Beim Zahnarzt


Es gibt diverse Pflichten, die eher unangenehm  sind. Hierunter dürften uneingeschränkt auch die mit zunehmenden Alter zur Regelmäßigkeit ausartenden Arztbesuche zählen. Eine besondere Abneigung könnten so Geplagte gegenüber einem medizinischen Berufsstand entwickeln, der früher einmal auch als Barbier, Zahnbrecher, Marktschreier oder gar Quacksalber bezeichnet worden ist - den Zahnarzt.

Meine ersten - unfreiwilligen - Begegnungen hatte ich mit jenem Beruf als Schüler. Hier erschien nämlich einmal im Jahr der Schulzahnarzt. Und dieser schickte mich bald zu einem in Bad Eilsen praktizierenden Kollegen. Es war eben eine andere Zeit, in der eher Mangelernährung vorherrschte. Dennoch überstand ich die Austauschprozedur der Milchzähne ohne große Komplikationen. Die meisten der dann gelockerten ersten Zähne " wackelte " ich mir selbst aus dem Mund. Eine nicht selten blutige Angelegenheit. Einige fielen beim Essen, beim Kauen von Äpfeln oder Nüssen von selbst heraus. Dieses geschah unmerklich. Wo vor wenigen Tagen noch ein Zahn in der Reihe des Ober - und Unterkiefers vorhanden war, hatte sich quasi über Nacht eine Lücke gebildet. Der Milchzahn war weg und würde nicht wieder eingesetzt werden können, denn darunter wölbte sich bereits das Zahnfleisch, aus dem der neue Zahn hervor lugte.

Nach dem Austausch der Milchzähne zugunsten der richtigen, wurde es so ab 16 Jahren wirklich ernst. Wenn jetzt Zähne beschädigt waren, war der Gang zum Zahnarzt unvermeidlich. Dieser glich in den 1970er Jahren einem Gang nach Canossa. Da das Elternhaus sich eher oberflächlich um das Gesundheitswohl bemühte, war das Thema Zähneputzen auch nur eines, das so am Rande der Versorgung mit lief.

Die Quittung dafür folgte bald durch mindestens halbjährliche Zahnarztbesuche. Nachdem die Praxis in Bad Eilsen dicht machte, hieß dieses, einen Dentisten in Bückeburg aufzusuchen. Hier praktizierten einige Zahnärzte. Es handelte sich dabei um jene akademischen Handwerker, die noch zu Nazi - Zeiten ihre Ausbildung absolviert hatten. Einfach gesagt, die Mehrzahl dieser war eher als Schlächter, denn als aufklärend informierender Dienstleister zu sehen.

So geriet ich hier an einen der " Alten Schule ". Er musste damals schon seine besten Jahre gehabt haben, denn der Herr Dentist unterhielt die Praxis mit nur einer Mitarbeiterin.
Dementsprechend war dessen Auftreten mürrisch, schroff und anmaßend. Er wühlte in meinem Mund herum und zog mit diesem ekligen, verchromten Widerhaken und einem Miniatur - Spiegel bewehrt, an allen Zähnen herum. Es schmerzte deshalb, was ihm herzlich egal war. Schließlich entfernte er den Zahnstein mit einer dieser jaulenden Mini - Fräsen. Das war´s.

Ich besuchte den unfreundlichen Zahnarzt nie wieder. Später hörte ich, dass dieser seine Praxis aufgegeben habe. 
Auch ein weiterer Kollege mit dem Namen M. erschien mir als wenig anders im Umgang mit seinen Patienten. Der Unterschied bestand darin, dass dieser ständig irgendwelche Liedchen vor sich her sang; im Sommer sogar Weihnachtslieder. Es kann sein, dass der Zahnarzt M. aus Bückeburg damit die - auch bei mir -  latent vorhandenen Ängste während des Besuchs abbauen wollte.
M. musste bei mir bohren und Füllungen einsetzen.

Während meines Studiums suchte ich zunächst einen jüngeren Zahnarzt in Wilhelmshaven auf, der auch nur die notwendigsten Arbeiten durchführte, vornehmlich den Zahnstein entfernen. Es wat mein erster und zugleich letzter Besuch bei diesem demotivierten Zahnarzt.
Später wurde mir ein in Bremen - Horn praktizierender Kollege empfohlen. Es war eine jüngerer, kompetenter und motivierter Zahnarzt. Hier blieb ich mehr als 8 Jahre. 
In den Zeit während meiner Berufsausübung als Rechtsanwalt entwickelte ich eine zunehmende Antipathie gegenüber diesem Berufsstand. Es mag daran gelegen haben, dass ich einige Rechtsfälle, die sich mit mangelhaften Leistungen befassten, zu bearbeiten hatte.

