Sprung auf! Marsch! Marsch!

 


Am 1. April 1972 musste ich in Munster / Lager im Bundesland Niedersachsen meinen Wehrdienst antreten. Gut, ob es nun Kriegsdienst hätte heißen müssen, darüber könnten sich selbst heutzutage noch die ergrauten Geister streiten. Eigentlich wäre diese Bezeichnung für den Dienst an oder besser, mit der Waffe in der Hand, zutreffender, denn es gab einst eine Unzahl von jungen Männern, die sich gegen jene Art von Waffendienst aussprachen und die wurde als Kriegsdienstverweigerer, aber auch mit Wehrdienstverweigerer, bezeichnet.

Ich gehörte nicht dazu, obwohl mir dieser staatlich verordnete Zwang vollkommen zuwider war. Ich hätte lieber nach der kaufmännische Lehre etwas völlig anderes angefangen. Irgendetwas mit Musik oder so. Discjockey vielleicht; Plattenverkäufer, noch besser Plattenladeninhaber. Doch ich hatte nicht den Mut, mich gegen diesen Zwang, mit den eigenen Händen zu einer Waffe greifen zu müssen, zu widersetzen. Also trat ich eben am 1. April 1972, genauer: am 2. April 1972, denn der Erste war ein Sonntag und da hatte die Mehrzahl der Bundeswehrsoldaten, aber auch der ungezählten Zivilbediensteten, Wochenende. Somit begannen jene 2 Jahre Militärzeit am Montag, den 2. April 1972 mit einer Zugfahrt von Bückeburg nach Munster / Oertze. Die Eisenbahn fuhr über Hannover, Soltau bis zum Bahnhof Munster. Dort erwarteten die mitreisenden Soldaten / Rekruten bereits Mannschaftstransporter.

Es herrschte ein klarer, bestimmender Kasernenhofton. Nachdem meine Ausbildungseinheit aufgerufen war, stieg ich auf den offenen Kastenwagen und wurde in die betreffende Kaserne gebracht.

Diese existiert heute noch. Sie nennt sich " Panzertruppenschule " und hieß zu jener Zeit " Kampftruppenschule II / III " (   https://de.wikipedia.org/wiki/Schule_gepanzerte_Kampftruppen ).

Ein riesiges Areal mit einer Vielzahl von Gebäuden. Bereits der Anblick während der Einfahrt ließ mich als in der Provinz Geborener erstaunen. Die weiteren Stunden waren klar strukturiert. Kasernenzuweisung,  Einkleidung, Antreten, Vorstellung der Ausbilder, des Kompaniechefs etc. Einige Tage später wurde es dann wirklich ernst. Die Waffenausgabe erfolgte. Übergeben wurde ein Gewehr ( G 3 ), das einige Jahre vor mir bereits Rekruten in ihren Händen gehalten hatten. " Die Braut des Soldaten ", wie es verniedlichend genannt wurde, musste streng nach Plan vorgegeben, natürlich pfleglich behandelt werden. Schließlich sollte der Rekrut lernen, wie seine " Braut " dann auch schießt und zwar nicht nur mit Platzpatronen oder, wie es im BW - Jargon hieß " - mit Übungsmunition ". 

Zeitgleich erhielten meine Mitstreiter und ich " Formalausbildung " . Dazu zählte auch " Geländeausbildung ", die in voller Montur absolviert werden musste. Und dazu gehörte auch das Verhalten im Gelände. Befehle, wie " Volle Deckung " bis hin zu " Sprung auf! Marsch! Marsch! " mussten bis zum Erbrechen eingeübt werden. Schließlich war der Panzergrenadier so etwas wie die bewaffnete Begleitung der stählernen Kolosse, die sich durch das großflächige Übungsgelände in der schönen Lüneburger Heide wälzten. 

Voller Ehrfurcht erklärten uns die vielen Ausbilder, wie ein Panzerangriff abzulaufen hatte. Da gab es den Kampfpanzer " Leopard 2 ", eine metallenes Ungetüm mit einer Präzisionskanone, die angeblich eine hohe Effizienz haben sollte. Was nichts anderes zu bedeuten hatte, dass mit dieser  Kanone, die sich auf dem Oberteil, also den Turm,  des Panzers befand und um 360 Grad schwenkbar war, über mehrere Kilometer ein anvisiertes Ziel getroffen und zerstört werden konnte.

