Kevin allein
In knapp 72 Stunden wird die Rückrunde zur Fußball - Bundesligasaison 2019 / 2020 angepfiffen. Diese beginnt - oha, welch Wunder - nicht mit einem Spiel des Groß - Champions FC Bayern München, sondern eher mit biederer Hausmannskost, allerdings aus dem oberen Tabellenbereich. Der FC Schalke 04 trifft am Freitag ab 20.30 Uhr auf die Borussia aus Mönchengladbach. Sicherlich: Ein durchaus interessantes, aber wohl kein Spitzenspiel. Denn die Tabellenführung hält der ungeliebte Klub aus Leipzig inne.
Was über den RB Leipzig seit dem Aufstieg in die Beletage des bundesdeutschen Profifußballs so alles gesagt und geschrieben worden ist, dürfte inzwischen mehrere Bände füllen. Als " Brauseklub ", " Plastikverein " oder manchmal auch " Milliardärs - Spielzeug " sind die Sachsen regelmäßig niedergemacht worden. Dennoch ist es der Vereinsführung gelungen, eine europäische Spitzenmannschaft zu formen. Und just die bietet dem selbst ernannten Abo - Meisterschaftsanwärter FC Bayern München mittlerweile Paroli.
Das hat vor mehr als 3 1/2 Dekaden auch mein Fußballklub von der Weser gekonnt. Dank eines exzellenten Zusammenspiels zwischen Vereinsführung und Trainer, haben die Werderaner über mehr als 15 Jahren den vermeintlich größeren, weil finanzstärkeren Konkurrenten aus München und dann auch Hamburg, ab und an deren Grenzen aufgezeigt.
Nun, das ist sehr lange her. Die Welt und auch die des Fußballs hat sich danach ständig weiter gedreht. Der Rasensport ist nicht nur kommerzieller, sondern dazu auch gnadenloser geworden. Heutzutage zählt nur noch der Erfolg. Werden die gesteckten Ziele, die oft viel zu hohen Erwartungen, der Vereinsführung, der Anhänger und sehr oft der Medien nicht erfüllt, rollen die Köpfe. Trainer müssen gehen, Manager werden geschasst und Spieler suspendiert.
Dieses Handlungskarussell dreht sich dabei immer nur in eine Richtung: Austausch, Auswechselung, Aussortierung. Hierbei sind nicht selten nur kurzzeitige Erfolge sichtbar. Denn dabei wird meistens nur an den Symptomen der angeblichen Erkrankung, die da Versagen, Misserfolg oder gar Abstieg heißen kann, herum laboriert.
Ein altes Sprichwort heißt: " Viele Köche verderben den Brei ".
Das trifft uneingeschränkt auch auf den Fußball zu. Wo vor vielen Jahren noch ein Trainer nebst Stellvertreter die sportlichen Geschicke zu lenken hatte, sind heute ganze Heerscharen von Unterstützern angestellt tätig. Das ehemals durchaus erfolgreiche Leitungsprinzip ( wie es auch Otto Rehhagel beim SV Werder Bremen fast 15 Jahre praktizierte ) wird dadurch abgeschafft. Der Trainer als sportlicher Leiter der Mannschaft ist auf den Sachverstand der übrigen Mithelfenden angewiesen, wenn es darum geht, das Personal, die Spieler, für eine - möglichst erfolgreiche - Mannschaft zu suchen, zu verpflichten, noch besser dabei: zu binden.
Das ist in der heutigen, einer schnelllebigen Zeit, immer schwieriger geworden. Oft hat ein Trainer nur wenige Monate Zeit, um ein Team zu formen, dass seiner Vorstellungen vom Fußballspielen annähernd entspricht. Dazu kommen aber noch weitere Zwänge, die im finanziellen Umfeld eines Klubs zu suchen sind. Wer hierbei nur überschaubare Möglichkeiten entwickelt hat, könnte im erbarmungslosen Konkurrenzkampf um Punkte, Siege und Titel, sehr rasch untergehen.
Der Fußball nach dem " Bosman " - Urteil ( https://de.wikipedia.org/wiki/Bosman-Entscheidung ) ist ein anderer geworden. Das Geld, die Finanzkraft, die ökonomischen Verflechtungen eines Klubs sind mehr denn je die Hauptkriterien für den Erfolg. Doch, manchmal gibt es auch Ausnahmen von der Regel.
In der englischen premier League zieht kurz nach dem Beginn der Saison 2019 / 2020 der von dem Ex - Bundesligatrainer Jürgen Klopp trainierte FC Liverpool einsam seine Kreise. Der aktuelle Tabellenführer führt mit sage und schreibe 16 ( ! ) Punkten die höchste englische Liga an. Die " Reds ", wie sie auf der Insel auch genannt werden, dürften - nur eine außergewöhnliche Situation dürfte dieses verhindern - wohl nach dem Gewinn der Champions League, nun nach vielen, vielen Jahren, die englische Meisterschaft in die Hafenstadt holen.
