Rentner - Rallye
Gestern war Montag. Montag, der 1. März 2021. Weil der Februar in diesem Jahr nur 28 Tage hat, wurden die Rentenzahlungen und auch Sozialtransfers, die sich dieses, unser, so heiß geliebtes Land, monatlich einige Milliarden kosten lässt, bereits am 26. des abgelaufenen Monats gezahlt. Somit stand allen Empfängern das Geld bereits am Samstag, den 27. März zur Verfügung. Für diejenigen Rentner und andere, deren Zugriff auf das Konto nicht punktgenau erfolgen kann, war dennoch erst Montag der große Einkaufstag.
Als ich mich in Richtung der " Norma " - Filiale in Eching´s Bahnhofstraße begab, hatte ich diesen kleinen, aber feinen Unterschied nicht berücksichtigt. Für mich war jener Montag, der 1. März 2021, ein stink normaler, ein nicht so geliebter, früher eher best gehasster " Blauer Montag ".
Der Wochenbeginn nach dem Wochenende, dass allerdings nur jeden zweiten Freitagabend begann, bedeutete während meiner Lehrzeit, dass ich nur sehr schwer " in die Gänge " kam. oft war ich unausgeschlafen, fühlte mich schlapp, einfach nur müde und das Leben in der Le(e)hre, da draußen, außerhalb des Elternhauses und des dort eingerichteten " Beatkellers " war eine Tortur. Dieses über drei lange Jahre.
Der Hass auf die danach folgenden, Hunderte " Blauen Montage ", er blieb. Allerdings schwächte sich dieser im Verlaufe der Jahrzehnte ständig ab. Ab und zu kommt er jedoch wieder hoch, dann nämlich, wenn mein SV Werder verloren hat. Das war ja in den letzten Jahren nicht gerade selten.
Einst, so Ende der 1970er Jahre, als ich mein BWL - Studium beenden wollte, belegte ch ein Studien - Hauptfach mit dem schönen, dem viel sagenden Begriff " Personalführung ". Der ehemalige Dozent an der Hochschule für Wirtschaft in Bremen ( die heißt jetzt längst irgendwie anders ) hieß Dr. Küppers. Der Dozent lehrte uns Studenten auch jene Fachtermini, die ich nach Abschluss des Studiums zwar nie wieder gebrauchen konnte, die aber dennoch im Hinterstübchen latent vorhanden waren. Ein Begriff war " Appetenz " und das Überbegriffliche davon war " Konfliktlösungen im Betrieb ". Nun, Dr. Küppers erklärte uns einst, was darunter zu verstehen sei und wie sich ein derartiger Konfliktfall zeige.
Ein Mitarbeiter / Arbeiter / Untergebener.... erschien an jenem " Blauen Montag " erneut sichtlich unmotiviert am Arbeitsplatz. Er war schlecht gelaunt und stänkerte herum; suchte Streit mit Kollegen usw. Der Grund für sein Verhalten war so simpel wie auch einleuchtend: Sein favorisierter Fußballklub hatte am Wochenende erneut verloren.
Dr. Küppers nannte dieses sodann " Appetenz - Appetenz - Konflikt ". Warum? Tja, weil die Frage nach den Ursachen des unmotivierten Verhaltens sowohl an dem Montag als auch bei dem Fußballverein zu lag. In der Psychologie, der Konfliktforschung, gibt es häufiger solche Fälle. Sie lassen sich nicht eindeutig zuordnen.
Und just diese Art von Fall lag am gestrigen Montag vor mir. Ich stellte mir beim Aufsetzen der schwarzen FFP 2 - Maske tatsächlich die Frage, warum ausgerechnet an jenem Montag, den 1. März 2021, so viele Rentner ihren Einkauf erledigen müssen. Wieso nicht am heutigen Dienstag, am morgigen Mittwoch? Nun mag es durchaus daran liegen, dass der letzte Tag des abgelaufenen Monats Februar, ein Sonntag war und an diesem Tag die Geschäfte, die in " Corona " - Zeiten öffnen dürfen, da aber geschlossen sind. Womit der berühmt berüchtigte Ultimo jenes Monats, der Samstag war. Und an diesem Samstag haben die Banken keinen Arbeitstag. Es stehen nur Automaten zur Verfügung. Die sind - mutmaßlich - wiederum für viele noch ältere der Bevölkerungsgruppe Rentner, in deren Bedienung zu kompliziert. Also ist Montag die früheste Möglichkeit, am Schalter wieder Geld zu bekommen. Das kosten zwar zusätzliche Gebühren, doch diese vom Bundesgerichtshof genehmigten Entgelte sind angesichts des oben Gesagten, wohl dann das kleinere Übel.
So schoben - vielleicht - deshalb gut ein Dutzend und mehr Kunden ihren stählernen, schon leicht abgenutzten Einkaufswagen durch die etwas zu engen Gänge der " Norma " - Filiale, und ich mittenmang! Sicherlich gehöre ich auch zu den Eisgrauen, die sich da durch die schmalen Gänge quälten, doch ich fühlte mich dann doch nicht dazu gehörig. Nein, ich trug nicht die eher leicht abgewetzt aussehende Kleidung. Ich hatte keine " Adidas " - Trainingshose von anno tobak an. Auch keine abgetragenen Schuhe. Und keine uralte Jacke. Was an jenem Montagmorgen in dem Geschäft einkaufte, was waren wohl eher verarmte Rentner, die es auch in Bayern zur Genüge gibt.
Der Freistaat ist groß, weshalb die sozialen Unterschiede auch enorm sind. Und das gilt auch für das eher beschauliche Eching, das an der Peripherie der Landeshauptstadt München liegt und sich deshalb als attraktiver Wohnort entwickelt hat. Aber, auch hier gibt es eben jene sichtbaren sozialen Unterschiede.
Während ich meinen Einkaufswagen vor mich her schob, beobachtete ich nebenbei, was jene verarmten Rentner in ihren Wagen hatten. Es war eher das aller notwendigste an Lebensmitteln, die dort eingelegt worden waren. Das Geschäft wurde noch voller. Ich beeilte mich, jene Artikel zur Kasse zu fahren, ehe dort der große Andrang beginnen sollte.
Beim Zurückgehen kam mir eine ältere, leicht gehinderte Frau aus der Nachbarschaft entgegen. Ich größte sie freundlich. Sie antwortet mir ebenfalls mit " Morgen ". Ein " Guter Morgen " würde jener Montag auch für sie nicht unbedingt werden, weil auch ihr Leben finanziell betrachtet eher auf Kante genäht ist. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Der frühe Tod des Ehepartners, eine Scheidung, keine eigenen, ausreichenden Rentenansprüche, weil Kinder zu versorgen waren oder eine Berufstätigkeit ausgeübt werden musste, die nur einen geringen Verdienst brachte. Dann reicht das zur Verfügung stehende Einkommen im Alter nicht aus, um ein menschenwürdiges, ein finanziell unbeschwertes Leben führen zu können. Jene Grauen, die immerhin einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, werden zwar nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben ihre materiellen Bedürfnisse herunter schrauben und vor allem in einer derartigen Situation kaum noch einen eigenen PKW fahren, eine Rentner - Rallye war es dennoch, die ich an jenem " Blauen Montag " in den Morgenstunden erlebte.
RALPH MCTELL - Streets Of London - 1975:
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