" Stadt der Moderne " im Herbst



In den vergangenen 14 Tagen war ich zwei Mal in Chemnitz. Beim ersten Mal ohne Begleitung meiner besseren Hälfte, die die Stadt an dem gleichnamigen Fluss, die sich inoffizielle als " Tor zum Erzgebirge " versteht und offizielle den werbewirksamen Titel " Stadt der Moderne " führt, nahezu perfekt kennt. Schließlich hat sie zu DDR - Zeiten dort viele Jahre dort gelebt und gewohnt ( auch umgedreht stimmt dieses ).

Naja, für den geborenen - wenn auch nicht eingefleischten - Wessi ist das so eine Sache mit der Modernität. Er könnte dann und wann schon mal ins Grübeln kommen, wenn er die krassen Gegensätze zwischen der DDR - nostalgischen Realität und dem aufoktroyierten Zwang der westdeutschen Beliebigkeit vor Augen geführt bekommt.

Die Stadt Chemnitz ( damals noch Karl - Marx - Stadt ) hat seit der so genannten Wende mehr als 100.000 Einwohner verloren. das ist dramatisch. Zumal die Gründe für den riesigen Schwund in der platt gemachten Regionalwirtschaft liegen. Viele der einstigen Großbetriebe ( Kombinate ) existieren seit dem die Kloppertruppen von Rohwedder und Breul, den vormaligen " Treuhand " - Chefs, in das angeschlossene Gebiet einfielen, nicht mehr. Was geblieben ist, sind verfallene Bauten und vor sich hin gammelnde Häuser ( dieses allerdings zumeist schon zu Zeiten des zweiten deutschen Staates ).

Bei meinem ersten Besuch an einem Freitagvormittag zeigte sich der Stadtteil Bernsdorf  im herbstlichen Flair. Die Grünanlagen in der Nähe waren der Jahreszeit gemäß recht bunt. Auch dort, wo sich der Städtische Friedhof befindet. Eigentlich war es ein - auch vom Wetter aus betrachtet - eher freundlicher Tag.

Doch dieser sollte eher trübsinnig werden. Zuhause lag unser Kater " Felix " im Sterben. Er hatte Gift gefressen und sich davon nicht mehr erholt. Irgendwie überkam mich beim Herausgehen aus dem aufgesuchten Autohaus kein gutes Gefühl. Ich versuchte sofort meine bessere Hälfte in Eching zu erreichen. Doch das Handy meldete nahezu stoisch, dass ein Anruf unter der gewählten Mobilfunknummer nicht möglich sei. Warum denn nicht?

Leicht irritiert und auch ein wenig genervt, versuchte ich es mehre Male gleich hinter einander. Ohne Erfolg. Warum und wieso bekomme ich am 09.11.2019, also 30 Jahre nach dem de facto Abgesang des sozialistischen Staates auf deutschem Boden, keinen Mobilfunkempfang in der Augsburger Straße in Chemnitz?  Etwas ratlos stand ich einige Meter vor der nächsten Bushaltestelle herum. Ein freundlicher Busfahrer der Linie 53 bemerkte offensichtlich meine Ratlosigkeit und zeigte hupend, dass ich in die entgegen gesetzte Richtung gehen möge. Er nahm an, dass ich eine Haltestelle suchen würde.

Ich hob leicht die Hand und winkte dankend ab. Mein Problem war ein völlig anderes: Ich hatte keinen Handyempfang. Also ging ich in Richtung Reichenhainer Straße und startete einen erneuten versuch. Tatsächlich, das Handy verband mich mit meiner besseren Hälfte. Diese berichtete mir von den letzten Zügen unseres Katers " Felix ". Ich tröstete sie. Gegen Rattengift ist kein Kraut gewachsen. Er hatte - wie sich später heraus stellte - eine vergiftete Feldmaus gefressen - und ist daran elendig zu Grunde gegangen.

Nach dem Gespräch schlenderte ich durch die stadteinwärtige Seite des Friedhofs an der Reichenhainer Straße. Ich konnte mich ein wenig ablenken.

