kesselsdorfer Straße bei einem der Fahrscheinautomaten eingestiegen. Hier hatte ich mir vor knapp 6,50€ einen Viererblock gekauft, diesen dann abgestempelt und in die nächste Bahn der Linie 7 eingestiegen. Zwei Haltestellen weiter schwärmten dann die Kontrolleure ein. Und die sahen sich im gesamten Wagen nach Schwarzfahrern um. Ob sie tatsächlichen einen solchen bei der Kontrolle erwischt hatten, kann ich nicht sagen, denn ich war ja mit dem Suchen nach meiner, zuvor in irgendeiner Fach der schwarzen Lederbrieftasche eingesteckten Fahrkarte beschäftigt. Die Kontrolleurin kam dann zu mir und hielt mir den Dienstausweis vor die Nase. Ich suchte also weiter. Ich wusste genau, dass ich den Fahrschein in eine der Schlitze gesteckt hatte. Aber, ich konnte ihn nicht finden. Ich zog sämtlichen Papier - Krempel aus der Brieftasche, aber der Fahrschein war nicht zu sehen. Ich klappte alle Fächer der Brieftasche auf, der Fahrschein kam nicht heraus. Die Sekunden, ja, die Minuten vergingen. Nochmals untersuchte ich die heraus gezogenen Papiere, darunter meinen Reisepass, die Krankenkassenkarte, irgendwelche Plastekarten von Geschäften, bei denen ich an irgendeiner dieser dämlichen Rabattaktionen teilgenommen hatte, die aber nur dazu dienen, um die Daten der Kunden abzumelken und anschließend für noch dämlichere Werbeaktion zu missbrauchen.

Die Fahrkarte fand sich dort zwischen auch nicht. Ich wurde langsam ein wenig nervös. Die stoische Kontrolleurin, eine potten - hässlich, eher kleine, bebrillte, zirka um die Ende 20 alte Frau, hielt mir immer noch ihren Dienstausweis der DVB vor meinen Zinken. Ich schaute dort erneut drauf, während ich die Papier wieder einsteckte. Das Foto auf dem Ausweis sah noch hässlicher aus, als sich die vor mir zur Salzsäule erstarrte Kontrolleurin zeigte. Ich unternahm noch einen letzten Versuch, mit dem ich der Damen erklärte, dass ich die Fahrkarte vorhin als Viererblock erworben hätte. Sie sagte dazu keinen Ton. Sie war so stumm, wie ein Fisch im Wasser. Sie bekam nicht einmal Schnappatmung, als ich zum dritten Mal die Fächer meiner Brieftasche hochklappte, mit dem Zeigefinger hin fühlte und so Fach für Fach, Schlitz für Schlitz überprüfte. Jetzt war ich der Kontrolleur. Allerdings in eigener Sache. Bei jedem Fehlversuch zweifelte ich mehr und mehr an meinen Verstand.   

Hatte ich eine Fahrschein - Fata Morgana an dem DVB - Automaten? Oder war ich einem Fake aufgesessen? War es nur ein Albtraum, den ich danach erlebte? Ich erinnerte mich bei der Suchaktion an jenes Drama mit der " Bremer Karte ", dass bereits mehr als eine Dekade zurücklag. Dieses Mal jedoch war ich mir sicher, dass ich den Fahrschein eingesteckt hatte. Dass ich ihn in die Brieftasche in einem der kleinen Fächer liegen hatte.

Die Kontrolleurin verzog keine Miene, während ich ein wenig hektisch die Brieftasche umkrempelte. Dieser verdammte Fahrschein, die DVB - Fahrkarte, das Tickett zur Transportberechtigung, eben, es musste in dem schwarzen Lederbehältnis sein. Verdammt und zugenäht! Ich wurde langsam wütend. Zunächst auf mich selbst. Dann auf die Kontrolleurin, die wie ein sturer Esel ihren Ausweis, der ihr auch die Lizenz zum Bestrafen gab. 60 Euro erhöhtes Beföderungsentgelt, so nennt sich die Sanktion.

Nein, diesen Triumph wollte ich der Dame nicht lassen. Beim Hochklappen eines dieser schmalen Fächer, fingerte ich einen Fahrschein heraus. Er hatte sich unterhalb der Abtrennung zum nächsten Fach eingeklemmt. Ich zog das Papierstück heraus. " Hier ist er ja!", formulierte ich voller Stolz. " Ja, gut! Danke! ", war die Antwort die DVB - Mitarbeiter. Dann ging sie grusslos nach vorne und verschwand bei der nächsten Haltestelle in eine dort stehende Bahn.

Ich steckte erleichtert den Fahrschein in meine Hosentasche. Da ist er besser aufgehoben. Man kann ja nie wissen, ob nicht bei der Rückfahrt eine weitere Kontrolle auf mich wartet.

Fahrscheinkontrolleure haben es häufig nicht so leicht, wie in meinen Fällen. Ob werden sie angepöbelt, angegriffen und angeglotzt, als kämmen sie von einem anderen Stern. dabei sind es Menschen wie Du und ich. Die ihren Job erledigen. Der ist leider nicht sehr beliebt. Die Kontrolleure wohl auch nicht.



" The Doors " - " The Mosquito " - " Full Circle " - 1972:








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