Alte Bekannte nicht erkannt.
Der Neugier gehorchend und wohl wissend, dass das Internet auch ein Medium dafür sein kann, schnüffelte ich in den letzten Tagen unter der Eingabe " Evangelische Kirche Bad Eilsen " mit Tante Google ein wenig herum und - ich hatte es gehofft - ich wurde fündig. Der " Gemeindebrief Nr 96 " vom 12. 11. 2019 ist dort einlesbar.
Neben einiger Berichte, Informationen zu Veranstaltungen, Ehrungen und sonstigen Gedöns, findet sich auf Seite 20 des Druckwerks ein Foto und folgender Text:
" ...und gestern Feier der Jubiläumskonfirmation Für Sonntag, den 3. November wurde die Kirche wieder umgestaltet um das Konfirmationsjubiläum zu begehen. In einem festlichen Gewand mit dem CVJM-Posaunenchor Rolfshagen-Bad Eilsen, dem Gemischten Chor Bad Eilsen und Orgelspiel durch Annette Pflug - Herdrich, wurde der Abendmahlsgottesdienst gefeiert. 18 Jubilare hatten sich hierzu eingefunden. In der kurzweiligen Andacht erzählte Pastor Felix Nagel, wie sich der Konfirmandenunterricht gewandelt hat und stellte einige Kunstwerke der Churchnight vor. Nagel betonte, dass es nicht um das stumpfe Auswendiglernen geht, sondern darum, dass junge Menschen eine eigene Haltung zum Glauben finden, praktische Erfahrungen im Gemeindeleben machen und die Kraft der Religion auch in unserer Zeit entdecken. Beim anschließenden Essen im Haus des Gastes schauten die Jubilare dann auf die vergangenen Jahrzehnte seit der Konfirmation zurück. Viele Anekdoten auch über die früheren Pastoren und die Tricks der Konfirmanden von damals wurden erzählt.
Felix Nagel/Anja Hillmann "
- Zitatende - aus:
http://evkirche-eilsen.de/gemeindebrief-nr-96/
Na, immerhin sind von einst 32 Konfirmanden noch 27 unter uns und davon 18 zum Treffen der Jubilare erschienen. Deshalb schaute ich mir das Foto der einstigen Mitstreiter aus nicht so goldenen Zeiten etwas genauer an.
Nein, ich habe keinen aus der Gruppe der Damaligen wieder erkannt. Knapp 50 Jahre sind ja auch eine lange Zeit, in der in dem eigenen Leben nach der Konfirmation sehr viel passiert ist.
Ich gehöre der Kirche nicht mehr an; bin seit vor über 40 Jahre aus dem Verein ausgetreten. Aus vielerlei Gründen, die ich im einzelnen heute nicht mehr in Erinnerung habe.
Steuerliche Gründe waren es indes nicht, wie es einst ein Pastor in Bremen bei der Taufe meiner Tochter gemutmaßt hatte.Es waren wohl eher politische Überzeugungen, die mich bewogen hatten, dem Verein nicht mehr zu zugehören. Die Kirche ( auch die Evangelisch - Lutherische ) hat während der Kaiserzeit, noch mehr während des Faschismus, teilweise aktiv an der Durchsetzung von Unrecht mitgewirkt. Sie hat es aber vor allem - und das trifft dann auch für mich zu - nach 1949 auf vielen gesellschaftlichen Felder getan. So in Kinderheimen, in denen Schutzbefohlene systematisch gequält und gedemütigt wurden. Pastoren haben auch während des Konfirmandenunterrichts Jugendliche körperlich misshandelt. Sie waren damit Teil der ausgeübten Steinzeitpädagogik, die noch bis in die 1970er Jahre vorherrschte.
Auch das Aufstehen während irgendeines Gottesdienstes, um einer imaginären Person, deren Existenz bis heute nicht bewiesen wurde, zu huldigen, ist für mich eine Zumutung. Nach meinem Kirchenaustritt war ich noch einige auch Male bei Trauergottesdiensten anwesend. Es waren teilweise zwanghafte Rituale, die da abgespult wurden. Auch die damit einher gehenden, eher unpersönlichen Trauerreden oder besser Trauerpredigten, waren es auch. Abschreckend sind sie für mich deshalb, weil dem Kirchen - Brimborium auch dann noch der einzelne Mensch ( mag er gläubig oder weniger gläubig gewesen sein ), dem amtskirchlichen, ritualisierten Zwängen untergeordnet wird. Es geht doch bei einer solchen Veranstaltung eher um den Verstorbenen und nicht um Kirchen - Lobhudeleien?
An einem regulären Gottesdienst habe ich seit jenem Konfirmanden - Gottesdienst, der irgendwann im Mai 1969 abgehalten wurde, nicht mehr teilgenommen. Das damals von den Eltern gekaufte ( evangelische ) Gesangbuch, das viel Geld kostete und auch die Bibel ( diese war ebenfalls nicht billig ) lag dann im Einbauschrank des elterlichen Wohnzimmers. Ich habe es seitdem nicht mehr heraus geholt und demnach auch nicht mehr gesehen.
