Holundersuppe - Ein Gaumenschmaus?



Meine innere Uhr ließ mich heute Morgen, so kurz vor 05.00 Uhr wachwerden. Draußen war es noch dunkel. Kein Vogelgezwitscher, wie noch vor einigen Wochen, das mich zum und beim Aufstehen motiviert hätte. Kein heran dämmernder Tagesbeginn, der mir zu dem Irrglauben hätte verhelfen können, heute noch Höchstleistungen erbringen zu können. Kein Gekratze und Geschabe an dem geflochtenen Wäschekorb, das mich mahnend daran erinnert hätte: " Komm, Sklave steh´auf, ich hab´Hunger!"

Einfach nichts!

Dennoch schob ich mich aus dem warmen Bett; der Handy - Wecker würde eh in einer halben Stunden den gnadenlos nervenden, elektronischen Bimmelton absetzen. Egal, ich begab ich in das Bad, dann in die Küche, um den ersten Vierbeiner zu versorgen. Es gab " Forelle & Lachs " aus der Billig - Konserve vom McGeiz. Zwar kein so genanntes Markenfutter, aber inhaltlich nahezu identisch.

Der Kaffeeautomat brühte mir einen Muntermacher, das Radio erklärte mir, warum es in den USA zu viele Neo - Faschisten gibt und Trump ´ne demente Galionsfigur der Rechten bleibt und weshalb die bundesdeutsche Leichtathletikmannschaft in London bei der abgelaufenen Weltmeisterschaft " nur " eine Goldmedaille ergattern konnte.

Ich pflanzte mich auf den " IKEA " - Acrylstuhl und las ein wenig im " SPIEGEL ". Dann begannen die Frühstücksvorbereitungen. Ich legte die stetig steigende Zahl der  nur angelesenen Ausgaben des Hamburger Nachrichtenmagazins zurück in die Schublade und tauschte diese mit drei runden Sets aus, die ich mit Geschirr und weiteren Utensilien belegte. Nach einigen Minuten erschien meine bessere Hälfte. Sie nahm ihr Müsli - handgemacht - in Empfang und mümmelte daran herum.

Wir unterhielten uns über die - mehr oder weniger erforderlichen - Zutaten und kamen dabei auf Obstsorten und mit einigen Umschweifen, auch auf Frühstück in unserer Kindheit. Stichwort: " Holundersuppe ". Eigentlich sehr gesund. Wer diese jedoch gewaltsam und in einer Unmenge hinein getrichtert bekommt.

Das war damals während des Aufenthalts in dem so genannten Kindererholungsheimen der Fall. Wobei es dort zwischen Ost und West kaum Unterschiede gab. Da waren es jene Einrichtungen, die staatlich verordnete Gesundung des Nachwuchses unterstützen sollten, um aus den Kindern später die erwünschten, sozialistisch geprägten Idealbürger zu formen. Dort waren es von den Krankenkassen unterhaltene Gebäude, in denen der noch sehr junge Mensch für den späteren Berufsalltag zur Mehrung und Erhaltung des Lebensstandards und des Gewinns des Unternehmers, seine vollständige Arbeitskraft aufbauen sollte.
Beiden Zielrichtung war aber eines gemein: Sie sollten kränkliche Kinder aufpäppeln. Und zwar mit ordentlichem Essen, frischer Luft, Bewegung und guter Erziehung.

Diese sah so aus, dass einstige BDM -  Geschädigte die Kinder in den Einrichtungen unter ihre Fittiche nahmen. Weil die Ex - BDMler nun entnazifiziert seien, durften sie im Sinne des jeweiligen Staates selbst Kinder knechten, demütigen und misshandeln. Dafür erhielten diese vermeintlich gutes Essen. Neben flüssiger Nahrung, wie Hafersuppe, Milchsuppe oder Kartoffelsuppe, gab es die allseits beliebte Holundersuppe mit Sago.

Eigentlich schmeckt diese - in verschiedenen Variationen zubereitet - nicht so schlecht.
http://www.kochbar.de/rezepte/holundersuppe.html
Doch im Zusammenhang mit den Steinzeiterziehungsmethoden in den oben genannten Einrichtungen gebracht, habe ich sie eher nicht gerne gegessen; und später überhaupt nicht mehr.

Tja, was waren das für nahezu deckungsgleiche Erlebnisse, von denen wir aus den 1960er Jahren berichten konnten.
Die BDM - Nazi - Erzieherinnen zensierten die Post an die Eltern und nach Zuhause oder schickten diese gar nicht erst ab und zerrissen den Brief sogar vor den Augen ihrer Zöglinge, sofern dort negative Formulierungen enthalten waren. Es herrschte zudem Zucht und Ordnung beim Aufstehen, Waschen, Essen, den gemeinsamen Aktivitäten draußen, an der frischen Seeluft, sowie beim Zubettgehen und während der Nachtruhe. Wer sich auffällig verheilt, wurde sanktioniert. Dabei waren Schläge und andere körperliche Züchtigungen keine Seltenheit.

Es herrschte deshalb ein Klima der Angst unter den Kindern. Legendär war auch das Schauermärchen von den im Sommer nachts fliegenden Fledermäusen, die sich angeblich beim Verlassen des Bettes, aus dem Nichts kommend, kreischend auf den Kopf stürzen und sich in den Haaren festklammern.Neben weiteren Lügengeschichten, die von den Ex - BDM - Matronen den Kindern erzählt wurden, um diese einzuschüchtern und natürlich die Aufsicht -  und Kontrollarbeiten zu erleichtern, gab es eben jenen widerwärtigen Fraß.

Dazu zählte in schöner Regelmäßigkeit auch Holundersuppe. Kein Gaumenschmaus, zumindest damals zu unseren Aufenthalten in den angeblichen Erholungsheimen.


" DarXtar 7 " aus Schweden und " Tombola " - Album " Sju " - 1996:





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!