Floh de Cologne´s " Fließbandbabys " auf meinem " Grundig TK 140 De Luxe - " Wenn Springer mal rülpst. "




Als das Jahr 1973 seine letzten Tage aushauchte, wurde ich - endlich - von meinem nicht geliebten Dienst als Soldat auf Zeit bei der KTS II / III in Munster / Oertze ( Munster / Lager ) befreit. Mit dem folgenden Jahr 1974 lernte ich während meiner wieder begonnenen Schulzeit in der Berufsaufbauschule in Stadthagen eine Reihe neuer Menschen, vor allem aber Mitschüler, kennen.
Die meisten in meiner Klasse waren im Landkreis Schaumburg - Lippe ( später dann Schaumburg ) wohnhaft. Und hierzu zählte auch Klaus W. aus Sachsenhagen, einer Gemeinde bei Stadthagen. W. hatte ebenfalls eine kaufmännische Lehre absolviert und versuchte das Fachabitur abzulegen. 

Weil Klaus W. allerdings ein eher mäßiger Schüler war, verabschiedete er sich bereits nach der 10. Klasse und erreichte somit die Fachschulreife. Was er damit später anfangen konnte, weiß ich nicht, denn Klaus W. wollte die Klasse 12, die zum Fachhochschulstudium berechtigt hätte, nicht mehr besuchen. Er traute sich dieses wohl nicht zu. In der Zeit von April 1974 bis Mitte März 1975 aber traf ich Klaus W. einige Male, um mit ihm unter anderen Referate auszuarbeiten. Eine große Freundschaft entwickelte sich dabei aber nicht wirklich. Das lag hauptsächlich daran, dass Klaus keine weiteren Geschwister hatte und sich bereits dadurch von seinem Elternhaus mitfinanziert einige Dinge kaufen konnte, von denen ich nur träumen konnte.

So besaß er eine teure " Revox  A 77 " - Bandmaschine, die Mitte der 1970er Jahre satte 2.000 DM kostete. Derartige Luxusgüter konnte und wollte ich mir nicht leisten. 
      
Klaus besaß einst einen BMW. Ein Gebrauchtwagen zwar, aber immerhin es war ein orange - farbiger  BMW 1600. Der war zwar häufig in der Werkstatt, da das Fahrzeug eine Reihe von altersbedingter Macken zeigte, aber immerhin es war ein durchaus schnittiges Auto. Da konnte ich mit meinem Renault R4 und der damaligen 6 - Volt - Lichtanlage nebst Metallkurbel als Anlasshilfe im Motorraum natürlich nicht mithalten.

Eines Tages kam Klaus mit seinem BMW und der tollen " Revox A 77 " - Bandmaschine zum Musikaufnehmen bei mir vorbei. Er parkte sein BMW demonstrativ vor meinem Renault - Gartenstuhl, so dass es die Nachbarn sehen konnten, was er für ein tolles Auto erfuhr. Klaus war für mich eine Mischung aus Angeber, Naivling und verzogenes Einzelkind. Aber er bestand partout darauf, von meinem Tonband Musik aufnehmen zu wollen. Ich befürchtete zwar, dass ihm einige LPs, die ich mir zuvor von einem einst zum Bekanntenkreis zählenden Hannes G. aus Stadthagen ausgeliehen hatte, nicht gefallen würden, doch Klaus W. nahm sämtliche LPs von meinen Tonbändern auf.

Zu denen gehörte damals das im Jahr 1970 erschiene Album der Polit - Rockband " Floh de Cologne "  mit dem Titel " Fließbandbabys Beatshow ".  Die LP hatte der Stadthäger Bekannte Hannes G. einst aus Berlin mitgebracht, wo er damals studierte, um sich vor dem Barras zu drücken. Auf diese Idee kamen zu jener Zeit nicht gerade wenige junge Männer.
Hannes G., der Sohn eines in Stadthagen ansässigen Möbelhändlers war damit kein Einzelfall. 
Als wir uns 1974 kennen lernten, wusste er nicht, dass sein Vater Jahre davor einige Male im Haus meiner Eltern aufkreuzte, um hier Möbel zu verkaufen. Hierbei musste er sich die Räume ansehen und ausmessen. Danach saß er in der Küche und antichambrierte, damit er den Auftrag erhält. Er saß - so habe ich es noch in Erinnerung - in seinem eher zu kurz geratenen Anzug auf dem alten Küchenstuhl, hörte den Monologen unserer Mutter zu und nickte dabei ständig heftig mit dem schon kahle Stellen, an seinen adrett geschnittenen, schwarzen Haaren aufweisenden Kopf. Dabei quollen seine Augen in beinahe wider natürlicher Weise aus den Höhlen heraus.
Dieses eigenartige Verhalten nannten wir später " göbeln ".

