DDR - Knäste als Devisenbringer




Am Montagmorgen, dem ersten Tag des neuen Monats, hatte ich einen Termin bei der Tierärztin in Unterschleißheim. Dort lagen drei Einheiten eines Beruhigungsmittels bereit, dass unser abtrünniger Kater in Dresden verabreicht bekommen soll, bevor wir den erneuten Versuch starten wollen, ihn in das neue Zuhause zu überführen. Keine leichte Aufgabe, aber wir versuchen sie irgendwie zu lösen. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren ( oder so ähnlich )?

Während ich unseren japanischen Lastenesel auf die Fahrt in Richtung der zirka 8 Kilometer langen Strecke bewegte, drehten die Finger meiner rechten Hand so ganz nebenbei am Autoradioknopf herum. Der Empfang ist auch hier miserabel. Verschärfend kommt hinzu, dass es keine deutschsprachigen Sender gibt. Nein, ich korrigiere mich, dass es keine Sender mit reinem hochdeutsch sprechenden Moderatoren / Mitarbeitern gibt. Je nach Position konnte ich nur zwischen Bayern 1 bis 5, Ö3 ( dem leistungsstarken Konkurrenten aus Österreich, der Pop rund um die Uhr plärrt ), SWR 1 bis 3 ( der Radiokette aus dem Land der " Spätzlefresser ) und irgendwelchem privaten Gedöns, wie " Radio Arabella aus München wählen. Nachdem ich die Skala mehrere Male abgeorgelt hatte, blieben meine Finger bei der zweiten Radiostation des Bayrischen Rundfunks ( kurz: BR2 ) untätig. Egal, was ich versuchte, die Alternative hieß zur Pest eben nur Cholera oder - etwas gebildeter formuliert - die Wahl lag zwischen Charybdis und Skylla.

BR 2 hatte so ab kurz nach 9 Uhr morgens zunächst einen schwer verdaulichen Beitrag über die Deutsch - Argentinierin Tamar Bunke im Programm. Hmmmmh, der Name war mir irgendwie geläufig. Aus den fernen Tagen meiner einstigen, sehr langen Studienzeit. Und - tatsächlich, die Dame war einst die Lebensgefährtin von Ernesto " Che " Guevara. Sein Bild prangte unter anderem ab den späten 1960er bis in die ersten 1970er Jahre an der Wand unseres " Beatkellers " im elterlichen Haus.

Wer " Che " wirklich war, was er einst tatsächlich machte, wofür er vormals einstand, blieb mir über Jahre im Verborgenen. Er kam allenfalls in der damaligen Musikszene vor; schaute uns, verwegen, mit entschlossenem Blick und auf seinem rabenschwarzen Langhaar, das sich über den Ohren nach oben bog, fettig, ja, ungepflegt war, dieses typische Barrett mit dem  - für Spießer aller Couleur abschreckenden -  roten Metallstern an der linken / rechten Seite angeheftet, tragend, an.

" Che " war bei uns ein " Star ", so, wie es für die Generationen danach Robbie Williams oder der Hässling Prinz William war / noch ist. Also, über " Che " palaverte auch diese BR 2 - Frauenstimme ( vornehmlich aber über dessen Geliebte und Kampfgefährtin Tamara Bunke, die halbdeutsche Argentinierin ). In einem schier endlosen Redefluss, hörte ich, was für eine böse Dame diese Tamara gewesen sein soll. Eine Umstürzlerin, weil auch Kommunistin. Solche Frauen ( davor wurden sie durchgängig auch Suffragetten bezeichnet ) waren auch in den sozialistischen Staaten nicht sehr beliebt. Sie störten die Männer bei deren unermüdlicher Arbeit, den Sozialismus voran zu bringen.

Also: Bunke war - schlankweg behauptet - ´ne MfS - Bettmatratze, die auf " Che " ansetzt worden war, um dessen Drang nach einem " humanen " Kommunismus, jenseits der Männerkader und mitlaufender Apparatschiks, zu kontrollieren und hierüber regelmäßig dem Altherren - ZK Bericht zu erstatten. Diese mildtätige Funktion fällt allerdings schon bald nach ihrer Ausreise aus der DDR weg. Bunke lässt sich von der Eigendynamik der kubanischen Revolution und deren Abwege vereinnahmen, nennt sich deshalb " Tanja " und begleitet der Oberkämpfer " Che " fortan.   Sie wird vor knapp 52 Jahren in Bolivien ermordet.