Nun, Panzer waren mir nicht so ganz unbekannt. Ich hatte sie als Kind und Jugendlicher in Filmen, aber auch als Modellbaukasten, zum Beispiel von dem Hersteller " Revell " sowie auch in den " Landser " - Heften eines damaligen Mitschülers gesehen, in denen von den heroischen Missetaten deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg fabuliert wird. " Die Panzerschlacht von Kursk ", so oder so ähnlich lautete damals der Titel eines " Landser " - Heftes, den jener Mitschüler unter den Unmengen Heften liegen hatte. Schon zu jener Zeit konnte ich mit diesem militärischen Gedöns nichts anfangen.

Wenige Jahre später gehörte ich - wenn auch befristet - zu den Panzersoldaten. Ich fühlte mich aber in dieser Rolle, beim " Bund " zu sein, nicht gerade wohl. Der ganze Laden , seine auf Befehl und Gehorsam basierende Funktionsweise, die uniformierten Träger, rechten bis sogar faschistoiden Gedankenguts, sie gehörten nicht in meine Welt. 

Vier Wochen vor dem Ende der Grundausbildung wurde ich zum S 3 im Stabsgebäude der KTS II / III und in die Stammkompanie 2 versetzt. Das aktive Kriegsspielen hatte ein Ende. Meine " Soldatenbraut ", das G3 musste ich wieder abgeben und erhielt dafür ein anderes Gewehr, dass dann bis zum letzten tag meiner Dienstzeit in der Waffenkammer ruhte.

Panzer, vor allem in dem Schützenpanzer, der " Marder " hieß und für meine Waffengattung, den Panzergrenadier ( Slogan: " Er ist kein Mensch, er ist kein Tier, er ist Panzergrenadier " ) konzipiert war, bin ich nie mit gefahren. Eine Ausbildung an der Maschinenpistole, am Maschinengewehr, einen Umgang mit der Gewehrgranate oder der gleichfalls den Mantel des " Feindes Nummer Eins ", den Kampfpanzer durchschlagende Panzerfaust, habe ich nie erfahren. Doch von der verheerenden Wirkung dieser Waffen wusste ich natürlich.

Jetzt, also beinahe ein halbes Jahrhundert später, sah ich vor einigen Tagen in einem der vielen Nachrichten - wenn auch sehr verschwommene und zudem nicht verifizierte - Bilder aus dem Ukraine - Krieg ( der Putin´schen Spezialoperation zum Zwecke der Säuberung von Faschisten in dem Nachbarland ). Die Aufnahmen zeigten, wie - mutmaßlich - russische Kampfpanzer, die nahezu bewegungslos in einem breiten Straßenzug einer Stadt standen, dann durch so genannte Lenkwaffen aus einer oder mehrerer Kampfdrohnen wie Spielzeug auseinander gerissen wurden. Die Metall - Brocken flogen dabei wie Geschosse in den Himmel und horizontal in sämtliche Richtung. Von diesen Kolossen ( es war nicht erkennbar, ob es sich um die neusten T 14 oder ältere Modelle handelte ), bleiben auf den Straßenbereichen nur noch dunkle Flecken übrig.

Ob die Panzer zu diesem Zeitpunkt noch " bemannt " waren, war in dem Bericht nicht erwähnt. Es spielt im Nachgang eh keine Rolle, denn von der drei Mann - Besatzung wäre nichts mehr übrig geblieben. Als ich diese Bilder sah, erinnerte ich mich wieder an meine Bundeswehrzeit. Damals war elektronisches Kriegsspielzeug völlig unbekannt. Und, selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, der Tod eines Soldaten war genauso vorgeben, wie jetzt, in dem blödsinnigen Einmarsch der Putin - Armeen. Am Ende wird es ebenso nur Verlierer geben sowie Zehntausende Tote ( leider nicht nur Soldaten ).

" Sprung auf! Marsch! Marsch ! " oder lieber " Vorwärts Kameraden, es geht zurück "?    

    


TOAD  -  Pig´s Walk  -  1972:





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