Nölfunk!



Als zum Ende der 1970er Jahre die musikalische Zeitenwende erkennbar wurde, vollzog sich mit ihr ein radikaler Umbau der westdeutschen Medienlandschaft; insbesondere in dem Bereich des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Diverse Privatsender versuchten einen Teil des großen Kuchens, der da Hörer hieß, abzubeißen. Mit zunehmender Konkurrenz durch die privaten Stationen versuchten die durch Zwangsgebühren finanzierten Öffentlich Rechtlichen ihre Programme umzugestalten. Aus dem zuvor gesendeten Mischmasch von Unterhaltung, Wortbeiträgen sowie reinen Magazinen, entstanden sukzessive reine Musiksendungen. 

Diese sind Garanten dafür, dass der Mainstream, also der breite Musikgeschmack in Gänze die noch vielen Frequenzen der Radiostationen füllt. Dass Umdenken der öffentlich rechtlichen Sender wurde aber nicht nur wegen der Konkurrenz auf Druck der aufkommen Privaten gefördert, die zum Teil mit sogar unkoventionellen Programmen und flapsig daher kommenden Moderatoren aufwarteten, sondern auch aufgrund des sich verändernden Musikgeschmacks der Hörerschaft. Die Apparatschiks in den staatsnahen Rundfunkanstalten wurden jünger, die von ihnen präferierte Musik eine andere und der kommerziell orientierte Markt trug ebenfalls ein gerüttelt Maß dazu bei, dass Pop, New Wave und NDW im Vormarsch waren.

Damit erklangen überwiegend softige, seichte, eher wohl klingende Titel aus den Rundfunkanstalten; vom Bayrischen Rundfunk über den WDR bis hin zum NDR. Letztgenannter war ja bereits in den 1970ern in der schwarzen Poltikerschaft nicht mehr wohl gelitten.

Die Ministerpräsidenten aus dem benachbarten Schleswig - Holstein sowie in Niedersachsen ( damals Gerhard Stoltenberg und Ernst Albrecht ) betrieben nicht gerade erfolglose Versuche, die Drei Länder - Anstalt zu zerschlagen, indem von dort aus mehr Regionalität eingefordert wurde. Die Hamburger Dominanz sollte damit beendet werden und somit auch der nicht von der Hand zu weisende Einfluss der in der Hansestadt seit Ewigkeiten regierenden SPD und ihrer Gefolgschaft. 

Was der als " Rotfunk " im Westen durch die schwarze Anhängerschaft von CDU / CSU diffamierte WDR, war vormals im hohen Norden der BRD, der NDR. Das sollte sich alsbald ändern. Statt angeblich indoktrinativer Wortbeiträge über den Marxismus - Leninismus, anstelle kritische Berichte über Verbrechen an der Zivilbevölkerung in den lateinamerikanischen Ländern durch von den USA unterstützen Banden oder Soldaten oder als Ersatz für beißenden Spott an gesellschaftlichen Entwicklungen durch Moderatoren wie Henning Venske, sollten Sendungen aus dem Genre des nichtssagenden Unterhaltungseinerleis installiert werden.

Das gelang dank willfähriger Anstaltsfürsten, die schon damals keinen Arsch in der Hose hatten und erlebte mit weichgespülten Moderatoren wie Ackermann oder noch extremer dem CDU - Fan von Tiedemann seine Formvollendung. Somit wurde aus dem norddeutschen " Rotfunk " ein Nölfunk.  Nölfunk deshalb, weil Lallbacken, wie eben die beiden genannten NDR - Mitarbeiter in ihren Sendungen popeligen Pop einflechten konnten.

Das Niveau vieler Sendungen des NDR, insbesondere von NDR II, wurde bald unterirdisch. Unhörbar, eben! 

So sah es vormals auf der Kulturwissenschaftler und Musikexperte Diedrich Diederichsen, der  bereits 1983 einen zutreffenden Artikel zu und über den Niedergang des öffentlichen Rundfunks in Gestalt von NDR II schrieb:


https://de.wikipedia.org/wiki/Diedrich_Diederichsen_(Kulturwissenschaftler)

So erklärt er - immer mit einem gerüttelt Maß an Lokalkolorit - warum " Nölen " beim NDR zur einer zwangshaften Notwendigkeit geworden war, indem er formuliert:
" Doch eines, das sage ich in aller Offenheit, vergiftet die Atmosphäre dieser trefflichen Stadt ( gemeint ist Hamburg - sic. ) so nachhaltig, daß auch ich schon das Auswandern erwogen habe, und das ist der Rundfunk, das Radio oder vollständiger der Norddeutsche Rundfunk, jenes von Harvestehude und Lokstedt aus monopolistisch im gesamten norddeutschen Raum bis herunter nach Göttingen und Paderborn schlechte Stimmung verbreitende Institut: der Nölfunk . "

