Die Fussbroichs sind wech....
In der aktuellen Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins " DER SPIEGEL " findet sich auf Seite 125 unter der Rubrik " Nachrufe " eine Mitteilung, dass ein gewisser Friedrich " Fred " Fussbroich am 18. Oktober diesen Jahres im Alter von 81 ( eigentlich 82 Jahren, denn der Mann wurde am 16. September 1949 geboren) Jahren in Köln verstarb. Auf den ersten Blick sagte mir der Name nichts. Doch beim Lesen der Todesnachricht, kamen dann doch Erinnerungen an eine Fernsehserie des Westdeutschen Rundfunks, die gefühlt durch die 1990er Dekade verlief und als sozialkritische Dokusoap ( wenn es dieses Filmgenre so geben sollte ), den Beginn einer Zeit skizzierte, in der der von den 68ern kreierte Begriff des Konsum - Terrors in voller Blüte stand.
Konsum bedeutete hier aber auch, dass in einer vermeintlich heilen Welt, in der Krieg weit weg und die gesellschaftliche des Wohlstands für alle überall und nirgends dem Bürger in einer Industriegesellschaft das Hirn vernebelt und das Nachdenken verhindert.
Das Umfeld der Arbeiter - Angestellten - Familie lässt sich unter anderen hier genauer nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Fussbroichs
https://www.spiegel.de/kultur/escht-escht-a-78e068df-0002-0001-0000-000013682615
Die Serie mutierte nicht nur zum einem regionalen Bestandteil des abendlichen TV - Konsums. Allerdings waren Quoten von bis zu 6 % je Folge kein großer Renner, wohl aber durchaus beachtlich, wenn die zu jener Zeit gegebenen empfangstechnischen Bedingungen zugrunde gelegt werden. Die terrestischen Zugangsmöglichkeiten über Außenantennen etwa ließen den WDR nur in einem Teil Deutschlands zu, das Kabelfernsehen befand sich immer noch im Aus - und Aufbau und Internetfernsehen gab es allenfalls in der Theorie.
In jener, durchaus von Aufbrüchen in neue, andere Zeiten, geprägten Gesellschaft, versucht die Kölner Familie einen eigenen Weg zu finden. Das gelingt nicht immer, denn die Alltagstücken scheinen überall und nirgends zu lauern.
Lustig schien es bei den in feinsten Kölner Sprech herum lavierenden Fussbroichs dann schon zuzugehen. Papa, der seinen proletarischen Wurzeln entsprechend, so quasselt, wie ihm der rheinische Schnabel gewachsen ist, versucht sich mit einfachen Erklärungsmustern und trifft dabei nicht selten auf des Pudels Kern.
Köln war nicht nur, aber auch in den 1990er Jahren weit weg von mir, denn ich wohnte im Norden, genauer gesagt in der Freien Hansestadt Bremen, einen Kabelanschluss hatte die Mietwohnung in der Bremer - Neustadt zwar längst, aber der WDR interessierte mich damals eher peripher und dann nur wegen der Sportsendungen, wenngleich dort kräftig gegen meinen SV Werder Bremen polemisiert wurde. WDR - Fernsehen indes lief allenfalls am äußeren Rand meines Medienkonsums. Schließlich gab es inzwischen genügend Privatsender, die allesamt angetreten waren, die Phalanx der ÖRs zu brechen und darüber Reklameeinnahmen zu generieren, die das Profitstreben forcieren sollten.
Mehr als 30 Jahre später hat sich die TV - Landschaft zu einem undurchdringlichen Gestrüpp entwickelt, die dem Glotzer das tägliche Leben nicht gerade erleichtert. Vielfalt bedeutet auch auf diesem Sektor nicht, dass die Qualität der Programme erheblich verbessert worden ist; das Gegenteil dürfte eher der Fall sein. So sehnt sich so mancher gestresste Konsument an solche Zeiten zurück, in denen ein Blick in die TV - Programme sofort erklärte, ob es sich hierbei um Schund handelt.
