Preisschock
Vorgestern war Sonntag. Der Februar geht zu Ende. Der März und damit der Frühling klopft an die Tür. Doch so richtige Freude mag der Beginn der wärmeren Jahreszeit nicht hoch kommen lassen. Nicht nur, weil es in einigen Regionen des Landes noch mal richtig frostig geworden ist und die Heizung wieder anspringt, damit die Räume nicht auskühlen und der Mieter oder Eigentümer sich bald einen Schnupfen holt, wenn er bei 16 Grad bibbernd den Morgenkaffee schlürft. Weil jedoch Öl, Gas und Strom in den letzten Monaten so richtig teuer geworden sind, versucht so mancher Verbraucher eine Sparstrategie zu entwickeln, um den demnächst folgenden Preisschock einigermaßen ertragen zu können.
Nun kommt auch noch - eigentlich zur Unzeit - der Ukrainekonflikt hinzu. Der Durchschnittsmensch in den industrialisierten, den wohl habenden Ländern dieser Welt, mag jene Marktentwicklung vielleicht mit knirschenden Zähnen hinnehmen. Für die Mehrzahl der Erdenbewohnern ist diese jedoch existenzbedrohend. Ihr Dasein, ihr Leben ist eh schon auf Kante genäht. Deshalb führt jeder zusätzliche Dollar, der für ein Barrel Rohöl auf dem Weltmarkt zu zahlen ist, zu einem nahezu unlösbaren Existenzproblem.
Mit solchen Gedankenspielen wird die Bevölkerungsmehrheit in den reicheren Staaten der Erde nicht unbedingt konfrontiert. Auch wenn hier die Energiepreise längst durch die Decke geschossen sind. Ein warme Bude, ein funktionierendes Smartphone und ein fahrendes Auto sollten immer noch keine Utopie sein. Allerdings werden diese Errungenschaften der nicht mehr so exzessiv und extensiv zum Indikator des eigenen Wohlbefindens hoch gejubelt werden. In den 50er Jahren, zu Zeiten des so genannten Wirtschaftswunders in Westdeutschland, prägte der damalige CDU - Kanzler den fordernden Slogan des " Masshaltens ". Der Boom, der Drang nach materiellen Wohlergehen, nach Konsum, der nachgeholt werden sollte, war in der breiten Bevölkerung derart stark, dass es kaum noch Hemmungen gab, diesem nicht ausleben zu wollen.
Irgendwann aber stockte das Wirtschaftswachstum, der " Konjunktur - Motor " stotterte. Es folgte zu Beginn der 1970er Jahre die als " Ölkrise " in die Historie Westdeutschlands eingegangenen Ereignisse, bei denen es Vorwarnungen gab, die Wachstumspolitik nicht weiter zu führen. Das ist jetzt glatte 50 Jahre her.
Einst empörten sich die westdeutschen Medien, vornehmlich die Lügen - und " Revolver " - Blätter aus dem Springer - Konzern, über die Unverfrorenheit, mit der die arabischen Scheichs den Ölpreis - Prügel gegen die Autofahrer des Westens schwangen, um ihre politischen Ziele, nämlich die " Vernichtung " Israels voran zu treiben. Die reaktionären BWL - Dozenten der FH in Wilhelmshaven versuchten uns Studenten davon zu überzeugen, dass es sich nicht um ein Öl - Boykott handele, sondern um ein Embargo, denn es seine ja die OPEC - Staaten, die an dem Liefermengenhebel hantierten und nicht etwa die nachfragenden Industrieländer des Westens, die die Rohöl - Förderungen durch eine verminderte Nachfrage beeinflussen würden.
Sieht der Betrachter es von der Seite des damals betroffenen Konsumenten, so stellte sich die Marktsituation ganz anders dar. Es gab genug Öllieferungen, die allerdings nicht an die verarbeitende Raffinerien ausgeliefert wurden, weil mittels einer so erzeugten Verknappung der Rohölpreis in die Höhe getrieben werden konnte. Zu jener Zeit dümpelten Hunderte Tanke auf den Weltmeeren herum, die voll beladenen mit dem angeblich teuren Rohöl auf eine Order zur Auslieferung und dem Löschen der kostbaren Fracht warteten. Smit war der Erdöl - Lieferboykott sehr wohl einer, denn die Ölkonzerne boykottierten die Lieferung an die Verbraucher und jazzten damit die Preise in die Höhe. Die stiegen nahezu täglich um einige Pfennige. Statt damals um 60 Pfennig je Liter Normalbenzin an den wenigen Zapfsäulen zu zahlen, musste der Autofahrer bereits über 75 Pfennig berappen.