Dennoch musste ich einige Male den gegenüber der Kanzlei liegenden Zahnarzt wegen Schmerzen in den Backenzähnenbereichen aufsuchen und verlor nach und nach einige der Kaufhilfen und zwar für immer. Mitte der 1990er Jahre war ich bei einer Zahnärztin in der Bremer - Neustadt in Behandlung. Sie zählte zu den vielen ihrer Zunft, die auch in der Hansestadt nicht so richtig auf die Füße kamen. Will heißen: Sie war ein Hungerleider, so wie ich als Selbständiger auch.

Nach längerem Hin und Her, verpasste sie mir eine Brücke, die zunächst nicht passte. Sie schliff und bohrte an den noch verbleiben Originalzähnen herum. Dabei traf sie den Kieferknochen. Ich stieg senkrecht aus dem Behandlungsstuhl nach oben weil ich trotz einer Betäubung, den Scheiß - Bohrer spürte. Eigentlich hatten weder das beauftragte Labor, noch sie gute Arbeit geleistet.
Nach einigen Jahren trug ich das Scheiß - Ding nicht mehr. Dieses Monster aus Metall war eigentlich eine Zumutung.

Die letzte Zahnärztin, die ich Jahre danach aufsuchte, hatte eine Mini - Praxis in ihrem eigenen Haus in Bremen - Sebaldsbrück. Ich ließ bei ihr den Zahnstein entfernen. Während sie ohne Handschuhe in meinem Mund herum wühlte, roch ich an ihrer Hand, den mir bekannten Geruch von Katzenfutter. Auch eine Zumutung. Egal, sie sah mich eh nicht wieder.

Nun saß ich - eine Unzahl von Jahren waren vergangen - bei einem Zahnarzt in Unterschleißheim. Meine bessere Hälfte hatte diesen auf Empfehlung unserer Tochter heraus gesucht und einen Termin vereinbart.

Das leicht mulmige Gefühl, das mich dabei befiel als ich die Praxis in der benachbarten Stadt betrat, verflog schon nach wenigen Minuten. Die Mitarbeiterin am Empfang sprach bayrischen Dialekt. Was bedeutete, dass sich meine Konzentration voll und ganz auf das Gespräch mit ihr hinzog. Das ungute Gefühl war sofort verschwunden. 
Zunächst übergab meine bessere Hälfte ihr so benannte " Gesundheitskarte " unserer " AOK Sachsen usw. ", die sich selbst als " Gesundheitskasse " tituliert. 
Nein, das Kartenlesegeräte links neben dem verglasten Eingangsbereich, dass sei zu benutzen, sagte die nicht mehr ganz taufrische Dame. Meine bessere Hälfte versuchte die " Gesundheitskarte " in den Slot zu stecken. Es gelang ihr dann auch. Wir warteten. Es geschah nichts. 
Die Bayerin bat um einen neuen Versuch. Wieder nichts. 

" Ihre Karte ist nicht gültig! ", behauptete sie nun.
" Das kann nicht sein! ", konterte meine bessere Hälfte. " Ich war erst kürzlich bei der Frauenärztin, da hat die Karte einwandfrei funktioniert. ", fügte sie hinzu.

Noch ein Versuch. Drei Mal ist Bremer Recht? Nee, dass darf ich gegenüber einer in Bayern Geborenen nicht behaupten. Damit hätte ich mich sofort verraten und zudem indirekt ausgesagt, dass mein Herz für den SV Werder schlägt und nicht für die " Roten " aus München.

Wieder kein Erfolg.

" Wir könnten ja erst mal meine Karte nehmen? ", schlug ich der Mitarbeiterin vor und fischte in meinem Portemonnaie herum. Ich übergab meiner besseren Hälfte die " Gesundheitskarte " und wir warteten. Tatsächlich, die ging. Meine bessere Hälfte schob sie mir auf dem Tresenrand zurück.
Aha, immerhin ein Patient ist erfasst. 
Dann entnahm die Dame aus einem Schrank ein silberfarbenes Gerät. Danach ein weiteres und legte beide auf den Tresen. Was sollte das jetzt sein?

Sie übergab uns jeweils einen dieser modernen Dialoggehilfen, was sich " ipod " nennt. Dabei stellte sie in einem leicht überzogenen Ton die existenzielle Frage, ob wir uns mit dem Gerät auskennen würden.    
" Ja, ein wenig. ", antwortete ich ihr. Hätte ich jetzt hinzu gefügt, dass unsere Tochter in der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland arbeitet, wäre sie bestimmt nicht in einem leicht überlegenen Ton hierbei heran gegangen? Nein, nicht so aufschneiden. Schließlich wollen wir ja behandelt werden.