Dabei haben die Liverpooler es mit einer gigantischen Finanzkraft der Konkurrenten zu tun. Hierzu zählen Manchester City, Manchester United, der FC Chelsea.Aber auch die Londoner Vereine Tottenham Hotspurs und der FC Arsenal zählen durchaus dazu. Diese Vereine haben einige Hundert Millionen Pfund / Euro in die Mannschaften gepumpt. Jedoch blieb der ganz große Erfolg bislang aus.
Da schaute ich mir am letzten Wochenende mal zwei Punktspiele aus der Premier League an, die mich als eingefleischter Werderaner besonders interessierten. Der FC Arsenal spielte am Samstag auswärts gegen Crystal Palace. Die Begegnung endete 1:1. Arsenal ging durch den Ex - Dortmunder Aubameyang 1:0 in Führung. Dieser wurde dann später wegen eines groben Foulspiels vom Platz gestellt. Es war kein besonders attraktives Spiel. Viele Fouls, Nicklichkeiten, Unterbrechungen, kaum Spielfluss, wenige Torraumszenen. Mein Hauptaugenmerk lag natürlich auf Mesut Özil. Na,,ja, er ist in die Jahre gekommen. Nicht mehr so schnell, aber technisch immer noch gewandt.
Dann spielte mit dem Griechen Sokratis ein weiterer Ex - Werderaner. Zudem übt Per Mertesacker die Funktion eines Co - Trainers dort aus. Auch er spielte vor längerer Zeit für die Grün - Weißen.
Will sagen: Die premier League ist längst zu einem Tummelbecken auch für einstige Bundesligaspieler geworden.
https://www.sport.de/fussball/te127/arsenal-fc/kader/
Das bestätigt neben dem unangefochtenen Tabellenführer FC Liverpool ( Joel Matip, Naby Keita, Roberto Firmino, Xherdan Shaquiri ) auch die Truppe von Manchester City ( Ilkay Gündogan, Kevin De Bruyne, Leroy Sane´).
https://www.sport1.de/team/fc-liverpool/opta_14/kader
https://www.transfermarkt.de/manchester-city/startseite/verein/281
Als ich am Sonntagabend mir das Spiel der " Cityzens ) bei dem abstiegsbedrohten Verein von Aston Villa anschaute, den Belgier Kevin De Bruyne auftrumpfen sah, wurde mir gleich ganz warm um´s " Werder " - Herz. Hach, was für ein Weltklasseprofi. Und der hat ja auch mal für Grün - Weiß gespielt. Inzwischen ist Kevin De Bruyne davon Lichtjahre entrückt. Er befindet sich in einem Verein, der völlig andere Ansprüche formuliert, der in Europa unter den ganz Großen kräftig mitmischt, der Titel erringen möchte und nicht im namenlosen, grauen Mittelfeld herum dümpeln will. Schon gar nicht in jene Zone hinein geraten wird, die einen Kampf ums Überleben, gegen den Abstieg also, zum Inhalt jeder Begegnung macht.
Tja, Kevin De Bruyne ist längst eine andere Güteklasse, innerhalb einer sehr guten Mannschaft. Deshalb zerlegte Manchester City das völlig überforderte Team von Aston Villa mit 6:1. Da taten mir die " Villans " richtig leid. Ich fühlte mit ihnen, als Kevin und Co. zauberten, denn solche " Haue " hat mein gleichfalls abstiegsgefährdeter SV Werder Bremen in der Halbserie auch bekommen.
" The Villans " aus Birmingham haben sich inzwischen ein wenig verstärkt. Der Torwart Pepe´Reina wird vom AC Mailand ( auch der hat schon wesentlich bessere Zeiten gesehen ) bis zum Saisonende ausgeliehen. Vielleicht hilft er dabei, weniger Tore zu kassieren?
Auch mein SV Werder Bremen hat sich in der Winterpause auf dem Transfermarkt umgetan. Er konnte den Kevin bis zum Saisonschluss im Mai 2020 als Ausleihe verpflichten. Allerdings nicht den Kevin von den " Cityzens " aus Manchester, sondern den Kevin Vogt der der Turn - und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim. Der soll beim SV Werder nicht zaubern, keinen Gegner zerlegen und keine Titel gewinnen. Kevin Vogt wurde von den Werder - Verantwortlichen geholt, um die erneut löchrige Abweh zu stabilisieren und mit mehr Einsatz und Mumm die erforderlichen Punkte zu einsammeln zu helfen, die absolut nötig sind, den Abstieg zu verhindern.
Nicht nur das macht den Unterschied von Kevin 2020 zu Kevin 2012 aus.
Zudem wird es mit Kevin 2020, was die Verstärkung der Mannschaft betrifft, der einzige Zugang sein. Deshalb bleibt Kevin Vogt hier wohl allein auf weiter Flur.
Ob das am Ende wirklich gut geht???
ORANGE WEDGE - Death Comes Slowly - 1972:
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