Sommerzeit

 


In der Nacht vom 26. zum 27. März 2022 war es wieder soweit: Die Uhren durften um eine Stunde vorgestellt werden. So, wie all die Jahre seit 1980 wieder. Die unangenehme Prozedur nervt! Sie führt zudem zu einer im Frühjahr ohnehin grassierenden Unlust. Sie verstärkt damit die Frühjahrsmüdigkeit!  Gähn! 

Weil mich das Fußball - Testspiel der beiden Teams aus Israel und Deutschland genauso müde machen würde, wie die drohende Zeitumstellung, habe ich es mir geschenkt und bin bereits gegen 21.30 Uhr in mein Bett eingestiegen. Unsere drei Vierbeiner waren noch nicht zu sehen und zu hören. Sie lagen brav, ganz artig, aufeinander und schliefen. Damit war eine weitere Prozedur, nämlich die des vor dem Schlafens obligatorischen Herumtobens zunächst einmal abgewendet.

Selig schlief ich ein und musste irgendwann danach zu einer dieser - für meine bessere Hälfte unerträglichen - Schnarchkonzerte angesetzt haben, denn am folgenden Morgen, der den ersten Sonntag nach MESZ einläutete, lag sie nicht an meiner Seite. Dafür aber alle drei Katzen und die zeigten sich von ihrer munteren Seite.

Ab 05.05 Uhr MESZ wurde sodann los gelegt. Kreuz und quer über das Doppelbett sprangen die drei Jungspunte. Wenn der Eine zum kühnen Sprung auf meinen alternden Körper ansetzte, hatte der Andere es längst auf beine 47er Quanten geschafft. Kurz darauf drehte sich das Spiel um. Der Dritte fegte inzwischen mit einem Höllentempo unter dem Bett in Richtung Balkontür und zurück, setzte sodann zum Aufsprung ins Bett an und landete auf meinem Bauch.

Boah, ey, an Schlafen war jetzt nicht mehr zu denken. Ich drehte mich genervt zur Seite, zog das Kopfkissen hoch und versuchte so meinen Schädel nebst dem eisgrauen Haaren vor eventuellen Kollateralschäden zu bewahren. Das gelang mir nicht immer, aber immer öfter.

Nach zirka 10 Minuten Frühgymnastik der Katzen gab ich entnervt auf und schwankte müde ins Bad. Dorthin folgten mir die Kater - Kohorte, im Stile der Dschungelpatrouille bei Walt Disney. Sie warteten aber nicht brav, bis ich mich dazu bequemte, in der Küche das frühe Frühstück zu kredenzen, sondern kratzten fordernd am Bastkorb herum, sprangen auf den Wannenrand oder zogen an meinem Schlafanzug herum.

Dann war es endlich so weit, es gab Futter. Wenig später gelüstete es den drei Stubentigern nach ein wenig Unterhaltung. Also: Laserpointer an und in Bewegung gesetzt. Es folgte ein Einlage der Spielzeugmäuse, dann der Fische aus Stoff usw. Nach etwas mehr als einer Viertelstunde war dann die Schmuseeinheit angesagt. 

Ich hatte es mittlerweile geschafft, meinen Kaffee auszutrinken. Leicht ermattetet sah ich aus dem Fenster. Im Osten wurde es langsam hell. Die Sonne ging auf. Die drei Mitbewohner aber zogen es nun vor, sich auf den Stühlen zur Ruhe zu begeben. 

Vor zirka einer Woche traf ich auf dem Weg zum Kurzeinkauf zufällig unsere Nachbarin mit ihrem Nachwuchs. Sie hatte den Kinderwagen dabei, ebenso einen " Coffee to go " in der Hand und sah richtig groggy aus. Für mich stand sofort fest: Der Sohnemann hatte nicht durch geschlafen und wohl ordentlich Rabatz gemacht. Höflich fragte ich sie nach dem Befinden des Säuglings. Ja, ihm ginge es gut und er schliefe jetzt fest. Aha! Und in der Nacht? Nein, dann nicht, lautete ihre Antwort. Aha! Irgendwo her kannte ich dieses Gefühl, wenn der Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag wird, weil der Nachwuchs partout keine Ruhe gibt.

Ja, und der werte Herr Ehemann? Nein, der habe mit der Prozedur nichts zu tun. Er sei jetzt in den Keller gezogen, damit er schlafen könne. Oh, in den Keller? Getrennt von Bett und Frühstückstisch? Ja!

Das benachbarte Ehepaar ist nicht mehr ganz taufrisch. Als Eltern hielten wir beide für leicht zu alt. Aber, das sagt sich so leicht. Wer sich mit Ende 60 noch drei junge Katzen anschafft, sollte nicht darüber befinden, ob Mann und Frau dafür als zu alt zu gelten haben? Ja, irgendwie stimmt es. Doch da sind Unterschiede zu erkennen. Katzen werden nach zirka einem Jahr langsam ruhiger - Kinder eben nicht!

