Gaffer in Grau



Gestern war ein kühler Frühlingstag. Eigentlich wäre der Rundlauf um den Hollener See eingeplant. Doch wir hatten nicht die richtige Lust. Vor allem deshalb nicht, weil es ab den Morgenstunden ein wenig nieselte. Kein Lauf - Wetter für uns Graue. So kam meine bessere Hälfte denn nach der kurzen Mittagsruhe auf die Idee, ersatzweise einen Gang durch die Gemeinde zu starten. Zuvor aber beklagte sie sich lautstark, dass wir seit Wochen keinerlei zusätzlich Aktivitäten gestartet hätten. Mit Ausnahme des Ostereier - Festes, stimmte es ja. Sie zeterte herum und beschuldigte mich, dass ich ihr Fahrrad bislang nicht in Ordnung gebrachte habe. Okay, das stimmte. Doch aus dem avisierten Mai - Aufenthalt an der schönen Ostsee wird ja dank Tante " Corona´s " Wirken und Dazutun nix. Weshalb ich die Fahrradbremsen auch noch nicht überprüft und repariert hatte. Aber, dieses Argument zog bei ihr jetzt nicht mehr. Sie wolle endlich mal mit dem Rad in Richtung Haimhausen fahren, dorthin, wo die mittlere Enkeltochter seit einem Jahr die Internationale Schule besucht. Nun, ich gelobte Besserung.

Dann zogen wir unsere Jacken an und starteten den Spaziergang. Vorbei an der Großbaustelle, die irgendwie kaum Veränderungen zeigt. Dann sahen wir aber an der Hollener Straße, dass dem nicht so ist. Ein riesiger Krater war auf dem Gelände zu sehen, in dessen Mitte ein paar Arbeiter Eisengeflecht zusammensetzen. Es geht also voran.

Über die Prof. Kurt - Huber - Straße gingen wir zur Geschwister - Scholl - Straße, dann über die Frühlingsstraße in Richtung Bahn. Ich hatte rein vorsorglich meine " Pentax " umgelegt und knipste einige der längst blühenden Bäume und Sträucher; im Hinterkopf kreisten dabei meine Gedanken um die Gestaltung eines neuen Blog - Eintrags. Entlang der Häuser gehend, machten wir einige kritische Anmerkungen zu dem Zustand einiger Gärten oder Vorgärten. Nun, ja, nicht jeder Hauseigentümer oder Mieter muss ein Händchen für seine kleine Grünanlage besitzen. Und selbst wenn, ist der Kreativität hierbei kaum eine Grenze gesetzt. Immerhin, die Mehrzahl der Grundstücke sah für uns akzeptabel aus.

Nach zirka einer Stunde gelangten wir wieder an das Neubau - Areal. Die Arbeiter standen dort immer noch in dem Krater und flochten das Eisen für den Keller. Ich erinnerte mich beim während des Vorbeigehens an ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht Bremerhaven, dass sich gegen den Inhaber eines dieser vielen Subunternehmens richtete. Dieser sollte in den frühen 1990ern Steuern und Sozialabgaben in sechsstelliger Höhe hinterzogen bzw. nicht abgeführt haben. Es drohte den Angeklagten Knast. Es endete für die Angeklagten mit einer Verfahrenseinstellung gegen eine minimale Geldauflage. Meine Verteidigergebühren zahlte zum Teil Papa Staat.

Über den rückwärtigen Fuß - und Radweg gelangten wir wieder zur Trezzanostraße. Immerhin hatten wir einige Kilometer zurückgelegt. Am benachbarten Grundstück glotzten uns immer noch die bunten Plasteeier an einem Strauch an. Ich begab ein wenig zu lästern. Dann entdeckte ich den Nachbarn selbst. Er stand in seinem Garten und werkelte dort ein wenig herum. Wie schon gesagt, ein Händchen für die Gartengestaltung muss nicht jeder Bewohner vorweisen können, um sich wohl fühlen zu können. Dieser Nachbar ist eher der Kategorie kreativer Gartenfreund zuzuordnen.

Wir begrüßten ihn freundlich und kamen sofort ins Gespräch. In " Corona " - Zeiten, im Zuge steigender Inzidenzen, eine nicht so einfache Sache, denn das Abstandsgebot muss beachtete werden und das Zusammenrotten von mehr als einem Haushalt wird mit einem Bussgeld angedroht. So aber, standen wir in erlaubter Weise auf der Straße und plauderten miteinander. Eine willkommene Abwechselung in diesen tristen Zeiten.

Dann geschah etwas, was unsere Neugier erwecken ließ. Einige Häuser hinter uns fuhr die Echinger Feuerwehr heran. Erst ein kleiner Einsatzwagen, dann ein Leiterwagen, dann noch ein Einsatzwagen. Ergänzt wurde das motorisierte Aufgebot von einem heran brausenden Notarztwagen. Kurze Zeit danach schoss ein weiterer an uns vorbei und hielt vielleicht 50 Meter hinter uns. Was war da denn los?