Beinahe 50 Jahre später kostet der Liter Normalbenzin umgerechnet 3,50 DM oder 1,75 Euro. Davon kassiert " Papa " Staat mehr als einen Euro je Liter Kraftstoff.
Als ich gestern Abend an einer Tankstelle an der B 13 vorbei fuhr traute ich meinen Augen nicht. Der Dieselkraftstoff, den ich zuletzt im Oktober 2020 tanken musste, war mit 1,729 ausgepreist. Mehr als 0,60 Euro als an jenem Tag, an dem ich für unseren Mazda 6 Kombi Diesel eine Zapfsäule aufsuchen durfte. Heute Morgen zuckelte ich mit dem E - Golf der Tochter wieder an der Tankstelle vorbei. Der Dieselpreis hatte sich quasi über Nacht um 14 Eurocent verteuert. Er stand jetzt bei 1,869 Euro pro Liter.
Ich erinnerte mich an eine Karikatur im " Vorwärts ", dem Presseorgan der SPD, die sich mit der Ölpreisentwicklung nach dem angeblichen " Ölschock " von 1973 befasste. Damals versuchten die " Sozis ", zu denen ich mich später auch zählen durfte, die Belange des " kleinen Mannes ", der Arbeiter, der nicht so Reichen, zu vertreten. Das gelang bei der Ölpreisentwicklung nicht, denn die Politik hatte auf die Preisgestaltung keinen direkten Einfluss. Mittlerweile ist dieses ja vollkommen anderes. Nun, diese Zeichnung zeigte eine Tankstelle, an der zunächst einige PKW in diversen Größen und Ausführungen zum Tanken standen. Die Preise lagen bei üblichen 0,70 DM je Liter. In der folgenden Abbildung war ein Preis von 1,40 DM zu sehen. Die Anzahl der Autos hatte sich reduziert. Es waren nur noch PKW der gehobenen Klassen zu erkennen. Die dritte Abbildung zeigte einen Preis von 2,50 DM je Liter Benzin. Es standen nur noch Limousinen an den Zapfsäulen. Das letzte Bild ließ einen Preis von 5,00 DM je Liter Benzin erkennen. Es stand nur eine Luxuskarosse an der Säule.
Sinngemäß fabulierte der Karikaturist von der Mobilität der Bonzen.
Nun wissen wir aber, dass genau das Gegenteil eingetreten ist. Der vom Staat weiterhin gepriesene Individualverkehr hat bislang zu keinem erheblichen Rückgang auf dem Sektor des privaten Fahrzeugverkehrs durch die exorbitanten hohen Benzinpreise geführt. Doch das könnte sich jetzt ändern. Die Ukraine - Krise wird viele Abläufe des globalen Wirtschaftskreislaufs beeinflussen. Sie führt zu wilden Spekulationen auf dem Energiemärkten und zur Preistreiberei durch die Konzerne. Aber auch der Staat verdient dabei ordentlich mit. Mit jedem Eurocent kassiert er ebenfalls ab. Würden die staatlichen Steuern und Abgaben auf den Benzinpreis vollkommen weg fallen, dürfte sich dieser auf das Preisniveau von vor einem halben Jahrhundert einpegeln. Wenn auch in Eurocent statt in Pfennigen.
Diese Gedanken kamen mir, während ich an der Ampelkreuzung in Richtung Eching stand. Irgendwie kam es mir auch so vor, als habe das Verkehrsaufkommen an die Dienstagmorgen wegen des Preisschocks an den Tankstellen nachgelassen. Vielleicht habe ich mich aber nur getäuscht, weil ja im Freistaat Bayern noch einige Tage lang Schulferien sind.
Wie dem auch sei, ich tanke nicht mehr Benzin, denn mein Kraftstoff kommt aus der Steckdose. Und dieser wird in einigen Wochen beinahe gratis geliefert werden, wenn die Solaranlage auf dem Dach des Hauses in Oberschleißheim betriebsbereit ist und uns sann anzeigt, dass der Strom jetzt von der Sonne kommt.
Bis dahin aber werde ich dann und wann mal einen Blick auf die Tankstellenpreise werfen und dabei die E - Autos loben, die jetzt beim Energie sparen helfen.
JOHN UZONY´s PEACEPIPE - Open Your Mind - 1970:
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