Beim Arzt


 

Mit zunehmenden Alter könnten sich die wichtigeren Dinge im eigenen Leben verändern. Je nach eigener Priorisierung ( das Fremdwort ist ja, dank Tante " Corona ", seit Monaten wieder aktuell geworden ) richtet sich das Hauptaugenmerk vielleicht nicht mehr nach so profanen Dingen, wie Schule, Job, Familie, Auto, Urlaub oder Haus, sondern es könnte durchaus sein, dass das körperliche Wohlergehen nun zunehmend in den Vordergrund rückt.

Bereits vor einigen Wochen hatte sich meine bessere Hälfte zu einem Termin bei einer hiesigen Praxis für Allgemeinmedizin ( vulgo: Hausarzt ) angemeldet. Sie verwechselte indes das Datum, verpasste den Termin und musste deshalb weitere 2 Wochen auf einen neuen warten.

Okay, damit lässt sich selbst in diesen betrübten Zeiten durchaus leben. Schließlich können wir uns immer noch gerade auf den Beinen halten, sind nicht chronisch krank oder sehen einen Arzttermin nicht als willkommenen Anlass, um aus dem Alltagstrott, der für viele Ältere auch mit Vereinsamung einher geht, heraus zu kommen. Auch den Montagmorgen verbringen wir nicht mehr im Wartezimmer beim Arzt, um diesen - nach reichlichem Palaver um eine vermeintliches Wehwehchen - die kostbare Zeit zu stehlen.

Als wir noch in der sächsischen Landeshauptstadt wohnten, meine bessere Hälfte von dort aus täglich nach Chemnitz zur Uni pendelte, saß ich einige Male mit im Wartezimmer der Allgemeinmedizinerin im gegenüber liegenden Stadtteil Gorbitz. Dort also, wo die Plattenbauten, die bereits bei der Abfahrt von den nahe liegenden Autobahnen A 4 oder A 17 von weitem sichtbar sind, einige Tausend Menschen beherbergen. Einige Male fing sich meine bessere Hälfte in der " Rumpelbahn ", die von Dresden aus nahezu jede Milchkanne anfährt, eine Erkältung / Grippe ein und war davon derart mit genommen, dass sie bereits am Samstagnachmittag die Symptome bemerkte.

Ich fuhr sie dann am Montagmorgen zu jener Arztpraxis in Gorbitz. Das dortige Wartezimmer war bereits kurz nach 8.00 Uhr knackevoll. Es wurde gehüstelt, geschnieft und geröchelt, was der Körper her gab. Nicht selten ging ich - immerhin gesund - dann nach draußen vor die Tür, um eine Ansteckung in jenem Bazillen - und Virus - Bereich zu vermeiden. Diese rein präventive Maßahme half aber dann nichts, wenn ich mich bereits zuhause angesteckt hatte.

Wie auch immer, das rappelvolle Wartezimmer schreckte mich ab. Ich hoffte, dort nie selbst als Patient sitzen zu müssen, denn ich hatte aus der eigenen - auch beruflichen - Vergangenheit hergeleitet, auch gegen Mediziner eine mehr als nur skeptische Grundhaltung entwickelt. Diese aber soll jetzt - unter gütiger Mithilfe meiner besseren Hälfte - langsam abgebaut werden, denn in der kommenden Woche habe auch ich einen Termin bei den Allgemeinmedizinern. 

Mein letzter Besuch ist mehr als 35 Jahre her. Einst musste ich in der Horner Straße in Bremen wegen der erforderlichen amtsärztlichen Untersuchung das dort vorhandene Gesundheitsamt aufsuchen. Ohne eine entsprechende Bescheinung wäre der Antritt zur ersten Station der 2 1/2 jährigen praktischen Ausbildungsphase in dem aufgenommenen Jura - Studium nicht ermöglicht worden.

Nun, die Amtsärztin von damals habe ich als eine her gedrungene, bebrillte Person mit der für die 80er typischen Sauerkraut - Frisur in Erinnerung, die mir beim Abhorchen einige dümmliche Fragen stellte und dabei einige spitze Bemerkungen absonderte, weil sie - mutmaßlich Kerl los - wohl auf meine Hungerhaken - Figur neidisch war. Ihre Untersuchungsaktivitäten erbrachten keinen Befund. Ich durfte auf die Menschheit weiter los gelassen werden und mittels vorgegeben Ausbildungsgang mich bei dem Erlangen der beiden Staatsexamina versuchen.

Zirka 6 Jahre zuvor musste ich eine weitere Untersuchung dieser Art ( es sollte primär fest gestellt werden, ob ansteckende Krankheiten, wie Tbc bei mir vorlagen ) über mich ergehen lassen. Dazu begab ich mich in die Praxis eines Allgemeinmediziners in Bad Eilsen, der einen griechischen Namen trug, nur ein nuschelndes Deutsch sprach und der mich sofort danach befragte, was und wo ich studieren wollte, weil seine beiden Söhne ebenfalls in Hannover ein Studium aufgenommen hatten. 

Davor hatte ich es als Kind und späterer Schüler regelmäßig mit den " Weißkitteln " zu tun. Ob nun eine Unzahl an Infektionskrankeiten, wie Masern, Röteln, Scharlach - vor allem aber Keuchhusten und andere Erkältungskrankeiten - , aber auch Unfälle, wie eine Kopfplatzwunde, eine Blutvergiftung durch einen Wespenstich oder eine bis heute sichtbare Narbe am Unterarm, die von einem Arbeitsunfall herrührt, sind bei mir noch in Erinnerung geblieben.

Ich habe dieses alles mehr oder weniger ohne bleibende Schäden überlebt.

Während ich draußen vor dem Gebäude, in dem sich die Praxis befindet, auf meine bessere Hälfte wartete, diese schon längst verblassten Erinnerung wieder aufleben ließ, bemerkte ich nicht, dass sie sich schon wieder aus der Praxis heraus gekommen war. Dann sprudelte es aus ihr heraus:

" Du glaubst gar nicht, was da jetzt los war! "

Ich: " Wieso? "

Sie: " Na, wegen " Corona "! Das war wie im Taubenschlag! "

Ich: " Nee, näh? "

Sie: " Die Ärztin und die Mitarbeiterinnen haben die Schnauze gestrichen voll! "

Ich: " Kann ich mir denken. "

Sie: " Die haben jetzt auszubaden, dass sie auch gegen " Corona " impfen können. Jetzt rufen das Hunderte, sogar 18jährige an, und wollen einen Termin. Da läuft nur noch der Anrufbeantworter. "

Ich: " Das gibt´s doch nicht. Die armen Ärzte und Mitarbeiter! "

Sie: " Ich habe mich für eine Impfung dort angemeldet! "

Ich: " Gut. Das mache ich dann auch! "

Sie: " Das dauert aber mindestens drei bis vier Wochen. "

Ich: " Egal! Besser, als auf einen Termin im Impfzentrum zu warten. "

Sie: " Die sind unfähig! "

Ich: " Klar, aber ´ne große Klappe, und dabei behaupten, dass es in Bayern besser läuft. "   


Wir: " Blöder Söder! "



HUMBLE PIE  -  I Don´t Need No Doctor  -  Performance: Rockin´The Fillmore  -  1971:





  


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