Traueranzeige
Wenn die Wochenendausgabe der Frankfurter Rundschau ( FR ) auf dem Küchentisch liegt, sehe ich mir - eher so nebenbei, jedoch vor allem aus reiner Neugier - in einem besonderen Teil, der sich zumeist in der Mitte der Zeitung befindet, die Traueranzeigen an. Zumeist sind es Verstorbene aus der so genannten Oberschicht, deren dort mit salbungsvollen Worte gedacht wird. Studien - und Oberstudienräte a.D., irgendwelche Politiker und lokale Parteigrößen oder vor allem auch Studierte.
Die dort geschalteten Annoncen sind teuer, sehr teuer, sogar sündhaft teuer. Der Preis richtet sich nach der Größe, der Zahl der Zeilen und der besonderen Aufmachung. Da kommen in einem Blatt, wie der " FR ", dann schnell mal 1000 Euronen und mehr zusammen. Doch die Verblichenen sind es den Bezahlern dieser Anzeigen wohl offensichtlich wert.
Was mir beim Durchlesen der letzten Samstagsausgabe auffiel, waren die Geburtsjahre der Verstorbenen. Sie lagen - mehrheitlich - in den 1930ern, einige gar darunter. Das bedeutet, die von uns Gegangenen waren so Ende 70 bis weit in die 80 und darüber alt.
Wenn in einigen Monaten das neue Jahrzehnt im ersten Jahrhundert des 3. Jahrtausends anbricht, werden die Geburtsjahre der dann Verstorbenen überwiegend in den 1940ern liegen. Später dann eventuell in den 1950ern. Der Mensch, der einfache Erdenbürger, der Normalo hat eben nicht das ewige Leben. Weil der Tod auch zum Alltag gehört, gibt es eben die Todesanzeigen.
Wer zu den etwas prominenteren unter den mehr als 7 Milliarden Menschen zählt, der kann durchaus damit rechnen, dass er nach seinem Ableben in den Medien Beachtung findet. Die Meute lobhudelt sodann dessen Lebenswerk und erinnert die Nachwelt daran, was für ein toller Hecht der Tote doch war. Negative Begleiterscheinungen aus dem Dasein des verstorbenen Bürgers werden zumeist unter den Teppich gekehrt.
Gestern Abend hörte ich beispielsweise in den Nachrichten der " Tagesschau ", dass der in Berlin sesshafte Filmregisseur Artur " Atze " Brauner im zarten Alter von 100 Jahren von uns gegangen ist. " Atze " Brauner sagt mir natürlich etwas. Er war u.a. für einige Karl - May - Verfilmungen in den frühen 1960ern verantwortlich und auch die schwarz - weiß gedrehten Edgar Wallace - Krimis hatten zuvor seine Handschrift. Dann soll er noch mehrere Spielfilme über den Massenmord an den Juden gedreht haben. In diesem Genre war ihm eher weniger Erfolg ( warum wundert das mich jetzt nicht? ) beschieden.
Am selben Tag verstarb auch der Erfinder des Bossa Nova ( einem Tanzstil, den ich auch in der Pflichtveranstaltung " Tanzschule Döring " noch erlernen durfte ). Der Mann heißt Joao Gilberto und wurde satte 88 Jahre alt. So richtig konnte ich mit seinem Namen nichts anfangen. Erst, als der Begriff " Bossa Nova " damit verbunden wurde, schimmerte es mir. Das liegt wohl eher daran, dass mich diese Art von Musik völlig kalt lässt. Mal von dem Gassenhauer der von mir einst hoch verehrten und mittels " BRAVO " - Starschnitt in den prüden 1960ern an die kahle Steinwand gepappten " Manuela ". Sie trällerte einst das Liedchen " Schuld war nur der Bossa Nova ". Die 45er Vinylscheibe stand im Fach der " Telefunken " - Musiktruhe im piefigen Wohnzimmer der Eltern und drehte sich doch tatsächlich auch bei mir unter dem integrierten Plattenhobel.
Als dann die Beatmusik aufkam, war es vorbei mit den deutschsprachigen Liedern und der Schlagermusik. Ich hörte nur noch " Stones ", " Beatles ", " Kinks " etc. Als dann einige Jahre später der Rock mit samt seinen Abarten aufkam, hatte ich weder an der " BRAVO ", noch an " Radio Luxemburg " und schon gar nicht an der Mutantenveranstaltung des Dieter Thomas Heck im ZDF ein Interesse. Diese Schlageraffen, dieses eintönige Gedudel und der aufgeblasene CDU - Heck ging mir auf den Zwirn.
Doch den Namen der dort Beweihräucherten, denen konnte ich nicht entkommen. Zu erdrückend war die Präsens dieser in den Schlagerhimmel gehobenen Heinis und / oder der dortigen Träller - Liesen.
Zu diesen Dauergästen beim CDU - Edelfan Heckscher ( sein bürgerlicher Name ) zählte damals auch Costa Cordalis ( C.C. ). Sein Erfolgstitel " Anita " plärrte aus jeder " Wurlitzer " - Musikbox, die in fast jeder verräucherten Kneipe stand.
