130 Tage noch und der Rest von heut´!
Seit mehr als drei Wochen lässt der Kreml - Despot das Nachbarland Ukraine mit seinem Kriegsgerät bearbeiten und setzt diese fast nur gegen Zivilisten ein. Er hält diese, wie viele ukrainische Politiker auch für " Faschisten ". Der Westen unter Führung der USA ( das dürften dann wohl die Hauptfaschisten sein? ) hilft dem angegriffenen Land. Dieses nicht nur mit Waffen. Selbst die Deutschen, jenes Volk mit dem vermeintlichen Kriegstreiber - Genen in seiner DNA ließ Waffen über die benachbarten Niederlande in den einstigen Teil der UdSSR liefern und brach jetzt das Dogma ,solches Kriegsgerät nicht direkt in eine Krisenregion exportieren zu dürfen. Wenn auch darunter bereits verschimmelte Tötungsutensilien aus NVA - Zeiten gewesen sein sollen.
Wie dem auch immer sei, nicht nur Deutschland hilft.
Das ist großartig, weil ich es vor 50 Jahren als junger Mensch, als Soldat der Bundeswehr, noch vollkommen anders erlernen sollte. Damals waren die Freund - Feind - Definitionen klar und zudem andere. Da stand der NATO, der Warschauer Pakt entgegen, dann gab es das als ebenfalls feindlich eingestufte China unter dem " großen " Volkstribun Mao und dessen Versuch in der asiatischen Hemisphäre gewaltsam Einfluss zu nehmen und es gab eine Vielzahl von so genannten neutralen Staaten.
In jener Zeit, nämlich ab dem 01. 04. 1972 riss ich bis zum 31.12. 1973 insgesamt 21 Monate Dienst bei der Bundeswehr ab. Jetzt, beinahe 50 Jahre danach, hat sich das Freund - Feinde - Bild beinahe erneuert. Auch wenn die Geschichte sich angeblich nicht wiederholt, so sind doch durchaus Parallelen zu der damaligen erkennbar. Der Feind, nämlich Russland, liegt wiederum im Osten, die Freunde sind Amerika, die übrigen europäischen Staaten der EU und jene der NATO.
In Kenntnis dessen und voller Wut ob des absurden Kriegs den Putin - Russland gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat, las ich kürzlichen einen " SPIEGEL " - Artikel, in dem Chat - Protokolle zweier junger Menschen aus Russland veröffentlicht wurden.
Hierin werden die perfiden Machenschaften des selbst ernannten Kreml - Machthabers auf Lebenszeit aufgezeigt. Schonungslos treten die Propaganda - Lügen zu Tage, mit denen Putin´s Instrumentarium aus eben jener Zeit des Kalte Kriegs die eigene Bevölkerung, vornehmlich sein Soldaten in die Irre führen lässt.
Und so lesen sich jene elektronisch übermittelten Nachrichten zwischen einem russischen Soldaten, der Informatik studiert hatte und seinen Master machen wollte und seiner Lebensgefährtin ist Soziologiestudentin an einer Universität irgendwo in Sibirien ab dem 5. Februar 2022:
Sie: " Wie fühlst du dich? "
Er " Bereite mich innerlich vor. Weiß nur nicht, worauf. Sie sagen und einen Scheißdreck. "
Unter Putin´s Regentschaft hat sich die Armee mit mehr als 400.000 Berufssoldaten aufgebläht. Sie besitzt moderne Waffentechniken, die bereits in Syrien teilweise zum Einsatz kamen. In Russland besteht eine Wehrpflicht. Jeder Mann ab 18 bis 27 Jahren muss für ein Jahr zum Militär.
Sie benutzt ein iPhone. Er darf nur ein Tastentelefon mit sich führen, denn Smart - oder iPhones sind beim Militär verboten. Warum wohl?
Sie versucht Facebook zu öffnen, sich bei Twitter einzuloggen. Bei Apps hängen. Warum wohl?
Dann versucht sie sich mit " Dembel Timer ". ( Nie gehört! )
Dembel steht als Abkürzung für Demobilisierung. Es ist eine russische App, die dem Nutzer angibt, wie viele Tage er beim Militär noch zu dienen hat. Aha! Wir hatten früher ein Zentimeterband, ein manchmal eigens dafür angefertigtes Maßband, das der Wehrpflichtige ( und nach Redesart dieser eingezogenen Soldaten, nur dieser ) dann in seiner Tasche ( auch in jenen der Uniformen ) mit sich führen durfte, wenn er noch 150 Tage abzuleisten hatte. Die Barras - Zeit betrug vormals satte 1 1/2 Jahre, also 18 Monate. Sie wurde dann - als Helmut Schmidt Verteidigungsminister wurde - auf 1 1/4 Jahre, ergo: 15 Monate verkürzt. Gegen den vehementen Widerstand der Schwarzen, in deren Parteien CDU / CSU sich noch viele Altfaschisten tummelten.
Sie liest bei Dembel Timer, dass ihr Freund inzwischen 234 Tage beim Militär hinter sich gebracht hat, was rechnerisch 64,273666 Prozent entspricht. Er hat demnach noch 130 Tage abzureißen. Das hört sich nicht so lange an. Doch die Voraussetzung für den mittlerweile 24jährigen sind seit 2 Tagen völlig andere geworden. Es ist Krieg. Kein Verteidigungsfall, wie sie uns einst vermitteln wollten, sondern die russiche Armee hat ohne Grund und gegen das Völkerrecht das Nachbarland angegriffen. Sie tötet dort beinahe systematisch Zivilisten.
Er schreibt am 7. Februar:
" Grade Perm passiert "
Sie: " Wiefindest du Russland aus dem Zugfenster? "
Er: " Immer das Gleiche. Als würde ich im Kreis fahren ".
