Das 10.000 DM teuere Carbon - Rennrad


Als ich am vergangenen Sonntag vom Bäcker zurückkehrte stand der Nachbar von gegenüber auf der Straße. Er hatte seinen VW - Bus für eine Bergtour aufgerüstet. Am Gepäckträger war sein teures Fahrrad befestigt. Der sportliche Mann ist ein passionierter Berg - Fan. Aber nicht nur das. Er bewältigt auch Strecken im flachen Bereichen. So erzählte er mir, dass er mit einem weiteren, zu seinem üppigen Equipment zählenden Sportrad, eine Route von Eching nach Pfaffenhofen ( nachgewiesene Entfernung: 32,4 Kilometer ) bewältigt habe, um am Geburtstag seiner dort lebenden Schwester teilzunehmen. 

Während ich mir das angeschnallte Fahrrad noch etwas genauer anschaute, erinnerte ich mich an einen Fall aus den frühen 1990er Jahren, als ich mühsam mein Geld als Feld - Wald - und Wiesenanwalt zu verdienen versuchte. Eigentlich wollte ich dieses meinem Nachbarn, der da noch zarter Teenager war, erzählen. Doch der blockte ab. Er war nämlich etwas zu spät aufgestanden und wollte jenen Sonntagmorgen noch auskosten; vor allem, weil danach das Wetter wieder schlechter werden sollte.

So wurde ich dann meine Geschichte von einem sehr teuren Rennrad einen Tag später bei unserem Rundlauf um den Hollener See doch noch los.

Es war ein Familienrechtsverfahren. Genauer gesagt: Ein Scheidungsverfahren, das jenseits der üblichen Routinefälle anzusiedeln ist, denn es betraf ein Ehepaar, dessen unterschiedliche Sozialisation wohl auch den Ausschlag für eine Beendigung der eingegangenen Ehe nach nur wenigen Jahren geben musste. Er konnte auf ein durchaus intaktes Elternhaus mit einem weiteren, jüngeren Bruder hinweisen. Sie wiederum musste mit den Unebenheiten geschiedener Eltern leben. Sie durchlief nach der Realschule eine Ausbildung zur Speditionskauffrau; er legte ein Abitur hin, absolvierte die Polizeischule in Münster und ließ sich später nach Bremen versetzen. Dort lernten sich beide kennen.

Sie heirateten zum Ende der 1980er Jahre. Er war sportlich, groß, relativ passabel aussehend; sie eher klein, ein wenig pummelig und typisch norddeutsch, bremisch, aussehend. Also: dunkelblond mit einem leicht rundlichen Gesicht. Als er zum Kriminalkommissar ernannt wurde, suchten sie sich eine größere gemeinsame Wohnung und versuchten es mit einem Kind. Daraus wurde jedoch nichts.

Er war passionierter Radfahrer und nutzte jede Möglichkeit, die ihm der Schichtdienst bei der Bremer Polizei bot, um auf den Sattel zu steigen. Er fuhr früher sogar Amateurrennen. Damit war dann irgendwann Schluss, denn sie frönte dem Pferdesport. Was damit bedeutet hätte, dass beide sich kaum noch sehen würden. Das ist auf Dauer zu wenig, um eine einigermaßen intakte Ehe zu führen.

Durch das Radfahren wurde der gute Kommissar indes impotent und zeugungsunfähig. Das stellte sich jedoch später erst heraus. Worauf dieser Mangel zurückzuführen war, konnte ich, nachdem mir die Mandantin dieses im Gespräch erzählt hatte, eher spekulativ erahnen. Doping, Anabolika, Steroide???

Nun, die Ehe scheiterte. Der Kommissar und die Speditionskauffrau wollten die Scheidung. Ich beriet zunächst beide Eheleute und empfahl ihnen, das Verfahren auf eine einverständliche Ehescheidung aufgrund der niedrigeren Anwalts - und Gerichtskosten zu wählen. Beide schienen damit einverstanden zu sein. Somit stellte ich beim Familiengericht einen Antrag auf einverständliche Ehescheidung.

Doch daraus wurde nichts.

Es gab dann doch Streit. Nicht um Unterhaltsansprüche, nicht um die gemeinsame Ehewohnung und derer alleinige Weiternutzung und auch nicht um den Zugewinn aus der Gütergemeinschaft. Nein, es ging um die Hausratsaufteilung. Weil das nicht mehr ganz liquide Paar so einige Gegenstände " auf Pump " angeschafft hatte, stellte sich dabei die Frage, wer welches Mobiliar mitnehmen und damit auch weiter bezahlen sollte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hausrat

https://www.scheidung.de/wohnung-und-hausrat.html#zum-hausrat-zaehlen

Eine Einigung hierüber geriet in weite Ferne, als der Mann, der Herr Kriminalkommissar, dann auch noch darauf bestand, das während der Ehe zu einem märchenhaften Preis von 9.990 DM angeschaffte, somit sündhaft teure High - Tech - Sportrad aus Carbon, als Ehekredit in die Scheidungssache einfließen lassen zu wollen. Daraus wurde auch nichts.

So flatterte denn einige Tage später ein Schreiben eines in Bremen - Huchting ansässigen, ebenso nach Gebühren hechelnden Herrn Kollegen ein. Hierin stand, dass die Kreditraten für das Rennrad als abzugsfähige Belastungen seines Mandanten anzusehen seien, weil das Velo ja nun mal während der Ehezeit gekauft worden sei und damit grundsätzlich zum Hausrat gehöre. Damit wollte er den vereinbarten Trennungs - und Aufstockungsunterhalt seines werten Herrn Kommissars mindern. Gleichzeitig verlangte er aber, dass das teure Fahrrad zum Alleineigentum seinem Klienten übertragen werden muss, da er es ja schließlich alleinig nutzen würde.

Die an sich fast erledigte Ehescheidung ging dann zum Familiengericht, dass zu Gunsten der Frau entschied. Und auch das später im Beschwerdeverfahren angerufene Oberlandesgericht entschied so. Ein Fahrrad in dieser Preiskategorie gehöre nicht zum üblichen Hausrat im Sinne der damals nur bestehenden Hausratsverordnung, sondern sei ein Luxusgegenstand, der ausschließlich dem Ehemann zugebilligt werden müsse, denn dieser habe jenes Vehikel ja auch allein gefahren. Und die Raten für den Erwerb jenes Wunderrades auf zwei Reifen seinen mitnichten als abzugsfähige Belastungen bei der Einkommensberechnung im laufenden Unterhaltsverfahren zu berücksichtigen.

Ergo: Wir, also die Mandantin, hatten auf ganzer Linie obsiegt.

Der Gegenstandwert ( Geschäftswert ) für beide Streitverfahren wurde auf just jene 10.000 DM festgesetzt, womit es wenigstens ein paar Extra - Gebühren gab. Doch da unterlag ich auch einem Irrtum. Just jene Gebühren musste ich später im Prozesskostenhilfeabrechnungsverfahren anrechnen lassen.

Merke also: Viel Luft im Reifen, um beinahe nichts und teuer ist er auch geworden, der Streit um das 10.000 DM teuere Carbon - Rennrad.



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