Nun Hannes G., sein Sohn, war ebenso wie Klaus W. eher verwöhnt. Er hatte ein eigens Zimmer, das durchaus individuell und modern eingerichtet war. Es besaß ein Barschrank, in dem sich edle Getränke, wie englischer Gin oder schottischer Whisky befanden. Und Hannes G. hatte eine größere Plattensammlung. Beeinflusst von dem Musikgeschmack, den er durch sein Studium in Berlin erhielt, standen dort LPs von Crosby, Stills & Nash, Joe Cocker, aber auch den Stones und Beatles. Unter all den Kostbarkeiten stand aber auch jene LP der deutschen Gruppe " Floh de Cologne ".
     

    
Tja, mit Agit - Prop - Musik hatte ich nicht viel am Hut. Aber das Cover und der Titel " Fließbandbabys Beatshow " schienen mir einst durchaus interessant vorzukommen. So sackte ich die LP mit einigen anderen ein und nahm sie im Keller über meine Anlage auf. Zuvor hatte ich mir mehrere neue Bänder bei " Quelle " bestellt. Die ausgeliehen LPs konnte ich somit locker auf Band überspielen.

Nun aber wollte der Schulkollege Klaus W. diese wiederum mit seiner " Revox " aufnehmen. Band auf Band? Na, ja, die Qualität war eher bescheiden. Klaus W. nahm dieses Manko einfach hin. Ich vermute, dass es ihm eher um das Gespräch mit mir als um die Musik ging. Wie dem auch gewesen ein mochte, Klaus W. nahm auch das Album der Deutsch - Rocker aus Köln auf. Darauf sind diese Stücke zu hören:

Fließbandbaby
Fließbandbaby, Manchmal Träum Ich
Komm Mit Mir Ins Wegschmeißwunderland
Sei Ruhig, Fließbandbaby
Ford Capri
Hey Johnny
Arbeit Macht Frei
Wenn Springer Mal Rülpst
Armer Junger Krupp
Die Oberen Zehntausend
Fließbandbaby, Wir Sind Wieder Wer
Mädchen, Mach Die Beine Breit
Fließbandbaby, Du Sitzt Im Gefängnis


Ich bin mir nicht sicher, ob er mit den knackigen, system - kritischen Texten mehr anfangen konnte als ich. Bei mir hakte es bereits, wenn ich jenen Sprechgesang in einen Zusammenhang mit den angeprangerten, gesellschaftlichen Realitäten der 70er Jahre - BRD bringen sollte. 

" Wenn Springer mal rülpst "?  

" Wenn Springer mal rülpst, wenn Springer mal rülpst.
   Rauscht´s im deutschen Blätterwald. 

   Wenn Abs einmal furzt, wenn Abs einmal furzt.
   Wackeln alle Aktienkurse.
  
    Wenn Flick Dünnschiss hat, wenn Flick Dünnschiss hat.
    Entlässt Mercedes Arbeiter.

    Wenn ein Arbeiter kotzt, wenn ein Arbeiter kotzt.
    Stinkt´s! "

Mehr als 50 Jahre danach weiß ich längst, dass  der längst verstorbene Verleger Axel Cäsar  "Adolf " Springer mit seinem Presseimperium und den darin vorhandenen Zeitungen einen nicht gerade geringen Anteil an der einstigen gesellschaftlichen Konflikten ab Mitte der 1960er Jahre hatte; das Hermann Josef Abs ein als Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank sowie Mitglied des Aufsichtsrates der IG Farben durchaus eine funktionale Mitverantwortung unter anderem bei der Enteignung der jüdischen Bürger trug und das der Großindustriellenfamilie Friedrich - oder auch dessen Sohn Friedrich Karl Flick zum verhassten Vertreter eines nur auf Profit fixierten Unternehmens und Wirtschaftssystems wurde.

Aber, bei allem Unverständnis für jene beißende System - und Gesellschaftskritik der Kölner Band, die ich damals eher hatte, die Texte sind , wenn auch in abgewandelter Form, immer noch aktuell. Zwar gab es keine, das einst bestehende System und seine Vertreter davon jagende revolutionäre Bewegung, doch es veränderte sich so einiges in Staat und Gesellschaft. Ob nun immer zum Guten, mag dahin gestellt bleiben.   
Springer kann somit nicht mehr rülpsen, dennoch sind seine Medien nach wie vor einflussreich, wenn auch nicht mehr alleinig meinungsbildend. Die Deutsche Bank spielt nicht mehr die erste Geige und Flick hat nach seinem Tod zwar eine Stiftung gegründet, an dem Entschädigungsfond für die vielen Zwangsarbeiter, die auch in seinen Betrieben in verbrecherischer Weise ausgebeutet wurden, hat er sich indes nie beteiligt.     
Immerhin engagiert sich die Ehefrau, die in Kärnten lebt, in diverser Weise auf der sozialen Ebene.

Möge sie deshalb nie " Dünnschiss " bekommen.


   

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