Ob die DDR - Propaganda ihren Namen danach lobhudelt und sie als " sozialistische Heldin " abgefeiert wurde, dürfte denn eher unerheblich sein. Die Staatsführung nahm es mit der Wahrheit unisono nicht so ganz genau.

Und just dieses, heutzutage übliche Verhalten, wird nunmehr in einem weiteren Beitrag über die Boshaftigkeiten in dem untergegangenen zweiten deutschen Staat angeprangert. Aus der Sicht der ehemals Betroffenen, wohl völlig zu recht. Aus dem betrachtenden Auge des neutralen Beobachters, hatte dieser Beitrag ein G´schmäckle.

Natürlich sind und waren Knäste nie Sanatorien, in denen die Delinquenten sich von ihren Verfehlungen erholen durften. Doch Knastlöcher in der einstigen DDR hatten noch eine besondere Duftnote. Hier musste für den Staat malocht werden und zwar im Akkord, sonst konnten diverse Vergünstigungen, wie das kontrollierte Briefe versenden an die Angehörigen gestrichen werden. 
Die Häftlingsarbeit, besser, die Zwangsarbeit in den Knästen, war ein einkalkulierter Wirtschaftsfaktor. Denn die hier hergestellten Güter wurden gegen dringend benötigte Devisen in das kapitalistische Ausland, vornehmlich zum Klassenfeind und überwiegend in die BRD exportiert. Hier wurden sie zu sehr günstigen Preisen, zumeist als Ramschware, in den Handel gebracht.

Der Beitrag befasst sich mit jenem düsteren Kapitel der DDR - Geschichte. Vornehmlich wird aus der Sicht der einstigen Häftlinge berichtet. Zunächst dürfte dieses logisch sein. Doch, die davon profitierende Seite, nämlich insbesondere westdeutsche Unternehmen oder auch der Selbstbaumöbel - Gigant " IKEA " werden allzu unkritisch betrachtet. Von jenen Profiteuren dürfte wohl keiner behaupten, dass er von diesen staatlichen Ausbeutungsmechanismen durch das DDR - Regime keine Ahnung gehabt hat. Gerade BRD - Konzerne haben nach der Brandt´schen Annäherungspolitik auch von den wirtschaftlichen Vorteilen glänzend partizipiert.

Da die DDR chronisch klamm war und die eigne Nationalökonomie aus den letzten Löcherm pfiff, waren Devisenbringer in dieser Form gern gesehen. Da wurden sehr schnell sämtliche ideologischen Vorbehalte, die der eigenen Bevölkerung mittels Dauerpropaganda eingeimpft werden sollten, schnell über Bord geworfen. Auf der anderen Seite nahmen die Profit geilen Westunternehmen solche Geschäfte gerne mit, denn mit billiger Ramschware oder vor allem auch qualitativ hochwertigen Gütern zu sehr günstigen Preisen, ließen sich alle Male glänzende Geschäfte und dazu hohe Gewinne machen.

Nun wird in Erwägung gezogen, spät, eher zu spät und dieses eben nach satten 29 / 30 Jahren, die einstigen Zwangsarbeiter in den vielen DDR - Haftanstalten finanziell zu entschädigen. Da fragt sich der Außenstehende sogleich: " Qui bono ? ( Wem nützt das? ) ".

Möglicherweise möchten die Profiteure dieses perfiden Zwangsarbeitskontrukts sich endlich eine weiße Weste verschaffen, indem sie die eher wenigen Überlebenden dieses unmenschlichen Straf - und Knastsystems durch Zahlung von allenfalls Almosen endlich ruhig stellen. Die Mehrzahl von ihnen wird längst verstorben sein. Womit das ins Auge zu fassende Budget an Schadenersatzzahlungen eher sehr klein bleiben dürfte. Wenn es denn überhaupt soweit kommen sollte.

Ja, die DDR war auch auf diesem Sektor - nach westlichen, demokratischen Maßstäben bemessen - ein Unrechtsstaat. Doch genauso schwerwiegend ist die Schuld der von diesem KZ artigen Wegsperren der Verurteilten partizipierenden Westfirmen ( vornehmlich solcher, wie " IKEA " ).

Just dieser Aspekt kam in dem BR 2 - Bericht viel zu kurz. Typisch schwarzgefärbte Berichterstattung eben. Typisch BR! Deshalb immer wieder unhörbar!






" Electric Orange " - " Zwieback " - " Abgelaufen " - 2001:




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