Da auch meine beiden Geschwister - aus geldlichen Gründen - in einem Abwasch konfirmiert wurden. war es unisono nicht meine, nicht nur meine Feier. Der damalige Pastor Hinz ( er verstarb vor mehr als 8 Jahren mit 97 ) hatte meinen Eltern eine Sondererlaubnis erteilt, alle drei Kinder gleichzeitig konfinieren zu lassen, kam sogar zu dem Kaffee in das Elternhaus. Er war ja selbst von dieser Einmaligkeit, dass drei Geschwister gleichzeitig während seiner Ansprache in der Kirche aufgerufen wurden, ein wenig angetan. Zudem ging ein Raunen durch die Kirchenraum, als er drei namensgleiche Konfirmanden aufrief.
Das Foto mit den 18 Erschienen, die sich 50 Jahre danach wieder trafen, habe ich für meine bessere Hälfte ausgedruckt. Sie ist ja in der DDR geboren und dort war eben die Jugendweihe vorgesehen. Der zu staatspolitischen Zwecken missbrauchte Festakt, der ja eigentlich nur den Übergang von der Kindheit in das anstehende Erwachsenenleben symbolisieren soll, wurde mit ähnlichem, ritualisierten Beiwerk versehen. Wer sich dem verweigerte, hatte durchaus mit erheblichen Nachteilen im späteren leben zu rechnen.
Nun, das war im Westen nicht der Fall. Wenngleich die Zugehörigkeit zu einer der großen Kirchen als Obligo galt. Weil nahezu alle Mitschüler von damals gefirmt und in der überwiegend in der evangelischen Region Schaumburg konfirmiert wurden, zählte eben nur das Dabeisein. Dieses, obwohl meine Eltern überhaupt keine praktizierenden Christen waren. Mein Vater wuchs als Oberschlesier in einer streng katholischen Gegend auf; meine Mutter war evangelisch - lutherisch getauft. Als beide kirchlich heiraten wollten, verweigerte der katholische Pope in Bad Eilsen seine Dienste und forderte meinen Vater auf, dafür Sorge zu tragen, dass seine Verlobte den katholischen Glauben annimmt. Beide verweigerten diesen Erpressungsversuch und schlossen die Ehe in der evangelischen Kirchengemeinde Obernkirchen.
All das ist heutzutage nicht mehr die Regel. So versucht sich denn der Bericht in dem " Gemeindebrief " in einer Relativierung von gestern zu jetzt. Das ist zwar zutreffend, doch die Amtskirchen haben sich erst auf Druck der sich wandelnden Gesellschaft geöffnet und verändert. Wobei die Katholische Kirche immer noch an den Alten Zöpfen festhält. Zwischen Theorie und Praxis liegt dort kein großer Unterschied.
Die Kirchen haben nämlich nach wie vor einen zu großen Einfluss in der Welt. Insbesondere die rückschrittliche Katholische Kirche ist es, die durch ihre starrsinnige Haltung in den Bereichen der Gesellschaft und hier besonders durch die verlogene Moralpolitik, zum Teil auf die überholten Werte verweisend, die oft existenziellen Problem, wie Abtreibung, Geburtenkontrolle durch Verhütung
verhindert. Von den über Dekaden praktizierten systematischen Missbrauch an Schutzbefohlenen / Kindern möchte ich nur erinnern; auch an die in vielen Ländern aufgedeckten Kindesmorde, die in den Klöstern und anderen kirchlichen Einrichtungen nachweislich begangen wurden.
Was zudem in diesem, unserem, so wohlhabenden Land, immer noch irritiert, ist die Tatsache, dass der Staat, der ja schon allein aus dem Grundgesetz heraus, der konfessionellen Neutralitätspflicht unterliegen muss, den Büttel bei der Eintreibung der Kirchensteuer abgibt. Wer einer Kirche angehört, wird vom Fiskus über einen Vomhundertsatz an der zu entrichtenden Einkommensteuer bei der Kirchensteuer gleich zur Kasse gebeten. Wer dem Fiskus Steuern schuldet, schuldet auch den Kirchen Geld.
Ein Novum also, denn in keinem anderen Land wird der Fiskus mit den Aufgaben bei der Beitreibung von Geldern an die Kirche in dieser Form eingespannt.
So sah ich mir gestern Abend nochmals das Foto von den Ehemaligen aus dem Jahrgang 1955, den Konfirmanden von 1969 an. Ich erkannte immer noch keine der abgebildeten Jubilare wieder. Es ist eben viel zu lange her.
VAN DER GRAAF GENERATOR - Wondering - World Record 1976:
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