Wir saßen im Wartezimmer, einem hell angestrichenen, nüchtern eingerichteten Raum mit einer dieser typischen Glasaufbauten. Während des leicht mühsamen Durcharbeitens von 15 Frage - und Informationsseiten versuchte ich die gesamte " ipod " - Technik zu verstehen. Irgendwie kam ich - wenn auch mit erheblichen Schwierigkeiten - dann doch klar, wobei mir die Mitarbeiterin im bayrischen Akzent behilflich war.  

Nachdem die erforderlichen Formalien abgeklärt waren, durfte meine bessere Hälfte zuerst in das Behandlungszimmer. Hieraus hörte ich nach einigen Minuten schallenden Gelächter. Mein mulmiges Gefühl schwand mit jeder weiteren Minuten des Wartens. Ich griff jetzt mutig einige der ausgelegten Prospekte auf und las die bunt bebilderten Hochglanz - Broschüren. Boah, was die dort abgebildeten Damen für schöne Zähne haben? Damit konnte ich nur im ersten Jahrzehnt nach dem Milchzahnwechsel mithalten. Danach wurde die Anzahl der noch existieren Kauhilfen immer geringer. In  den werbewirksamen Blättchen wurde denn auch ordentlich dick aufgetragen. Was es da nicht so alles an Zahnersatz und Gebissverschönerungen gibt?

Tja, wie vieles in unserem realen Leben, hängt auch dieses vom Portemonnaie oder dem eigenen Kontostand ab. 
Doch in einer Zeit, in der die Kreditinstitute sich darin überbieten, dem mündigen Bürger und potentiellen Kunden das Geld nur so hinterher zu werfen, gibt es auch auf diesem Gebiet Finanzierungshilfen. Da wird dem Patienten eine günstige Kreditierung über bis zu 48 Monate mit entsprechend kleineren Raten angeboten. Immerhin ein gewaltiger Fortschritt im Vergleich zu den Bedingungen von vor 25 Jahren!
Ich wurde jetzt aufgerufen. Der Zahnarzt war vielleicht so in unserem Alter und kam aus Münster in Nordrhein - Westfalen. Er erklärte mir nachdem er meinen Friedhof im Mund in Augenschein genommen hatte, welche Möglichkeiten in Betracht kommen könnten. 
Dann schickte er mich in den Nebenraum, wo zunächst ein Röntgenbild erstellt wurde. Das erstellte Röntgenbild zeigte mir mit aller Brutalität, was ich in den letzten 20 Jahren versäumt hatte, Die noch vorhandenen Zähne ließen mich zu einem Alien werden. Krumm und schief, die Wurzeln gaben dem Betrachter den Eindruck, als habe ein Hurrikan der Kategorie " Katrina " , " Josefine " oder " Hugo " an ihnen herum gezerrt. Furchtbar!

Doch dem Doc ließ dieser Anblick vollkommen kalt. Er erklärte mir, was er hiergegen als akademischer Handwerker noch machen könne. Ich war ein wenig erleichtert. Nun, die Hoffnung stirbt nie zuletzt, sondern sie bleibt sehr bei einem Trümmerfeld noch vorhanden, wenn der Zahnarzt als Fachmann etwas taugt. Und da hatte ich in Dresden über viele Jahre meine Zweifel. Diese wurden zudem noch dadurch genährt, dass mir ein Nachbar einst erzählte, die von ihm dann und wann aufgesuchte Praxis würde " nicht laufen ". Da schrillten bei mir als bereits - wie oben beschrieben privat sowie beruflich - Vorgeschädigter sämtliche Alarmglocken. Entweder die dort tätigen Damen hatten den falschen Stadtteil, um eine Zahnarztpraxis zu führen, weil es nicht genügend - auch zahlungskräftige - Patienten gibt oder - was wohl eher wahrscheinlich war - sie konnten nüscht. Ich betrat die Praxis erst gar nicht und trollte mich wieder auf den Heimweg.
 
Vor einigen Tagen kam der von dem Zahnarzt aus dem benachbarten Unterschleißheim avisierte Heil - und Kostenplan. Na,ja, ein Kleinwagen - wie er einem ehemaligen Arbeitskollegen meiner besseren Hälfte - im Gegenwert der eingesetzten Prothesen und Implantate gekostet haben soll, ist es keineswegs geworden. Die Zuzahlung von zirka 600 Euro hält sich auf noch in Grenzen und die ab Mai anstehende Prozedur werde ich auch überleben. Nun heißt es aber erst einmal warten, denn die angebliche " Gesundheitskasse ", die " AOK Plus " hat nicht nur in " Corona " - Zeiten eine sehr lange Leine: will heißen: Die Bearbeitungszeit des Antrags auf Kostenübernahme wird mindestens 6 Wochen dauern.
Erst danach wird es wieder etwas zu berichten geben, wenn es heißt:

" Beim Zahnarzt "!



SPOOKY TOOTH  -  Feelin´Bad  -  1969:
 





Waitin´For The Wind:





  
  

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