- Zitatende - aus:    

1983: „Wenn der Nölfunk in die Plattenkiste greift“ [kommentierender Bericht zum öffentlichen Rundfunk bei NDR II], in: Szene Hamburg 12/1983, S. 32–35 eeee.

https://www.diedrich-diederichsen.de/publications/Szene/1983/Noelfunk_1.jpg


https://diedrich-diederichsen.de/publications.htm

Nölen soll mutmaßlich aus den Begriffen " nötelen / nödeln " ableitbar sein. Was dann so viel bedeutet, wie langsam arbeiten oder auch herumtrödeln ( " Di nöölt un nöölt bi de Arbeit " ).

Drei Jahre später, der Nölfunk NDR II war längst nicht mehr alternativlos, geriet die Phalanx in Gestalt der von Tiedemanns / Ackermanns nebst ihren softigen Popgedudel schwer unter Druck. Aus dem nahen Schleswig - Holstein drohte mächtig Unbill durch den Privatsender RSH. Der nahm dem nöligen NDR II nahezu aus dem Stand einen Großteil seiner Zwangshörerschaft ab. 

Hierzu schreibt der " SPIEGEL ", das Hamburger Nachrichtenmagazin, welches in schöner Unregelmäßigkeit auch einen Hauch von Lokalkolorit durch seine Ausgaben wabern lässt:

" Der Norddeutsche Rundfunk hat seine Hörer schon häufig in die Schwermut getrieben. Sie haben jahrzehntelang an wichtigtuerischen Moderatoren und schwatzhaften Volkserziehern gelitten. Sie haben die Reiseberichte des preziösen Globetrottels Werner Veigel ertragen, dem Alster - August Carlo von Tiedemann die traurigsten Sottisten verziehen u nachts von Frau Dagmar Berghoff geträumt, er NDR - Madonna mit dem Charisma einer Schleiflackkommode ".  

- Zitatende - aus:

https://www.spiegel.de/politik/funkhaus-titanic-a-962591bd-0002-0001-0000-000013519222

Allerdings hat der vormals am 1. Juli 1986 " Zwergsender " RSH, der auch durch die Kohle aus dem Hause des Medienmogul Springer zum " Verblödungsorgan " nach US - amerikanischen Muster verkam, nicht die erhoffte Wirkung auf die gesamte Rundfunklandschaft erzielen können. Auch deshalb nicht, weil nach anfänglichem erheblichen Hörerschwund, der NDR und sein damaliges Unterhaltungsflagschiff NDR II mittels CDU naher Programmrefomen ( von Wrangel war als Intendant maßgeblich beteiligt ) durch eine Vielzahl von, dem Allgemeingeschmack vollkommen angepasster Sendungen, wieder auf Kurs in Richtung öder und seichter Unterhaltung gebracht werden konnte. 

Dieses auch weil ab 1987 drei weitere Privatprogramme aus Niedersachsen sowie in Hamburg selbst hinzu kamen. Dazu zählte ab dem 31. 12. 1986 " FFN " aus Hannover. Der Newcomer stach einige Jahre durch nonkonforme Sendungen, wie " Grenzwellen " oder auch " Nightline " oder kompetente Moderatoren vom Schlage des Uli Kniep, " Ecki " Stieg sowie Gerd Kespohl. Gerade dieser Privatsender bereitete dem NDR, vornehmlich NDR II einige Sorgen, weil dessen Programmgestaltung auch die Kerngruppe der NDR II - Hörer abdeckte. 

35 Jahre später steht indes fest, dass aus dem Nölfunk von einst zwar keine akzeptable Alternative zu dem überwiegend privaten Dudenfunk - Stationen wurde, aber dafür gibt es dankenswerter Weise die unzähligen Internetradiostationen, die größtenteils den Geschmack von Hörer außerhalb der Angebote für die breite Masse ansprechen. Genölt wird zwar in dort auch, aber nicht nur gedudelt. Will heißen: Aus dem norddeutschen Nölfunk ist kein reiner Dudelfunk geworden, aber auch kein dauerhaft hörbares Programm. 


DOMADORA  -  Hypnosis  -  The Violent Mystical Sukuma  -  2016:




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