Ludwig, der Hahn.



Als ich 19878 meinen Studienort von Wilhelmshaven nach Bremen wechselte, hatte mein jünger Bruder just seinen Kriegsdienst bei der Bundeswehr in Lütjenburg / Schleswig - Holstein beendet. Er beabsichtigte zum Wintersemester 1978 / 1979 ein Studium der Textiltechnik an der Fachhochschule in Mönchengladbach aufzunehmen. Zuvor aber, musste er seine langjährige Freundin / Verlobte heiraten. Ohne diesen Traunschein hätte er mit ihr gemeinsam keine Wohnung im katholisch geprägten Rheinland, in Mönchengladbach also, erhalten.

Die konservativen Rheinländer hatten zu jener Zeit wenig Verständnis für " wilde Ehen " oder sonstigen Wohnexperimenten. Der Zeitgeist der 68er strich dort als laues Lüftchen vorüber und bewegte in den Sturschädeln der Rheinländer, insbesondere jener vom Niederrhein, reinweg gar nichts. Hier wurde nicht nur nach katholischen Dogmen gelebt und gehandelt, sondern schon seit Jahrzehnten stramm rechts - konservativ CDU gewählt.

Mein Bruder wohnte zu Beginn seiner Studienzeit zunächst in einem 50er Jahre Haus in Giesenkirchen und zog dann nach zirka 3 Jahren in eine größere Wohnung nach Odenkirchen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Odenkirchen

Hier wurde dann 1981 auch mein Neffe Sebastian geboren. Da die Wohnung einen überschaubaren Garten hatte, kam mein Bruder eines Tages auf die Schnapsidee einen Zwerghahn zu kaufen. Ein Landwirt aus der Nähe von Odenkirchen hatte die Tiere über einen Aushang in einem Supermarkt angeboten. Das wesentlich kleinere Rassehuhn sollte " nur " 20 DM kosten. Also fuhr mein Bruder mit seinem neuen R 11 auf den Bauernhof und erwarb einen Junghahn.

Für diesen baute er sodann einen Verschlag, in dem auch Futterkästen und ein Wassernapf standen. Der Jungzwerghahn erhielt den Namen Ludwig. Ludwig war vielleicht 10 cm hoch und wog allenfalls 300 Gramm. Ein Zwerg, also.

Ludwig wuchs aber noch. Und weil Ludwig größer wurde, gelangte er - wie jeder Artgenosse irgendwann auch - zur Geschlechtsreife. Das war für Ludwig nichts außergewöhnliches; für die Mitbewohner und Nachbarn allerdings alsbald ein Ärgernis. Denn Ludwig, der zwar handzahm war, auf dem Balkongeländer saß, sich putzte, ab und an ordentlich aufplusterte und sogar auf seinen namen hörte, dieser Ludwig begann einige Monate später zu krähen. Zunächst eher leise, dann in den frühen Morgenstunden jedes Sommertags immer lauter werdend.

Ludwig begann somit für die Nachbarn zu einer unerträglichen Lärmquelle zu werden. Ludwig krähte viele Male am Tag. Er rief nach einer Henne, die er zu besteigen gedachte, damit Ludwig auch Vater werden darf. Doch es meldete sich keine zu Begattende bei ihm.

Stattdessen flatterte eines schönen Sommertages ein brief der Hausverwaltung in den Kasten. Darin stand sinngemäß, dass dieser " zu Ohren gekommen sei ", dass in der Wohnung meines Bruders nebst Familie ein Han als Haustier gehalten werde, der wiederum täglich laut krähen würde. Haustierhaltung sei - laut Mietvertrag und Hausordnung - jedoch nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Vermieters gestattet. Eine solche Erlaubnis läge der Hausverwaltung jedoch nicht vor.  Und selbst dann, wenn diese eine solche erteilen könnte, beziehe sich jene nur auf Kleintiere, Hunde oder Katzen und zwar nur in einer üblichen Anzahl. Ein Hahn falle nicht unter den Begriff " Haustier ".

Weil Zwerghahn Ludwig zudem noch unzumutbaren Lärm verursache, forderte die Hausverwaltung meinen Bruder als halter des Tieres auf, diesen wieder abzuschaffen.

Als ich von diesem Schreiben erfuhr, sondierte ich zunächst einmal die Rechtslage. Ich prüfte, wie es auch angehende Juristen in einem derartigen Fall immer tun würden, ob die Hausverwaltung, die Vermieterseite, im Recht sein könnte.

Sie war es. Ich informierte einige Tage später meinen Bruder über das Ergebnis meiner rechtlichen Überprüfung. Der hatte indes bereits Nägel mit Köpfen gemacht.
In einer Nacht - und Nebelaktion wurde Ludwig in einen Korb gelegt und mit dem R 11 zu einem nahe gelegenen Bauernhof gebracht. Dieser hielt auch Hühner. Mein Bruder hatte dieses zuvor eruiert. Dann hob dieser den Zwerghahn Ludwig vorsichtig über den Maschendrahtzaun und ließ ihn zu den anderen Tieren auf der dortigen Wiese zurück.

Einige Zeit später kontrollierte mein Bruder dann, ob Ludwig sich noch dort befand. Er scharrte und pickte fröhlich, frei und in der sich in dem wahren, dem natürlichen Umfeld sich in Kreis mit größeren Artgenossen befindend, dort auf der Wiese herum.

Ludwig war wieder frei - die Nachbarschaft hatte ihre Ruhe und die Hausverwaltung auch.

Merke deshalb: In einem Wohnumfeld, in dem nächtens Lustschreie eines über der eigenen Wohnung lebenden, wilden Paares ( der Mann war verheiratet ) und später das Rauschen des Badewasser deutlich zu vernehmen waren, in dem ein weiterer Mitbewohner bei geöffneter Balkontür den Fernsehapparat über Zimmerlautstärke laufen lässt und die deutsche Nationalhymne kurz nach Mitternacht knarzend, quäkend, plärrend bis zum Nachbarhaus visavis erschallt, in der an Wochenenden wilde Sauf - und Grölgelage abgehalten wurden, da ist das " Kikeriki " eines Zwerghahnes alle Male ruhestörender Lärm.

So musste sich mein Bruder des Hahnes Ludwig entledigen. Was sein muss, muss sein, in dem katholischen Umfeld mit spießigen CDU - Bürgern.



MIGHTY BABY - House Without Windows - 1969:






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