Am Sonntagabend bin ich wieder so gegen 21.30 Uhr ins Bett gestiegen. Selig schlief ich ein. Meine bessere Hälfte glotzte noch TV. Ab Mitternacht muss ich dann wieder ein Konzert abgegeben haben. Sie schlief im Gästezimmer. Die Katzen blieben diesen Morgen eher ruhig. Kein wildes Toben auf dem Bett. Dafür hatte ich einen Albtraum. Ich wurde darin um mehr als 50 Jahre zurück katapultiert. In das Jahr 1970. In die Provinz und deren verordnete Ödnis, die einem Teenager deshalb aller höchstens den Zugriff zur Pop - und Rockmusik erlaubte. 

Ich war an einem Samstag zu einem Geburtstag eines ehemaligen Schulkollegen eingeladen. Meine Plattensammlung war einst noch sehr überschaubar. Zu ihr zählte die Single von Humble Pie " Natural Born Bugie ( Boogie ) ", die ich mir irgendwann ein Jahr zuvor zugelegt hatte. Eine Single, die mich noch einige Zeit lang begleitete.

https://lobster53.blogspot.com/2017/07/natural-born-bugie-boogie.html      

Mit eben jener Single in der Sammlung und einigen LPs,  die ich zusammen mit dem Plattenspieler in meine blaue Sportasche packte, begab ich mich zu dem Haus des einstigen Mitschülers, der inzwischen bei der Firma Stücken in Rinteln eine Schlosserlehre machte, wo ich bereits im Partykeller erwartet wurde. Der Abend jenes Geburtstags verlief eher gesittet. Wohl deshalb, weil die Zahl der Gäste überschaubar war. 

In meinem gestrigen Albtraum sah ich diese noch vor mir. Da war die ehemalige Freundin des Gastgebers, die, so wie er selbst mehr als ein Jahr älter war. Sie hieß Gudrun und war die älteste Tochter des einstigen Volksschullehrers G. Dann waren noch zwei weitere Paare aus Bad Eilsen eingeladen. Auch die jüngere Schwester des Ex - Schulkollegen war anwesend. Sämtliche Gesichter erschienen mir in jenem Traum verschwommen. Doch deutlich konnte ich mich als Plattenaufleger sehen, der hinter einem Tresen sitzend, ein Glas Cola neben sich stehen habend, jene wenige Vinylscheiben abspielte, die ich aus der Plaste - Sporttasche herauszog. Auch mein Plattenspieler erkannte ich in dem Albtraum, den hatte ich an die Musiktruhe des Partykellers mit angeschlossen. 

Ich spielte neben dem Stück " Natural Born Bugie ( Boogie ) " von " Humble Pie ", auch " Sweat Dream " von Jethro Tull, " Up Around The Band " von " CCR " , " The Seeker " von " The Who " oder " Keep The Customer Satisfied " von Marsha Hunt, " Venus " von " Shocking Blues " sowie auch " Question " mit den " Moody Blues ". All jene Titel, die ich nicht selten in unserem Beat - Keller an jenen Morgen auflegte, bevor ich mich per pedes auf den Weg zur ungeliebten Lehre in Bückeburg machte. Im Radio wurden diese Stücke eher selten gespielt, weil hier meistens Schlager - und Tanzmusik lief.

Dann träumte ich aber von einem Song auf der " Ten Years After " - LP " Ssssh ": " If You Should Love Me ". Ein Stück mit eher Überlänge, das damit in den üblichen Radiosendungen kaum oder erst gar nicht zu hören war. Ich wurde wieder wach. Auf meinen Beinen lagen unsere drei Katzen. Ich konnte mich kaum bewegen. Die Last ihres Gewichts wurde unangenehm. Ich drehte mich vorsichtig auf die rechte Bettseite, damit die Stubentiger nicht zu früh munter werden. Ich döste so noch vor mich hin. Was war das nur für ein blöder Traum, eben?  Doch das Lied von " Ten Years After " ging mir selbst nach dem Aufstehen nicht mehr aus dem Sinn. Ich hörte die gluckernde Orgel von Chick Churchill, dem Pianisten der Band. Vernahm den leicht brummende Elektrobass von Leo Lyons, das eher sanfte Gitarrenspiel des Frontmann Alvin Lee sowie seinen seichten Gesang dazu, aber auch den ruhigen Schlagzeugrhythmus von Ric Lee ( der eben nicht mit Alvin verwandt oder verschwägert war ).

Doch aus meinen Erinnerungen heraus wurde ich damals von den anwesenden Gästen mit dem imitierten Gesang des " Humblie Pie " - Songs verabschiedet, den eben just jene ältere Tochter des einstigen Volksschullehrers laut sang. Nö, auch " If You Should Love Me " wäre nie und nimmer drin gewesen, denn der selbst ernannte Oberlehrer in Person ihres Vaters hasste mich.  



Und heute Morgen war es dann doch nur ein Albtraum zum Beginn der Sommerzeit.


























































































































































































































































































































































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