Nun, und damit schließt sich der gedankliche Kreis hier wieder, der jute C.C. hat am 2. Juli das Zeitliche gesegnet. Er wurde immerhin 75 Jahre alt.
Die Süddeutsche Zeitung ", die uns am Mittwoch ersatzweise zugestellt wurde, gedachte seiner in einem Artikel auf Seite 8 unter der Rubrik " Panorama " steht " Der Sehnsuchtssänger ".
Der Verfasser des Artikels Hans Hoff formuliert es darin so:
" Wenn es früher darum ging, die Kernkompetenz deutscher Schlagerstars kurz und knapp zu katalogisieren und die übersichtliche Welt der Hit - Hansels zu skizzieren, dann kam als Experte meist nur einer in Frage: Dieter Thomas Heck. Warum das so war, demonstrierte der Großmeister der schnellen Losbundenverkäuferansage einmal mehr, als er in seiner " Hitparade " im Jahre 1979 einen Titel ansagte, der von Alkoholischen, von sonnigem Urlaub und von vergeblicher Liebe handelte.
" Wenn eine solche Geschichte in Griechenland spielt, kann es nur einer interpretieren ", sagte Heck und schob die zwingenden Initialen und den dazugehörenden Namen hinterher: " CC, Costa Cordalis. Von Null auf 18 ".
Und dann saß ein gut gebräunter Beau im Publikum und himmelte stellvertretend für alle Angebeteten die neben ihm hockende Katja Epstein an. Costa Cordalis gab natürlich wie üblich den singenden Griechen vom Dienst, den Heißblüter aus einem sich damals öffnenden Land, das die wenigsten nördlich der Alpen aus eigener Anschauung kannten, weshalb sie froh waren, wenn ihnen griffige Klischees serviert wurden. " Der Wein von Samos " hieß der Titel, mit dem Cordalis bei Heck zu Gast war, und es war nur ein Hit unter vielen, die in ihrer Masse einem kleinen Reiseführer ähnelten. "
- Zitatende - aus: Hans Hoff, " Der Sehnsuchtssänger ", Süddeutsche Zeitung v. 04. Juli 2019, S. 8
Der Artikel umschreibt sodann die gängige Masche mit der der Schlagersänger seine Moneten verdiente. Ein verkaufsförderndes Outfit in Form eines " Colgate " - Lächelns das großzügig offen getragene typische Griechenhemd, aus dem der mit Brusthaaren gut bestückte, dazu gebräunte Oberkörper ansatzweise zu erkennen war, als Coverhintergrund eine handelsübliche Ägäis - Landschaft mit Meerblick, dazu die zerklüfteten Landzungen. C.C. bediente alle bekannten Klischees als Massenware.
Als dann die 1980er Jahre anbrachen, der Punk, die Dudeleien der NDW oder das Elektronik - Gefiepe der New Wave die Musik bestimmten, wurde es um ihn eher ruhig. Cordalis versuchte sich sodann im Ski - Langlauf. Der griechische Verband nominierte ihn sogar für die Nordischen Skiweltmeisterschaften 1985 in dem österreichischen Ort Seefeld, wo er allerdings erst ans Ziel kam, als der Sieger im 30 Kilometer - Langlauf, der Schwede Gunde Svan bereits wieder in seinem Hotelzimmer war.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nordische_Skiweltmeisterschaften_1985
C.C. besann sich danach der durchaus vorhandenen Talente seiner beiden Kinder Kiki und seinem Sohn Luca, mit dem er fortan einige Jahre lang musizierte. " Der drohende Abstieg aus dem schnelllebigen Show - und Schlagerzirkus vollzog sich indes 2004. C.C. nahm am berüchtigten " Dschungelcamp " teil und wurde prompt " König der Lianen ". Ein alternder Tarzan im Westentaschenformat versuchte alsdann seinem Aussehen eine Runderneuerung angedeihen zu lassen. Das schien offensichtlich nur teilweise gelungen zu sein, denn das Organ der Mühsamen und Beladenen, das Latrinenblatt mit den vier Buchstaben zog gehässig über den missglückten Visageneingriff her.
2014 kam dann das, was C bis D - Promis in diesem, unserem, Lande und in jenen so bewegten Zeiten der öffentlichen Hinrichtungen durch die Medien, aber noch mehr durch die so genannten Sozialen Medien, kann eine solche Mutmaßung in einem persönlichen Fiasko münden und dürfte Karriere technisch betrachtet, den " EDEKA " - Fall darstellen.
C.C. blieb bis zu seinem Ableben am 2. Juli 2019, das, was er ab den frühen 1980er dann war, ein abgehalfterter Schlager - Fuzzi, nach dem sich später nur die Provinz auf Stadt - Ernte oder Weihnachtsfesten interessierte.
Immerhin gedachte ihm eine breite Medienöffentlichkeit, auch wenn es dabei nicht zu einer großflächigen, teuren Traueranzeige in der " FR " oder " SZ " reichte.
" Thin Lizzy " - " The Sun Goes Down " - " Thunder And Lightning " - 1983:
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