Memmen



Gestern Abend, zu dem Zeitpunkt als im 450 Kilometer entfernten München der dortige Arroganz - Verein dem VFL Borussia Mönchengladbach mit 5:1 den Allerwertesten versohlte, begann zirka 45 Meter von uns entfernt auch ein Fest. Die zweite der vier Töchter des Nachbarehepaars hatte eine Gruppe Gleichaltriger zur Geburtstagsfeier eingeladen. Schon bald waberte Popmusik aus der zweiten Dekade des 3. Jahrtausend herüber.

Gelächter, Gekichere und Gelaber folgte der Grundbeschallung. Die üblichen Geräusche, die ein Nachbar bei einer Feier im Freien zu ertragen hat.

Einen Tag danach erfuhr ich, wer nun mit wem dort gefeiert hatte. Die eingeladenen jungen Damen, die dort auch übernachten durften, räumten die Party - Reste auf.  Während sie ihre Utensilien weg trugen, konnte ich bei meiner Gartenarbeit beobachten, dass von den 8 Schülerinnen sich nur 5 an den Aktionen beteiligten. 2 der Gäste standen daneben und sahen den anderen Arbeitenden zu; eine verabschiedete sich plötzlich, da das elterliche Auto vor der Tür stand. " Aha ! ", dachte ich so bei mir. Das ist so wie in anderen Lebensbereichen jener Pampers - Generation auch. Wenn es um Leistungen abverlangen geht, kneifen sie größtenteils.

Die Szenerie war symptomatisch und deckte sich mit dem, was ich zuvor in einer " SPIEGEL " - Meldung gelesen hatte: Von der Gesamtzahl der Auszubildenden, brechen jedes Jahr etwa ein Drittel diese ab. Bei den Studierenden sind es mehr als 25 % ( in Sachsen sogar beinahe jeder Zweite ), die das Studium nicht zu Ende führen.
Nun muss eine abgebrochene Ausbildung, eine nicht bestandene Prüfung oder sonstiges Versagen im schulischen und beruflichen Bereich nicht das Ende des eigenen Daseins einläuten.

Doch: Wer sich nicht bemüht, eine gewisse Struktur in sein noch junges Leben einzuarbeiten, wird es später nicht gerade einfach haben. Schließlich gibt es den Broterwerb in der digitalen Ära nicht ohne die Vorlage bestimmter Zeugnisse oder erhaltener Kenntnisse.

Bei dem Abkarren des verrotteten Laubs, das inzwischen richtig durchnässt, dann besonders schwer wird, überlegte ich mir, wie ich einst, also so vor knapp 49 Jahren, aus der Volksschule kommend, mich durch die mir aufgezwungene Einzelhandelskaufmannsgehilfenausbildung gequält habe. Ständig lauerte der innere Schweinehund irgendwo in mir. Vor allen an den Wochenenden, wenn nach einem freien Samstag, ab 6.30 Uhr die Pflicht rief und ich dann doch aufstand, um die nicht heiß geliebte Fahrt nach Bückeburg zu der Ausbildungsstelle bei der Herm. Altenburg KG antrat.

Doch: Ich war diszipliniert, wenn auch getrieben von der ständigen elterlichen Bevormundung und den noch nebenbei zu erledigenden Fronarbeiten im Haushalt, Garten oder sonstwo. Tja, da erinnere ich mich doch glatt an das Regenwetter im Frühjahr, vor allem im April, wenn ich mit meinem Sportfahrrad auf der B 83 gegen peitschenden Regen, Wind und manchmal auf Schneeschauer ankämpfte. Wenn ich im Sommer bei Temperaturen um die 30 Grad in dem stickigen Geschäft die wartenden Kunden bediente, war das auch kein Vergnügen. Ähnliches habe ich noch zu dem ständigen Ausfegen der Verkaufsräume in Erinnerung.
Summa summarum war die Leerzeit kein Zuckerschlecken.

Doch: Ich habe sie überstanden und muss fast 5 Jahrzehnte danach feststellen, dass diese 3 Jahre mich zwar nicht sehr viel weiter gebracht haben, doch bereits nach der ersten Hälfte des ersten Ausbildungsjahrs wusste ich mit tödlicher Sicherheit, was ich nicht weiter sein möchte: ein aus gelernte Einzelhandelskaufmannsgehilfe als Verkäufer. Angetrieben von dieser Einstellung, versuchte ich aus dem, was ich bereits in der Tasche hatte, das zu machen, was ich zuvor nicht durfte: Eine Studium zu beginnen.

Wenn ich dann heute lese, dass nahezu jeder Dritte die Ausbildung abbricht, weil er sich überfordert fühlt, die Ausbildungsinhalte ihm nicht passen und die Motivation, sich pünktlich im Betrieb sehen zu lassen, nicht vorhanden ist, stellt sich mir die Frage, ob es für diese Verweigerer nicht besser wäre, gleich den Garten Eden aufzusuchen.

Oder sind diese Abbrecher einfach nur Memmen!

" Idiot, Trottel, Fauler Sack ! " usw. etc.  Gibt´s das noch? Oder ist das 40 Jahre her?


http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45439797.html



Hannes Wader " So was gibt es noch " - " Wieder unterwegs " - 1979:





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