Die Autowerkstatt brachte mir 1 1/2 Stunden später dann doch eine weitere Hiobsbotschaft. Die fehlerhafte Lenkung konnte nicht mehr eingestellt werden. Ein neues Lenkgetriebe musste her. Aua!

Ich vereinbarte einen weiteren Reparaturtermin und fuhr unverrichteter Dinge zurück. Kein TÜV, keine Plakette, keine Ruhe. Es drohte das, was mir vor knapp 2 1/2 Jahren widerfuhr. Die Polizei verpasste uns ein Verwarnungsgeld von 15 Euro wegen Überschreitung des Hauptuntersuchungstermins um mehr als 1 Monat. Nein, dieses Mal nicht!

Am 13. 11. 2019 fuhren wir erneut nach Chemnitz. das Wetter war mies. Ein typischer November - Regentag mit alledem, was ein trister Novembertag so noch zu bieten hatte. Nebel, teilweise leichter Schneeregen, und später ein diesig, ein grauer Morgen. Wir trafen dennoch pünktlich ein.

Zu unserem Glück erhielten wir einen nigelnagelneu " Mazda CX 30 " in karminrot. Es hat sich so einiges Technisches verändert. Noch mehr Elektronik, aber dafür ein wesentlich kleinerer Wendekreis. Wir waren´s zufrieden mit dem Ersatzfahrzeug und fuhren zunächst in Richtung des Outlet - Geschäfts. Leider öffnete dieses erst ab 10.00 Uhr. Deshalb suchten wir den Bau - und später den daneben liegenden Gartenmarkt auf.

In einigen Wochen ist wieder Weihnachten. Da kann der Mensch ja schon mal an einige vorbereitende Einkäufe denken.

In einem kleinen Imbiss hinter den Universitätsbauten nahmen wir einen Magenfüller zu uns. Meine bessere Hälfte kannte das Areal aus dem FF. Schließlich verbrachte sie die Hälfte ihres Berufslebens in den dortigen Gebäuden. Zunächst an der ADW, dann im Institut für Mechanik und schließlich im EEN der EU. Einige der herein kommenden Herren grüßten durch leichtes Kopfnicken. Wir bestellten noch zwei Cappuccino. Lecker! Ich holte mir noch eine Tasse.

Später zeigte mir meine bessere Hälfte den Campus der Uni, die Nebengebäude und erklärte mir, welche Fakultät wo zu finden ist.
" Wir sind Chemnitz " stand in großen Lettern über dem Haupteingang des Großen Hörsaals.  Eine Reaktion auf die von Neofaschisten gesteuerten Krawalle im letzten Jahr.


 https://lobster53.blogspot.com/2018/08/stadt-der-moderne.html


Aus der einstigen Vorzeigestadt des damaligen Arbeiter - und Bauernstaats DDR ist nicht mehr allzu viel übrig geblieben. 30 Jahre nach der Grenzöffnung versucht die Politik der zunächst ausgebluteten Stadt krampfhaft ein neues, ein positives Image zu verpassen. Es könnt vielleicht gelingen. Doch der Weg dorthin ist weit, voller Tücken in Form von aufkeimenden Vorurteilen, gepaart mit Enttäuschungen und wird zudem durch dämliche Aktionen von geistigen Amöben zusätzlich mit Steinen versehen.

Chemnitz ist nicht rechtsradikal, sondern vielfältig. Wenn es auch hier und da nach der Wende abgehängt worden. Doch die Beschäftigungsentwicklung zeigt einen positiven Trend. Die statistisch erfasste Arbeitslosigkeit beträgt zurzeit 6,4 %; die so genannte Unterbeschäftigungsquote 8,9 %. Auch die Einwohnerzahl steigt an.

Beim Rückweg zu dem geliehenen Auto stieß ich auf das oben abgebildete Plakat der üblichen Städtewerbung. Tja, auch Klappern gehört zum Handwerk.



TUNDRA - Oro Joro - Tundra IV - 2014:




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