Die Unterhaltung stockte. Unser Hauptaugenmerk galt nun dem Treiben der Feuerwehr und er medizinischen Kräfte, die um ihre Autos herum wuselten. Dann entschwanden einige, immer brav mit Schutzmasken bewehrte Damen und Herren in einem Eckhaus, das wir schon seit längerer Zeit als aus der Mehrzahl der anderen Bauten heraus stechend erkannt hatten. Dieses nicht nur, weil es durchgängig blaue Fensterrahmen besitzt. Es war architektonisch betrachtet sehr interessant gebaut worden.

Nach und nach erfuhren wir, dass der einstige Bürgermeister der Gemeinde hier seine Unterkunft bezogen hatte. Vor einigen Jahrzehnten wurde er als der jüngste im gesamten Freistaat geführt, ehe er dann in der Landeshauptstadt seine weitere berufliche Erfüllung erfuhr und so ganz nebenbei der Honorarkonsul irgendeines kleinen Inselstaates in der Karibik wurde. 

Der Leiterwagen der Feuerwehr wurde in Gang gesetzt. dann wieder in die ursprüngliche Stellung zurück gefahren. Kurz darauf wieder hoch gefahren. Auf dem Dachbalkon waren drei Feuerwehrmänner in voller Montur zu erkennen. Unser Nachbar erklärte uns dabei, was es mit dem Haus, dem Bewohnern und dem jetzigen Einsatz der Feuerwehr auf sich haben könnte. Der einst jüngste bayrische Bürgermeister war mittlerweile bereits in die Siebzig gekommen. Er wohnte in der Dachgeschosswohnung, die eine eigens dafür eingebaute Wendeltreppe mit den übrigen Räumen verband. Und just diese Treppe wurde zum neuralgischen Punkt für den offensichtlichen Krankentransport.

Der Einsatz zog sich hin. Wir stand längst nicht mehr alleine auf oder an der Wohnstraße. Es gafften auch weitere Nachbarn zu dem besagten " Blauen Haus " herüber. Wir unterhielten und auch mit diesen. Dann geschah das, was in solchen Fällen durch den Gesetzgeber im fernen Berlin als präventive Maßnahme gegen zu Neugiere vorgesehen ist: Ein Feuerwehrmann kam auf uns zu und sprach mich im tiefsten oberbayrischen Dialekt an. Ich muss auf ihn dabei einen Gesichtsausdruck wie ein Bauer auf  einem stehen gebliebenen Trecker gemacht haben, denn er wiederholte alsdann die Aufforderung in einem nicht akzentfreien Hochdeutsch: 

" Darf ich Sie jetzt bitten weiter zu gehen? ", stellte er höflich seine Frage.

Ich begann mit ihm zu diskutieren. Er konnte ja nicht wissen, dass wir aus der unmittelbaren Nachbarschaft kamen. Meine Argumente verfingen bei dem jungen Mann in Uniform nicht. Er beharrte darauf, dass wir unseren Stehplatz verlassen sollten und fuchtelte dabei mit beiden Armen so herum, als wollte er Hühner vor sich her treiben. Wir trollten uns. Ich in dem guten Gewissen, dass der Klügere auch hier nach gibt und ein Deutscher in Uniform eben immer noch ein sich für einen besseren Menschen Haltender ist.

Nun, die Rechtsgrundlage indes war von Beginn an eine andere:


Art. 24
Platzverweisung
1Soweit Polizei nicht zur Verfügung steht, können Führungsdienstgrade der Feuerwehr oder von ihnen im Einzelfall beauftragte Mannschaftsdienstgrade das Betreten der Schadensstelle und ihrer Umgebung verbieten oder Personen von dort verweisen und die Schadensstelle und den Einsatzraum der Feuerwehr sperren, wenn sonst der Einsatz behindert würde. 2Unmittelbarer Zwang durch körperliche Gewalt und deren Hilfsmittel darf entsprechend den Art. 75 Abs. 1 und 3, Art. 77 Abs. 2, Art. 78 Abs. 1, 2 und 3, Art. 79, 80, 81 des Polizeiaufgabengesetzes angewendet werden.


Hier ist eindeutig geregelt, dass eine Behinderung des Einsatz geben sein muss, wenn ein solcher " Platzverweis " gegenüber einem Zuschauer  ( vulgo: Gaffer ) ausgesprochen werden darf.

Und eine zufällig anwesende Person bei einem Feuerwehreinsatz ist dann weder ein Grund zum Einschreiten, wenn sie - so wie wir - eben keine Behinderung des Einsatzes darstellt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schaulustiger

https://www.bussgeldkatalog.org/gaffer/


Sei´s drum. Der über eifrige Echinger Feuerwehrmann hat nur  nach besten Wissen und Gewissen gehandelt - will heißen: Nicht jeder Mann muss auch Jurist sein, auch wenn er eine Uniform trägt.

Und weil ich mich bereits vor Jahren über eben jene Spezies echauffiert habe, zähle ich mich zu den Einsichtigen unter uns:


https://draft.blogger.com/blog/post/edit/8221564797470254880/7634341144797058174



THE MOVE  -  Fire Brigade  -  1968:





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