Im " SPIEGEL " - Artikel ( SPIEGEL 11 / 2022, S. 58 ff < 60 > ), dass das Paar eigentlich, bevor er zum Militär eingezogen wurde, eine gemeinsame Reise nach St. Petersburg geplant hatte. Daraus wurde oder wird nun nichts mehr.
Fast eine Woche später ruft bei ihr die Großmutter auf dem Handy an. Beim letzten Anruf begann diese an zu weinen, weil ihre Enkeltochter gegen den Krieg / die russische Armee demonstriert. Die Großmutter, in der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Stalingrad geboren, ist während der Putin - Regierungszeit in Rente gegangen. Sie sieht nur das Staatsfernsehen und glaubt an die dort verbreitete Propaganda, wonach Putin verbreiten lässt, dass in der Ukraine ein Genozid an den dort lebenden Russen vollzogen werde; diese müssten deshalb die " Faschisten aus Kiew rausbomben, wie 1943 ".
Sie informiert sich über " Telegram ", jenen Informationsdienst, den deutsch Faschisten und ähnlich Verwirrte für das Absondern von Hasstiraden und das Organisieren von " Corona - Demos " nutzen, welche Widerstandsorganisationen gegen den Putin - Krieg, welche Aktionen vorbereiten. Es sind wenige, die den Ukraine - Krieg öffentlich verurteilen. Noch!
Zunehmend befinden sich aber auch jüngere Protestler unter ihnen. Es sind jene, bei denen Politik und Kritik an dem Kreml - Despoten zunächst keine Rolle im Leben gespielt hat. Insbesondere die Generation " Putin " war vollkommen apolitisch. Ihnen schien es relativ gut zu gehen. Sie konnten Westwaren kaufen, nutzten jene Kommunikationsmöglichkeiten, wie sie Gleichaltrige überall in den Industrieländern zur Verfügung gestellt bekommen und konnten Party machen, so wie bei uns auch.
Damit ist für zunächst nur einige Wenige alles vorbei. Sie werden in den Krieg Russlands gegen fast den Rest der Welt plötzlich eingebunden. So, wie jenes Paar aus einer Stadt irgendwo in Sibirien. Russland ist groß und hat viele Einwohner, davon fast eine halbe Millionen Soldaten. Putin behauptet, dass die Verpflichteten unter ihnen nicht an die Front, in den Krieg geschickt werden würden. Dieses sei ausschließlich Sache der Berufssoldaten. Sie, die junge Russin aus einer Stadt im fernen Sibirien, lässt sich nicht hinter die Fichte führen: Er lügt!
Putin lügt sobald er sich offiziell und vermutlich auch bei ausgeschalteten Kameras und Mikrofonen zu dem Krieg gegen das Nachbarland äußerst. Ein Krieg, der im Sinne der Propaganda aus den beinahe gleichgeschalteten Medien " Spezialoperation " bezeichnet wird, die die Ukrainer von dem " Clown Selensky, dem drogenabhängigen Faschisten ", der sein eigenes Volk mit Gewalt knechtet, der " im ganzen land Kindergärten und Krankenhäuser mit Streubomben zerstört " befreien soll.
Am 5. März musste der junge Soldat, wie er seiner Lebensgefährtin berichtet, bei seinem Kommandeur vorsprechen. " Panzergrenadier W. meldet sich wie befohlen, Herr Hauptmann / Major ", hieß es einst für mich. Ihm wurde ein Vertrag vorgelegt, den " dürfe " er jetzt, " wenn ihm die Sicherheit des russischen Volkes am Herzen liege " unterschreiben, und sich damit als Berufssoldat verpflichten.
Welch´Ehre für einen jungen Russen! Die übrigen Männer, seine Kameraden, die anderen Soldaten, hätten sich so wie er geweigert. " Keiner von ihnen wollte unterschreiben. " Putin´s Generäle, die seine Hirngespinste vom Wiederauferstehen der UdSSR zu den Zeiten des Josef Stalin, umzusetzen haben, benötigen dazu viele Männer, Soldaten, die damit ihr Leben riskieren, ihren Kopf hinhalten.
Der junge Soldat hat seit dem 5. Februar 2022 weitere 28 Tage für Russland gedient. Er musste dabei Tonnen weise Munitionskisten schleppen, die auf dem Nachschubwege an die Einheiten an der Front verteilt worden sind. Damit beschießen diese ukrainische Zivilziele.
Der " SPIEGEL " - Artikel endet mit den Sätzen: " 20 seiner Kameraden sind seitdem an die Grenze verlegt worden. Zum Schleppen, wie es heißt ".
Ob sie alle je lebend wieder zurückkehren werden muss nach Stand der Dinge sehr in Zweifel gezogen werden. Es werden neben Zehntausenden Ukrainern wohl genauso viele russische Soldaten sterben. In einem Krieg, den ein irre gewordener Despot ohne Grund, damit willkürlich, in Europa angezettelt hat und nach dessen - hoffentlich - baldigen Ende auf allen Seiten nur Verlierer stehen werden.
Als ich den " SPIEGEL " - Bericht las, fiel mir spontan das traditionelle Lied " Es ist an der Zeit ", das ich vielfach in der Interpretation des Liedermachers Hannes Wader abgespielt habe, ein:
Dem russischen Soldaten, dessen Freundin die Lügen ihres Präsidenten Putin längst als solche entlarvt hat, ist zu wünschen, dass er auch die restlichen 86 seiner Militärzeit heile übersteht und nicht in diesem ebenfalls sinnlosen Krieg verheizt wird.
MORE - Warhead - 1981:
- Sämtliche in An - und Abführungszeichen gesetzten Textpassagen aus: " DER SPIEGEL ", 11 / 2022, S. 58 ff
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