Leipziger " Fahrradgate "
Zu dem Kerngeschäftsbereich der Versicherungen gehört vornehmlich der Abschluss von Verträgen über Lebensrisiken aller Art, die Ausrichtung auf Profit und dessen Weiterleitung an die Aktionäre sowie den Vorstand sowie weitere angebliche Führungskräfte, das Ablehnen von zugesagten Versicherungsleistungen an die Kunden und das Führen von - zumeist - unsinnigen Prozessen.
Zu jenem Kerngeschäftsbereich zählt indes nicht, die Verwertung jener versicherten Gegenstände, die über den vertraglichen Eigentumsübergang nach erfolgter Schadensregulierung sodann den Assekuranzen zuzuordnen sind. Ob es nun ein im Ausland wieder aufgefundener PKW, diverse, höherpreisige Maschinen / Werkzeuge oder gar Zweiräder sind, sie alle werden von den Sachversicherern eher stiefmütterlich behandelt, obwohl es sich dabei jährlich um Werte in einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag handelt.
In der sächsischen Stadt der Messe und mehr, in Leipzig, der Metropole zwischen Hannover und Dresden also, kocht seit vielen Monaten ein zum " Skandal " ( englisch: gate " ) hoch gejazztes Verfahren vor sich hin, dass einem Rechtskundigen eher Sorgenfalten auf die alternde Stirn treibt, denn Zweifel an der Gesetzestreue der Beteiligten hoch kommen lässt.
Der Sachverhalt ist ein wenig komplex. Er könnte dennoch dazu geeignet sein, den Zehntausenden Studierenden in den juristischen Fakultäten der vielen Universitäten, dieses, unseres, im " Corona " - Jahr 2021 dahin siechenden Landes, ein wenig Nachhilfe auf dem - nicht vorgesehenen - Prüfungsgebiet " Recht zu Unrecht umgewandelt " geben.
Also: Im fernen Leipzig geschah vor nicht allzu langer Zeit ein kleines Wunder. Die dortige Polizei - seit der " Querdenker " - Demo nicht gerade mit einem Ruhmesblatt ausgestattet - verfügt seit etwa 9 Jahren über eine Sondereinheit, die sich mit dem Problem der massenhaft aufgetretenen Fahrraddiebstähle zu beschäftigen hat. Die Stadt stand seit einem längeren Zeitraum an der Spitze der einschlägigen Diebstahl - Kriminalität. Der präventive Effekt dürfte aber auch hiernach eher als überschaubar gelten; die Aufklärungsquoten ebenfalls. So berichten die Medien, dass in 2019 auf 100.000 Einwohner der Stadt, eine Zahl von 1.700 gemeldeten Fahrraddiebstähle fällt. Dieses soll einem Fünffachen des Bundesdurchschnitts entsprechen.
So weit, so nachvollziehbar.
Doch: Wenn tatsächlich mehr als 9.500 Räder ( bezogen auf über 560.000 Einwohnern ) pro Jahr gestohlen werden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine größere Anzahl im Laufe der Zeit wieder gefunden wird. Nicht wenige dieser Velos werden an die einstigen Eigentümer wieder ausgehändigt. Andere wiederum verbleiben bei der Leipziger Polizei und müssen dort als Verwahrstücke / Asservate aufbewahrt werden. Was aber geschieht mit ihnen, wenn die gesetzliche Aufbewahrungspflicht entfällt oder abgelaufen ist?
Diese Frage stellt sich sodann auch bei jenen Fahrrädern, die bei der Leipziger Polizei eingelagert liegen bzw. in dem aktuellen Fall lagern. Soweit es sich um Räder handelt, die im Zusammenhang mit begangenen Straftaten standen, werden diese nach ihrer Beschlagnahme über eine öffentliche Versteigerung verwertet und der Erlös der Deckung der entstandenen Strafverfahrenskosten zugeführt.
Das gilt auch für verwahrte Fahrräder, deren Eigentümer nach einer bestimmten Frist auf eine Rückgabe - wie auch immer - verzichtet haben oder deren Eigentümer nicht ermittelt werden konnten, obwohl der Diebstahl aufgeklärt wurde.
Nun könnte ein solches Verfahren auch bei jenen in Gewahrsam genommen Fahrräder angewandt werden, die zivilrechtlich betrachtet jetzt der Versicherung gehören.
Doch weit gefehlt. Hier wurde ein wildes Konstrukt gebildet, dass Zweifel daran lässt, es sei in Leipzig und der zuständigen Polizeibehörde mit rechten Dingen zugegangen.
Eine mit zuständige Polizeibeamtin soll hier nämlich seit einigen Jahren die Velozipeds auf eigene Weise weiter verwertet haben. Sie übergab die - mutmaßlich - der Polizei geschenkten Räder an Leipziger Vereine, der sie dann geschäftsmäßig an Kollegen und Staatsanwälte für einen Bruchteil des Wertes veräußerte. Das drollige daran ist jedoch, dass in einem der bedachten Vereine der Vater jener ambitioniert handelnden Polizistin im Vorstand sitzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrradgate
Diese Verfahrensweise war nicht nur anrüchig, sondern führte alsdann zu Ermittlungen gegen mehr als 100 Personen innerhalb dieser Dienststellen.
Peinlich ist es - mal abgesehen vom strafrechtlichen Gehalt jener Handlungen - für die bereits im Fokus der Medien - Öffentlichkeit geratenen Leipziger Behörde sowie aber auch des ihr übergeordneten Dienstherrn, des sächsischen Innenminister Roland Wöller, allerdings.
Was eventuell nicht justitiabel sein könnte, bleibt indes für einen bewertenden Außenstehend mehr als bedenklich. Zumal Amtspersonen darin involviert sind. Zudem stellt sich hier sofort die unbeantwortete Frage, warum jene 1000 und wohl mehr Räder nicht im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung meistbietend weiter geben worden sind? Dabei hätten jene Fahrräder garantierte einigen finanziell nicht so gut gestellte Personen weiter geholfen. Stattdessen wurden gut verdienende Staatsanwälte oder mit einem sicheren Einkommen bedachte Polizeibeamte bedacht.
Ein Unding ist jenes durchgeführte Weitergabeverfahren alle Male!
GÜNTER SCHICKERT - In Der Zeit - Überfällig - 2017:
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