Nach mehr als 12 Jahren, 99 Folgen sowie einem Pilotfilm aus 1979 und der 100. Folge am 26. 12.2003 war dann Schluss für die Protagonisten Friedrich " Fred ", Annemarie " Annemie " sowie Frank Fussbroich. Sie verabschiedeten sich für immer von ihren Fans.
Abgewickelt wurden dabei aber auch die 1990er Jahre, die von US - Serien - Dünnpfiff a la´ " Der Prinz von Bel Air ", " Baywatch " oder " Eine schrecklich nette Familie " beherrscht wurden. Hier liefen dickbrüstige Damen mit Sauerkrautfrisuren, aalglatt gegelte schmierige Männer in teurer Bekleidung und verzogene Gören mit überhöhten Konsum - und Lebensansprüchen über die Mattscheiben der immer größer und kostspieliger werdenden Fernsehapparate. Die alternden Musikstars der drei zuvor abgelaufenen Dekaden erhielten einen zweiten Aufguss, durften ihren Pop - Popel - Gesang auf den Bühnen dieser Welt vor 100.000 Zuschauern kredenzen, in einem der wie Pilze aus dem Boden sprießenden Musiksendern via Video - Clip präsentieren oder als schon leicht betagter Künstler die Lasershows über sich ergehen lassen.
Für das wieder vereinte Deutschland kam nach der staatlich verordneten Aufbruchhysterie gen Osten, alsbald das böse Erwachen. Langsam wuchs nicht alles zusammen, was 40 Jahre einer Trennung erfuhr. Deutsche Spießigkeiten in Ost und West mischten sich mit Weltenbummel - Drang im Westentaschenformat über " Neckermann " - , " TUI " - " Dr. TIGGES " - Pauschalreisen. Immerhin näherten sich hier Ossi und Wessi. Der profane DDR - Bürger, einst mitsamt weiterer mehr als 16,4 Millionen durch Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen vor jenen Genüssen des westlichen Klassenfeindes abgeschottet, holten nicht wenige dank der neuen alten Westwährung dieses in den Folgejahren nach der Wiedervereinigung im Eiltempo und mit raumgreifenden Schritten von Kontinent zu Kontinent nach.
Nein, die 90er des vergangenen Jahrhunderts waren für mich nicht prägend. Ganz im Gegenteil: Privat verursachten sie ein Desaster und beruflich zudem das abrupte eines eigens entwickelten Irrglaubens, dass sozialer Humanismus auch ohne finanziellen Hintergrund durchführbar sein könnte.
Nun, über 30 Jahre nach den " Fussbroichs ", stelle ich fest, das TV Glotzen mehr Selbstdisziplin verlangt, denn die Gefahr, bei dem Sondermüll, der einem hier als Traditionalist heran gehenden Menschen auf die Glüsen gepappt wird, fällt es enorm schwer, nicht gleich wieder abzuschalten. Sollten die " Fussbroichs " die Ausgeburt des proletarischen Lebensgefühls, in einer inzwischen eher befriedeten Dekade, die von Massen - Marken - Konsum und all den anderen Stuss, den sich heutzutage ein Jeder ansehen muss, als Kleinfamilie dargestellt haben, so es dem WDR damit zumindest zweitweise gelungen, dadurch ein Stück Zeitgeschichte zu konservieren.
Oder: Wie moserte der jetzt verstorbene " Fred " Fussbroich in der Folge " Massig Paris " am 29.12.1992 genervt über die vielen " Kümmelsachsen " herum, um damit seinen Frust los zu werden, der sich wegen der eher enttäuschenden dreitägigen Busreise nach Paris innerhalb derer es viel Lärm, Dreck und wenig Essen gab.
https://www.fernsehserien.de/die-fussbroichs/folgen/09-massig-paris-16486
Aber, mal ehrlich: Ein gewisser Teil deutscher " Fred Fussbroich " schlummerte einst auch in uns selbst. Oder etwa nicht?
WHITE MANNA - Welcome To Freedom Freeway - Come Down Safari - 2014:
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