Berliner Holzkaltleim vom VEB Berlin Chemie





Es war dem Zufall geschuldet, dass ich in dem noch immer nicht vollständig aufgeräumten Keller ein Relikt aus jener Zeit in die Hände bekam, in der die untergegangene DDR ihre durchaus vorhandene Variabilität auf dem Sektor der Chemie - Fortschrittsgläubigkeit unter Beweis stellen konnte. Ich entdeckte neben einigen Farb - und Spraydosen, eine Plastetube mit Holzkaltleim. 

Auf der Suche nach diesem Betrieb, der damals in Ost - Berlin produzierte, fand ich unter anderem diese Seiten im Netz.

https://arche-foto.com/berlin-chemie.html

 https://urbexsneeker.de/veb-chemie_1/

An der einstigen Produktionsstätte befindet sich heute nur noch eine Industriebrache. Das verlassene Areal lockte indes einige Interessierte ( siehe die beiden Links ) an, die auf der Suche nach der DDR - Vergangenheit sind. Auffallend ist in den obigen Schilderungen, dass der von der " Treuhand " verscherbelte Betrieb seit 1992 im Eigentum des noch existenten Konzerns Menarini mit Sitz in Florenz / Italien ist. Dieser setzte zuletzt mehr als 3,7 Milliarden Euro um. Davon entfiele etwa 1,5 Milliarden auf das neu erbaute Werk un Berlin.

https://de.wikipedia.org/wiki/Menarini

https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Chemie

Mehr als seltsam ist es, dass dieses nur einige Hundert Meter von dem verlassenen Betriebsgelände entfernt liegt.

Nun stellt sich die Frage, ob diese Chemieanlage den " Berliner Holzkaltleim " weiterhin herstellt.

Hierzu konnte ich im all wissenden Netz eine Antwort erhalten.

Nein, das Berliner Chemiewerk stellt nur noch Pharmazeutika her. Aber unter der Bezeichnung " Berliner Holzkaltleim " wird von Holz - Kunstherstellern im Erzgebirge ein Produkt angeboten.

https://laubsaegenshop.biz/Z8112

Somit könnte der Kellerfund eine Art DDR - Nostalgie darstellen. Immerhin befand sich noch ein Rest des vormals 250 Gramm ausmachenden Inhalt in der Plastetube. Leider war dieser knochenhart und nicht mehr zu verwenden.

Ach, ja, eine ELN ist auf dem Behältnis auch noch zu erkennen. Sie lautete: 148 84 540. Diese Buchstabenkombination stand zu DDR - Zeiten für den Zentralen Artikelkatalog der Volkswirtschaft der DDR.  Tante Google formuliert es so: 

Elektronisches Laborbuch, Electronic Laboratory Notebook. Erzeugnis- und Leistungsnomenklatur, eine Schlüsselnummer in der DDR aus acht Ziffern für alle im Inland produzierten und vom Ausland importierten Erzeugnisse und Leistungen.

Tatsächlich findet sich unter Schlüsselnummer 148 auch der Holzkaltleim wieder,denn der zählte zu:

 148 : Klebstoffe, Kitte, Gelatine, Feinchemie

https://de.wikipedia.org/wiki/Zentraler_Artikelkatalog_der_Volkswirtschaft_der_DDR

Die nostalgische  Seite jenes wieder gefundenen " Berliner Holzkaltleim " ist damit geklärt. Die verstorbenen Schwiegereltern, selbst in der DDR groß geworden, hatten den Plastebehälter mit dem Kaltleim irgendwann in den Kellerschrank gestellt. Dort fristete er sein Dasein bis zum bitteren Ende der DDR und auch viele Jahre danach, ehe ich ihn mit anderen Gegenständen auf die große Reise von Dresden nach Eching schickte. Es wird seine letzte Tour sein.


SUN DIAL  -  Reflecter  -  1992:




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?